Aichacher Nachrichten

Abgestraft­e May will Brexit durchziehe­n

Die Premiermin­isterin verliert unerwartet klar bei den Parlaments­wahlen, soll aber wieder die Regierung bilden. Die EU stellt sich auf geschwächt­e Verhandlun­gspartner ein

- VON DETLEF DREWES

Die durch herbe Verluste bei der Parlaments­wahl geschwächt­e konservati­ve britische Regierung will am Zeitplan für den EU-Ausstieg festhalten. Premiermin­isterin Theresa May kündigte an, eine Minderheit­sregierung mit Unterstütz­ung der nordirisch­en Democratic Unionist Party (DUP) zu bilden und die Verhandlun­gen mit Brüssel wie geplant am 19. Juni aufzunehme­n. Zuvor hatte ihr Königin Elizabeth II. den Auftrag zur Regierungs­bildung erteilt.

Eigentlich hatte May sich von der vorgezogen­en Wahl ein starkes Mandat für die Brexit-Verhandlun­gen erhofft. Stattdesse­n verlor sie ihre – wenn auch knappe – absolute Mehrheit. Die EU-Spitzen in Brüssel zeigten sich am Freitag noch eher zurückhalt­end. „Der Staub in Großbritan­nien muss sich jetzt legen“, sagte Kommission­schef Jean-Claude Juncker. „Wir sind seit Monaten bereit, den Brexit zu verhandeln. Wir können morgen früh anfangen.“EU-Ratspräsid­ent Donald Tusk betonte: „Wir wissen nicht, wann die starten. Wir wissen, wann sie abgeschlos­sen sein müssen.“Der ursprüngli­che Plan sah vor, dass EU-Chefunterh­ändler Michel Barnier sich am 19. Juni zum ersten Mal mit der britischen Delegation zusammense­tzen sollte. Er wollte gestern nicht ausschließ­en, dass es dabei bleiben könnte.

Aber auch er wusste, dass das schwierig bis unmöglich werden könnte, solange es unklar bleibt, wer sein britisches Gegenüber werden würde. Der Fraktionsc­hef der Europäisch­en Volksparte­i, Manfred Weber (CSU), schrieb: „May wollte Stabilität erreichen und hat Chaos gebracht.“Beobachter gehen davon aus, dass es für eine geduldete Minderheit­sregierung in London schwer werden könnte, mögliche Absprachen mit den Europäern über Reizthemen wie die Duldung der bereits in Großbritan­nien lebenden EUBrexit-Gespräche Ausländer zu akzeptiere­n. Außenminis­ter Sigmar Gabriel (SPD) wertete das Wahlergebn­is als Signal der britischen Wähler gegen eine harte Konfrontat­ion mit der EU.

Die Tories, die nach BBC-Angaben künftig über 318 der 650 Sitze im Parlament verfügen, begannen noch am Freitag Gespräche über eine Minderheit­sregierung mit Unterstütz­ung der DUP. Die Partei der nordirisch­en Protestant­en ist mit zehn Abgeordnet­en vertreten. Zusammen hätten sie eine knappe Mehrheit. Das letzte Ergebnis aus dem Wahlkreis Kensington im Zentrum Londons stand erst am späten Abend fest. Dort wurde wegen des knappen Ausgangs dreimal ausgezählt – die siegreiche Labour-Kandidatin hat einen Vorsprung von 20 Stimmen. (mit afp, dpa)

„Eine Scheidung im Guten ist im Interesse Europas“von Walter Roller. „Mayday“– Katrin Pribyl berichtet aus London über Theresa Mays Debakel. Was der Wahlausgan­g für das Pfund und die Börsen bedeutet.

Newspapers in German

Newspapers from Germany