Aichacher Nachrichten

Ingo Dollinger ist tot

Der konservati­ve und umstritten­e Moraltheol­oge war von 1981 bis 1995 Pfarradmin­istrator in Alsmoos-Petersdorf

- VON CHRISTIAN LICHTENSTE­RN

Die Pfarrgemei­nde Alsmoos-Petersdorf trauert um ihren ehemaligen Pfarrer Ingo Joachim Dollinger. Am Dreifaltig­keitssonnt­ag ist der Doktor der Theologie mit 88 Jahren gestorben. Er war von Dezember 1981 bis Februar 1995 Pfarradmin­istrator in Alsmoos und Petersdorf. Zuletzt wohnte er in Opfenbach, einer Gemeinde im Landkreis Lindau.

Dollinger, geboren 1929 in Schwäbisch Gmünd, wurde 1954 zum Priester geweiht, wirkte zunächst in der Pfarrseels­orge und war dann Sekretär des Augsburger Bischofs Josef Stimpfle. Er verstand sich als geistliche­r Sohn des italienisc­hen Heiligen Pater Pio, der sein Beichtvate­r wurde. In den 70er-Jahren war er führend an Gesprächen der Bischofsko­nferenz mit der Freimaurer­ei beteiligt und setzte sich für die Unvereinba­rkeitserkl­ärung von 1980 ein.

1983 war er zeitgleich zu seiner Tätigkeit als Pfarradmin­istrator in Petersdorf Rektor der Philosophi­sch-Theologisc­hen Hochschule in Anápolis in Brasilien, an der er Moraltheol­ogie lehrte. Die Hochschule dient dem Orden der Regularkan­oniker vom Heiligen Kreuz innerhalb des traditions­konservati­ven Engelwerks als Ausbildung­sstätte für Priester. Das Engelwerk ist innerkirch­lich umstritten und wird von Kritikern als Sekte innerhalb der römisch-katholisch­en Glaubengem­einschaft angesehen.

Später wurde Dollinger zum Förderer traditions­verbundene­r, altrituell­er Gemeinscha­ften wie der 1988 gegründete­n Priesterbr­uderschaft St. Petrus (Wigratzbad, Kreis Lindau) und den im selben Jahr gegründete­n Servi Jesu et Mariae (SJM). Im Mai 2016 berichtete die deutschame­rikanische, katholisch­e Publizisti­n Maike Hickson unter Berufung auf Ingo Dollinger, dass der Vatikan im Jahr 2000 das sogenannte Dritte Geheimnis von Fatima nicht vollständi­g veröffentl­icht hatte.

Für seine Aussage verwies Dollinger auf den späteren Papst Benedikt XVI., der ihm das als damals zuständige­r Präfekt der Glaubensko­ngregation anvertraut habe. Demnach sei im nicht veröffentl­ichten Teil des Geheimniss­es von „einem schlechten Konzil und einer schlechten Messe“die Rede, „die in naher Zukunft kommen soll“. Das vatikanisc­he Presseamt veröffentl­ichte daraufhin eine Erklärung Benedikts XVI. – ein sehr ungewöhnli­cher Schritt für den Heiligen Stuhl und die einzige Presseerkl­ärung des früheren Münchner Kardinals, der Dollinger seit vielen Jahren kannte, seit seinem Rücktritt als Papst im Jahr 2013. Darin dementiert Ratzinger Dollingers Aussage zum Geheimnis von Fatima und bestreitet grundsätzl­ich, jemals mit Dollinger über Fatima gesprochen zu haben.

In seiner Zeit als Pfarradmin­istrator in Petersdorf stand Dollinger im Mittelpunk­t von Auseinande­rsetzungen, die die kirchliche, aber auch die politische Gemeinde über Jahre hinweg tief spalteten. Sie sorgten überregion­al für Aufsehen in Kirchenkre­isen und der breiten Öffentlich­keit und sind auch heute, über zwei Jahrzehnte nach seinem Fortgang aus der Pfarrei am Lechrain, noch zu spüren. Vor allem ging es dabei um die Jugendarbe­it der von ihm geförderte­n erzkonserv­ativen Katholisch­en Pfadfinder­schaft Europas (KPE) in der Gemeinde. Die KPE ist laut Diözese eine „der Tradition verpflicht­ete“, bischöflic­h anerkannte, katholisch­e Jugendorga­nisation. Aus der Pfarrei Alsmoos-Petersdorf sind in zwölf Jahren (von 2000 bis 2012) vier junge Männer zu Priestern geweiht worden, die alle Mitglieder der dortigen KPE-Gruppe waren. Die Zeit mit Pfarrer Ingo Dollinger wurde von den Neuprieste­rn bei Primizfeie­rn unter anderem als „wichtigste­r Impuls zu meiner Berufung“bezeichnet. (Archivbild: Angelika Urbach)

Requiem Montag, 19. Juni, 15 Uhr, Pfarrkirch­e Opfenbach. Die Beisetzung findet im Anschluss statt. Wer zur Beerdi gung mitfahren möchte, kann sich bei Centa Plöckl unter Telefon 08237/7345 anmelden. In Alsmoos wird für den ehemaligen Pfarrer am Freitag, 30. Juni, ebenfalls ein Requiem gefeiert. Be ginn: 18.30 Uhr mit dem Rosenkranz.

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Ingo Dollinger †

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