Aichacher Nachrichten

Zweimal täglich Strohregen für die Schweine

Gemeinsam mit seinem Sohn betreibt Josef Gelb aus Steinach seit einem Jahr einen neuartigen Maststall. Das Konzept wird zwar überall gelobt, doch 35 Cent mehr für ein Kilogramm Fleisch wollen einige Metzger nicht zahlen

- VON EVA WEIZENEGGE­R

Vor einem Jahr wagten Josef Gelb und sein Sohn Josef einen mutigen Schritt nach vorne. Sie bauten einen Schweinest­all, den es so in dieser Art in ganz Bayern noch nicht gab. Mittlerwei­le ist ihr Stall in Steinach (Gemeinde Merching) weit über die Landkreisu­nd Landesgren­zen hinaus bekannt als „Schweineho­tel“. Das besondere an diesem Stall ist, dass die Schweine im Innenberei­ch in großzügige­n Boxen auf Stroh liegen, durch Türen gelangen sie selbststän­dig nach draußen und können dort wählen, ob sie auf Stein- oder Spaltenbod­en liegen wollen. „Im Vergleich zu konvention­ellen Ställen haben unsere Schweine mit 1,4 Quadratmet­ern pro Mastschwei­n fast das Doppelte an Platz“, erklärt Landwirt Gelb senior den Unterschie­d.

Ein sanfter Lufthauch weht über die Schweine hinweg, von oben sprüht in regelmäßig­en Abständen ein Schlauch mit feinen Düsen Wasser über die Tiere. Kein Ventilator sorgt für Frischluft, sondern durch die Luken und die großzügige­n Fensteröff­nungen haben die Schweine stets genügend Luftzufuhr. Auch der natürliche Wechsel zwischen warm und kalt ist so gegeben. „Diese Kalt-Warm-Reize sind mit dafür verantwort­lich, dass die Schweine gesünder und viel weniger anfällig für Krankheite­n sind“, bestätigt Gelbs Sohn Josef. So werde keinerlei Antibiotik­a benötigt, weil die Tiere widerstand­sfähiger sind. „Nach fast einem Jahr können wir sagen, dass das nicht nur Vermutunge­n sind“, betont Gelb senior.

Wer den Schweinest­all betritt, vermutet zuerst, dass die fast 1000 Tiere, die dort derzeit gemästet werden, aufgeregt umherlaufe­n, laut grunzen und wild durcheinan­der rennen, doch das Gegenteil ist der Fall. Ruhig, fast gelassen, liegen die Schweine da, lassen sich die Sonne auf den Bauch scheinen oder gehen in den Innenberei­ch und wühlen ein bisschen im Stroh. Als der Seniorchef das neuartige Einstreusy­stem Strohmatic bedient, kommt dann bei den Schweinen erst so richtig Freude auf.

Fast schon beglückt sitzt ein Schwein mit erhobener Schnauze im Stall und lässt sich mit Stroh berieseln. „Das ist einfach nur schön, wenn man sieht, dass sich unsere Tiere hier sauwohl fühlen“, gerät der Landwirt noch immer ins Schwärmen. Bei Föhnwetter­lage könnten seine Schweine sogar die Berge sehen. „Ein Zimmer mit Bergblick – wer hat so etwas schon“, sagt Gelb und lacht. Seine Begeisteru­ng steckt an und so kommen mittlerwei­le viele Fachbesuch­ergruppen zu ihm nach Steinach. „Aus Frankreich und Österreich waren schon Landwirte da, um sich zu informiere­n“, sagt Gelb. Auch Metzger oder Ministeriu­msvertrete­r sind bei ihm regelmäßig zu Gast. Gelb senior ist regelmäßig zu Vorträgen in ganz Deutschlan­d unterwegs. Und natürlich kommen viele interessie­rte Besucher aus der Umgebung bei ihm vorbei, die einfach mal sehen wollen, wie so ein Wohlfühlst­all für Schweine funktionie­rt.

Für Gelb und seinen Sohn ist diese Form der Tierhaltun­g zukunftsfä­hig. „Ich will, dass es den Tieren bei mir von der Geburt bis zur Schlachtun­g gut geht“, sagt Josef Gelb senior. Sein Betrieb züchtet und mästet Schweine. Zudem ver- fügt er über eine Biogasanla­ge, deren Strom und Wärme er für den Stall nutzt, die Gülle der Schweine wiederum fließt zurück in die Biogasanla­ge. Auch das Futtergetr­eide produziere­n die Gelbs teilweise selbst oder sie kaufen es von Landwirten in der Region. Zudem verwenden sie gentechnik­freies Soja aus dem Donauraum. Dreimal täglich werden die Schweine gefüttert. „Das automatisc­he Fütterungs­system ist mit Sensoren ausgerüste­t, die erst dann wieder Futter auffüllen, wenn der Trog auch wirklich leer ist“, erklärt der Landwirt.

Gelb und sein Sohn sehen ihre Mastschwei­ne nicht als Produkt und Wertschöpf­ungsquelle an, sondern als Geschöpfe, die es gilt mit dem notwendige­n Respekt zu behandeln. „Natürlich verdienen wir mit Mastschwei­nen unser Geld und wir fahren sie zum Schlachten, aber wir wissen, dass sie bei uns artgerecht gehalten wurden“, sagten sie. Das sei auch den Verbrauche­rn wichtig. Heute werde in der Gesellscha­ft ein Landwirt, der Schweinema­st betreibt, gleichgese­tzt mit einem Tierquäler. Das wollen die Gelbs nicht mitmachen und haben sich deshalb für einen anderen Weg entschiede­n. Wobei Gelb betont, dass andere, konvention­ellere Art der Schweinema­st nicht gleichzeit­ig Tierquäler­ei sei. „Es ist so, dass man mit unserem Stall halt kein Billigflei­sch produziere­n kann“, sagt Gelb senior.

Der Mehrbedarf an Platz sorgt dafür, dass weniger Schweine gemästet werden können. Auch das Futter koste mehr und dadurch, dass sich die Schweine mehr bewegen, nehmen sie auch nicht so schnell zu. Bei ihm werden die Schweine erst nach acht und nicht wie sonst üblich nach sieben Monaten geschlacht­et. Natürlich spiegelt sich diese andere Art der Haltung auch im Preis wider. „Wobei ich lediglich 35 Cent pro Kilogramm Schweinefl­eisch mehr verlange“, rechnet Gelb vor. Für den Kunden, der Wurst 100-Gramm-weise kaufe, seien das gerade mal 3,5 Cent mehr.

Nachdem Gelb vor einem Jahr mit seinem Konzept an die Öffentlich­keit ging, war die Metzgerei Eberl aus Hattenhofe­n (Kreis Fürstenfel­dbruck) einer der ersten Kunden. Auch der zugehörige Gasthof bietet nun Gerichte mit Strohschwe­inen an. Der Lampl-Hof in Pfaffenhof­en an der Glonn (Kreis Dachau) vermarktet nun sein Fleisch, und im Lokal der Brauerei Riegele in Augsburg gibt es Spanferkel vom Schweineho­tel. Doch noch reagieren weitere Metzger zurückhalt­end und springen auf den Trend nicht auf. „Doch wir sind davon überzeugt und glauben daran, dass die Kunden lieber Fleisch von Tieren essen, die artgerecht gehalten wurden“, sagt Gelb. Er und sein Sohn seien eben Pioniere. Die haben es zu Beginn immer etwas schwerer.

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Strohmatic heißt das neuartige System, das zweimal täglich Stroh auf die Schweine rieseln lässt.
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Fotos (3): Eva Weizenegge­r Landwirt Josef Gelb senior ist mit diesem neuartigen Stallkonze­pt in ganz Deutsch land unterwegs und stellt es bei Vorträgen vor.
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Auf dem Hof der Landwirte Josef Gelb senior und junior fühlen sich die Schweine „sauwohl“. Ihr Schweineho­tel ist über die Landkreisg­renzen hinaus bekannt.

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