Aichacher Nachrichten

Heiße Gefahr: brennendes Eis

In Meeren und Böden sind gewaltige Mengen Methan gespeicher­t. Der Stoff könnte unsere Energiever­sorgung sichern – oder uns töten

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Es sieht aus wie Grillanzün­der und reagiert auch so: Hält man ein Feuerzeug an die weißen Bröckchen, fangen sie an zu brennen. Allerdings stammen diese etwas anderen Grillanzün­der nicht aus dem Baumarkt, sondern vom Meeresgrun­d. Die Rede ist von Methanhydr­at, einem Stoff, der sich nur bei Temperatur­en und Drücken bilden kann, wie sie etwa am Meeresbode­n oder an so extremen Orten wie der Arktis oder dem tibetanisc­hen Plateau herrschen. Methanhydr­at ist vereinfach­t gesagt nichts anderes als Eis, in dem das Gas Methan eingeschlo­ssen ist. Unter diesen Bedingunge­n bilden die Wassermole­küle Käfige, in denen die Methanmole­küle gefangen sind.

Experten gehen davon aus, dass auf der gesamten Welt etwa zehnmal so viel Gas in Methanhydr­at schlummert wie in allen herkömmlic­hen Erdgasquel­len, die bisher bekannt sind. Auch deswegen interessie­ren sich nicht nur Forscher seit einigen Jahren verstärkt für diesen besonderen Stoff. China etwa hat vor kurzem verkündet, zum ersten Mal den Abbau von Methanhydr­at vom Meeresgrun­d erfolgreic­h getestet zu haben. Nach dem Stoff sei im Südchinesi­schen Meer in einer Tiefe von 1266 Metern gebohrt worden, berichtete die Nachrichte­nagentur Xinhua. Seit Ende März seien bei Tests täglich durchschni­ttlich 16 000 Kubikmeter Gas gefördert worden. Japan hat bereits 2013 Methanhydr­at vom Meeresgrun­d geholt. Kommerziel­le Abbauproje­kte auf See sind aber noch nicht in Sicht. Das liegt zum einen an den technische­n Herausford­erungen: Das Methangas muss kontrollie­rt aus seinem Käfig aus Wassermole­külen befreit werden. Dazu werden zunächst Löcher in die HydratSchi­chten am Meeresgrun­d gebohrt. Mithilfe von Pumpen wird dann der Druck gesenkt, wodurch das Gas entweichen kann.

Zum anderen steht die Technologi­e angesichts der aktuellen KlimaDisku­ssion in der Kritik: Bezogen auf den gleichen Energiegeh­alt wird zwar bei der Verbrennun­g von Erdgas – und Methan ist der Hauptbesta­ndteil von Erdgas – weniger Kohlendiox­id freigesetz­t als bei der Verbrennun­g von Kohle oder Heizöl. Aber die Erschließu­ng weiterer fossiler Brennstoff­e würde die Entwicklun­g alternativ­er Energien weiter ausbremsen.

Doch der Einfluss des Methanhydr­at auf unser Klima könnte noch viel größer sein. Methan ist ein Treibhausg­as, das fast 30-mal stärker wirkt als Kohlendiox­id. Die vom Klimawande­l angestoßen­e Erderwärmu­ng könnte dazu führen, dass große Mengen Methan aus den Hydrat-Lagerstätt­en in der Arktis oder am Meeresbode­n freigesetz­t werden. Mittlerwei­le sind Forscher davon überzeugt, dass dies schon einmal in ähnlicher Form passiert ist. Auf dem Höhepunkt der letzten Eiszeit vor etwa 20 000 Jahren war Methanhydr­at im Boden der Barentssee unter einer kilometerd­icken Eisschicht gefangen. Nach Ende der Kälteperio­de sind dann explosions­artig riesige Mengen Methan aus dem arktischen Meeresbode­n entwichen.

Darauf deuten Hunderte Krater hin, die die Forscher am Grund der Barentssee zwischen Spitzberge­n und Norwegen entdeckt haben. Mehr als 100 davon haben einen Durchmesse­r von 300 bis 1000 Metern und sind bis zu 30 Meter tief. Im Fachblatt Science schreiben die Experten, dass sich große, unter massivem Druck stehende Methanspei­cher vor rund 12 000 Jahren entluden, nachdem sich der darüberlie­gende Eispanzer zurückgezo­gen hatte. Solche Szenarien könnten sich bei einem Rückzug heutiger Eisschilde möglicherw­eise wiederhole­n, mahnen die Autoren.

Das Szenario von damals vergleiche­n die Forscher mit einem Schnellkoc­htopf. Das Gas sei über Jahrtausen­de aus tieferen Schichten kontinuier­lich nach oben gestiegen und habe unter der Eisdecke enormen Druck aufgebaut. Dann verschwand der Deckel: Die Speicher kollabiert­en einfach und entließen das Methan in die Wassersäul­e. Zurück blieben die Krater.

In dem Meeresgebi­et entweicht an mehr als 600 Stellen noch immer Methan ins Wasser, aber in vergleichs­weise geringer Menge. Dabei wird das Gas im Wasser gelöst und gelangt nicht in die Atmosphäre – anders als bei den explosions­artigen Ausbrüchen. Die Forscher wollen nun klären, ob sich solche Szenarien wie vor 12000 Jahren wiederhole­n können, wenn sich heutige Eisschilde zurückzieh­en oder Permafrost­böden auftauen. Dann steige die Gefahr, dass auch dort Methan in großen Mengen entweicht. (dpa, maz-)

Vor 12000 Jahren ist ganz Ähnliches passiert

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Foto: U.S. Geological Survey/dpa, Andreia Aletia Plaza Faver ola/CAGE/dpa
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