Helmut Kohl besuchte einst auch den Kreis
1982 hielt der spätere Bundeskanzler eine Wahlkampfrede in Aichach – und verstieß hier gegen das Protokoll. Nach dem Tod des 87-Jährigen erinnern sich Weggefährten, aber auch Politiker, die damals noch Jungspunde waren
Es ist fast genau 35 Jahre her, dass Helmut Kohl den Landkreis besuchte. Am 30. Juni 1982 war er, damals Bundesvorsitzender der CDU, zu Gast bei einer Wahlkampfveranstaltung in Aichach. Gestern starb der Einheitskanzler im Alter von 87 Jahren. Er war eine starke Persönlichkeit, wie sich einst auch in Aichach zeigte, wo er seine Leibwächter ins Schwitzen brachte.
Am 30. Juni 1982 war Volksfest in Aichach und in Bayern Landtagswahlkampf. Redner einer Großkundgebung im Festzelt: Helmut Kohl, Oppositionsführer im Bundestag. Wenige Monate später wurde er Kanzler. Bevor Kohl an jenem Tag im Festzelt für eine Wiederwahl des Ministerpräsidenten Franz-Josef Strauß warb, verstieß er erst einmal zum Entsetzen seiner Sicherheitsleute gegen das Protokoll: Er stieg aus dem Auto, entdeckte ein Hinweisschild in Richtung des da- maligen Cafés Kögl und bestand darauf, einen Kaffee zu trinken. Anschließend ging es zu Fuß zum Volksfestplatz, Kohl hielt seine Rede und trug sich ins Goldene Buch der Stadt ein, das ihm vom damaligen Bürgermeister Alfred Riepl, der inzwischen gestorben ist, vorgelegt wurde.
Erinnerungen an Kohl hat jeder, doch wenige in der Region kannten ihn so gut wie der ehemalige Vizepräsident des Bundestages, Eduard Oswald (CSU). „Er war ein großartiger Mensch.“Oswald musste erst einmal einige Minuten um Fassung ringen, als er gestern die Nachricht vom Tod Kohls erfuhr. Viele Jahre hat er mit ihm zusammengearbeitet. „Obwohl man wusste, dass er schwer krank war, macht mich sein Tod sehr betroffen“, sagt Oswald. Kohl sei ein großer Staatsmann gewesen, „Vater der Deutschen Einheit“. Er sei aber auch ein großer Europäer gewesen. „Er hatte verstanden, dass die Vergangenheit Europas aus Not, Elend und Kriegen bestand und nur eine Einheit der eu- Länder die Zukunft sein kann“, betont Oswald. „Und er war den Menschen sehr nahe, auch wenn die Öffentlichkeit dies nicht immer so mitbekommen hat.“
Der Friedberger Altbürgermeister Albert Kling (CSU) war Kohl ebenfalls einmal relativ nahe, als dieser eine Rede in Augsburg hielt. Er findet ihn beeindruckend, sieht ihn aber differenziert. „Ein großer Staatsmann, der aber am Schluss durch die Spendenaffäre viel kaputt gemacht hat.“
Als Vorbild sehen ihn jüngere Politiker, etwa der CSU-Landtagsabgeordnete Peter Tomaschko. „Für mich ist er der größte Staatsmann überhaupt.“Auch er nennt die Wiedervereinigung und das Zusammenropäischen wachsen Europas als größte Verdienste Kohls. „Gerade heute bräuchten wir wieder mehr Staatsmänner wie ihn.“
Kohl war ein Mensch, der auch politischen Gegnern Respekt abnötigte. Aichachs Bürgermeister Klaus Habermann (SPD) zum Beispiel: „Er ist einer der großen Kanzler der Bundesrepublik. Er hat sich gerade um die europäische Einheit verdient gemacht.“Habermann sagt aber auch: „Bei der deutschen Wiedervereinigung hat er von der Ostpolitik eines Willy Brandt profitiert.“Und das, obwohl der Bundeskanzler der SPD ausgerechnet dafür viele Jahre lang massiv bekämpft worden sei. Habermann: „Das hat sich mir eingeprägt.“Dennoch will er Kohls Rolle bei der Wiedervereinigung nicht schmälern: „Er hat im richtigen Moment die richtigen Schlüsse gezogen, keine Frage.“(mit gps, nsi)