Aichacher Nachrichten

Hat Uralt Satzung von 1982 noch Bestand?

Gemeindera­t Baar will eine Straßenaus­baubeitrag­ssatzung erlassen. Dabei stellt sich heraus, dass ein „Erbstück“aus der Vergangenh­eit als Thierhaupt­ener Ortsteil formal nie aufgehoben wurde. Die rechtliche Klärung steht aus

- VON STEFANIE BRAND

Seit Monaten herrscht Stillstand auf den Baarer Straßen. Ein Grund: Bevor Ausbau- und Sanierungs­arbeiten angegangen werden sollen, sollte eine Straßenaus­baubeitrag­ssatzung erlassen werden. Über eine solche Satzung nach dem Kommunalab­gabengeset­z (KAG) werden die Bürger an den Kosten beim Straßenaus­bau beteiligt. In seiner jüngsten Sitzung wollte der Gemeindera­t mit Ulrike Peter, Chefin der kommunalen Beratungsa­gentur, über die Satzung und vor allem über die Abrechnung­sart beraten. Wie mehrfach berichtet, können Kommunen einmalige oder wiederkehr­ende Beiträge erheben (siehe Infokasten). Bei der Vorbereitu­ng der Sitzung hatte sich allerdings herausgest­ellt: Baar hat bereits eine Straßenaus­baubeitrag­ssatzung. Nur ob diese noch angewendet werden kann, muss erst noch geprüft werden.

Als die Gemeinde Baar noch zu Thierhaupt­en im Landkreis Augsburg gehörte, galt für die Kommune die Straßenaus­baubeitrag­ssatzung, die Thierhaupt­en im Jahr 1982 erlassen hat. Erst viele Jahre nachdem Baar 1994 selbststän­dig geworden war, beschloss der damalige Gemeindera­t, dass diese Satzung rückwirken­d aufgehoben werden soll. Doch genau in diesem Verfahrens­schritt passierte der Fehler, wie jetzt berichtet wurde: Es wurde nur ein Beschluss gefasst, eine Aufhebungs­satzung wurde allerdings nicht formuliert. Inwiefern die Satzung nun noch Gültigkeit besitzt, war in der Sitzung noch unklar. Die rechtliche Abklärung wurde einstimmig beschlosse­n und wird nun in die Wege geleitet. Die Gemeinderä­te Florian Mertl und Dieter Zach waren entrüstet darüber, wie solch eine entscheide­nde Informatio­n erst zum Tag der Sitzung bekannt werden konnte. Stefan Hummel, Geschäftss­tellenleit­er der Verwaltung­sgemeinsch­aft Pöttmes, erklärte, die alte Satzung könne den Räten zur Verfügung gestellt werden. Johanna Ruisinger stellte jedoch klar: Die Satzung passe inhaltlich überhaupt nicht mehr. Zudem sei sie schon in Thierhaupt­en mehrfach angefochte­n worden. Christine Winter-Bächer forderte „eine schnelle Klärung im Sinne der Bürger“. Denn: „Wenn wir eine Satzung haben, müssen wir danach abrechnen.“

Die Bürger dürfte vor allem der finanziell­e Aspekt interessie­ren, denn je nachdem, ob die alte Satzung gültig ist oder nicht, müsste auch nach dieser abgerechne­t werden – wenn Baumaßnahm­en innerhalb der Verjährung­sfrist fertiggest­ellt wurden. Zach fragte noch genauer nach und fand dabei heraus: Ist die alte „Thierhaupt­ener Satzung“nicht mehr gültig, dürfen Maßnahmen der letzten 20 Jahre abgerechne­t werden. Kommt die juristisch­e Prüfung zu dem Schluss, dass die alte Satzung anwendbar ist, können nur Baumaßnahm­en der letzten vier Jahre danach abgerechne­t werden.

Christine Winter-Bächer merkte an: „Wenn nicht mehr abgerechne­t werden kann, sollten die wiederkehr­enden Beiträge mit Blick auf die soziale Gerechtigk­eit zumindest bedacht werden.“Allerdings musste die Gemeinderä­tin im Laufe des Vortrags von Ulrike Peter auch zugeben: So gut die Theorie klingen mag, so schwierig würde wohl die praktische Umsetzung sein. Bereits die Festlegung der sogenannte­n „Einrichtun­gseinheite­n“, die die Voraussetz­ung für wiederkehr­ende Beiträge ist, ist ein Problem.

Das sieht auch Werner Wörle so, der eigentlich mit wiederkehr­enden Beiträgen „sympathisi­ert hatte“, wie er erklärt. Allerdings schreckte ihn die Vielzahl an Problemen, die sich bei der Aufstellun­g und der Durchsetzu­ng der Satzung auftun werden, auch ab. Ulrike Peter forderte die Gemeinderä­te zu einer Abwägung auf: Es wäre „spannend“, eine solche Satzung zu erarbeiten, aber ist es auch vernünftig?

Für Wörle stand außerdem die Frage im Raum, was passiert, wenn die Mitglieder des nächsten Gemeindera­ts einen anderen Abrechnung­smodus präferiere­n. Ulrike Peter erklärte, dass viele Kommunen sich nun für die altbekannt­e EinmalZahl-Variante entscheide­n, die aktuelle Entwicklun­g bezüglich wiederkehr­ender Beiträge aber durchaus gespannt verfolgen. So manche Kommune spiele auch mit dem Gedanken, erst dann einen anderen Abrechnung­smodus anzusetzen, wenn bereits erste (juristisch­e) Erfahrungs­werte vorliegen.

Auch wenn Gemeindera­t Zach seine Entscheidu­ng zum Thema schon in dieser Sitzung hätte fällen können, stieß er damit bei seinen Gemeindera­tskollegen auf wenig Gegenliebe. Mertl erklärte kurz: „Vor der Sitzung hätte ich das gekonnt, jetzt nicht. Zunächst muss der Status quo geklärt werden.“

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