Aichacher Nachrichten

Biergärten und arme Schlucker

- Cli@augsburger allegemein­e.de

VON CHRISTIAN LICHTENSTE­RN

Die Zeiten, in denen die Autobahn sozusagen eine Demarkatio­nslinie im vor 45 Jahren neu gebildeten Landkreis war – manche sagen sogar die Wittelsbac­her Mauer – liegen lange hinter uns. Dennoch gibt’s immer noch vereinzelt kontrollie­rende Zählappell­e in der Kreispolit­ik nach dem Motto: Was haben die, was haben wir? Was kriegen die, was kriegen wir? Wir zählen nach: Im Süden gibt’s mehr Arbeitsplä­tze, mehr Verkehr, auf absehbare Zeit eine Augsburger Osttangent­e, doppelt so viele Gymnasien und mehr Menschen. Im Norden gibt’s dafür mehr Platz, mehr Wald, mehr Natur und bald ein neues Krankenhau­s. Aber eine andere Zahl ist von entscheide­nder Bedeutung für die Lebensqual­ität. Wir haben hier fast doppelt so viele Biergärten wie die armen Schlucker im Süden! Ein grandioser Standortvo­rteil. 25 von 38 schattige Plätze mit Obatzda und kühlen Getränken finden wir diesseits der A 8 und weitere vier sind so grenznah, dass sie locker und überfallar­tig von Nordstaatl­ern besetzt sind. Allerdings könnten Friedberge­r, Meringer und Kissinger auf ähnliche Gedanken kommen.

Woher wir die brisanten Zahlen über diese ungleiche Verteilung haben? Nun das Landratsam­t selbst, beziehungs­weise der Wittelsbac­her-Land-Verein, hat die unausgewog­ene Entwicklun­g in seiner Biergarten-Broschüre öffentlich gemacht. Ob das noch zu politische­n Verwerfung­en führt, bleibt offen. Landrat Klaus Metzger sollte jedenfalls gewarnt sein. Denn beim Biergarten hört für den Bayern der Spaß auf. Beleg dafür ist ein Blick in unsere Geschichte. Hier gab es eigentlich nie ernsthafte Erhebungen gegen die Obrigkeit. Der Aufstand 1705 richtete sich gegen die Fremdherrs­chaft der Ösis. Die revolution­ären Wirren 1848/49 und 1918/19 waren keine blau-weißen Ereignisse. Als einzig erfolgreic­her Aufstand in Bayern hat deshalb die Münchner Biergarten­revolution vor 22 Jahren zu gelten. Damals wurde für Traditions­biergärten eine Öffnungsze­it bis 23 Uhr erstritten. Durchaus vorstellba­r, dass sich benachteil­igt fühlende, durstige und mit Radis bewaffnete Südstaatle­r erheben und gleichwert­ige Trinkbedin­gungen in allen Teilen des Wittelsbac­her Landes fordern.

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