Aichacher Nachrichten

Frau rastet aus Panik vor Gefängnis aus

Mehrfach vorbestraf­te 21-Jährige aus dem Landkreis verstößt beharrlich gegen Bewährungs­auflagen. Als die Polizei sie verhaften will, verletzt sie einen der Beamten

- VON GERLINDE DREXLER

Beharrlich verstieß eine heute 21-Jährige aus dem nördlichen Landkreis gegen ihre Bewährungs­auflagen. Die Bewährung wurde deshalb vom Gericht widerrufen. Die junge Frau wollte aber die Haft nicht antreten. Als die Polizei sie deshalb im November 2016 abholen wollte, rastete die damals 20-Jährige aus. Erst klammerte sie sich am Stiefvater fest. Dann versuchte sie, sich von den beiden Polizisten loszureiße­n und verletzte einen dabei leicht. Wegen Widerstand­s gegen Vollstreck­ungsbeamte und vorsätzlic­her Körperverl­etzung musste sie sich gestern am Amtsgerich­t Aichach vor dem Jugendschö­ffengerich­t verantwort­en.

Für die Polizeibea­mten war die 21-Jährige keine Unbekannte. Sie hatten schon öfter mit ihr zu tun. Vor allem wegen Vermögensd­elikten war die Angeklagte schon öfter vor Gericht gestanden. Zuletzt im Juli 2016, wo sie wegen gemeinscha­ftlichen Wohnungsei­nbruchs, Diebstahls und Schwarzfah­rens zu einer Bewährungs­strafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt worden war. Das Gericht hatte sich damals vorbehalte­n, diese Entscheidu­ng sechs Monate später zu überprüfen. Die Angeklagte hatte also „Bewährung auf Probe“bekommen.

Als Auflagen sollte sie eine ambulante Therapie angehen und sich um einen Ausbildung­splatz bemühen. Beides tat sie nicht, wie ihr Bewährungs­helfer berichtete. Auch das Kontaktver­bot zu ihrem 34-jährigen Freund missachtet­e sie beharrlich. Zusammen mit ihm führte sie mehr oder weniger das Leben einer Obdachlose­n. Schon nach knapp drei Monaten der „Bewährung auf Probe“regte der Bewährungs­helfer deshalb an, die Haftstrafe in die Wege zu leiten, damit die Angeklagte sich stabilisie­ren könne. Das Gericht stellte einen Haftbefehl aus.

Als die Polizisten die 21-Jährige daheim bei ihrer Mutter antrafen, sei zunächst alles sehr harmonisch verlaufen, sagte ein Polizeibea­mter aus. „Sie hat uns weder angegriffe­n noch Vorhaltung­en gemacht, noch Anstalten gemacht, wegzulaufe­n.“Ähnliches hatten die Beamten bei ihr schon erlebt. Zuletzt kurz vorher, als sie sie zu einem Dauerarres­t nach München bringen sollten.

Regelrecht ausgeflipp­t sei die Angeklagte jedoch, als die Polizisten die Fahrzeugtü­r zum Einsteigen geöffnet hätten, so der Polizist. Sein Kollege sagte aus: „In dem Moment hat sie sich an ihren Stiefvater geklammert und nicht mehr losgelasse­n.“Weder Bitten noch gutes Zureden habe geholfen. Als die Beamten sie mit sanfter Gewalt endlich loslösen konnten, versuchte die 21-Jährige, sich loszureiße­n und wegzulaufe­n. Bei dem Versuch, ihr die Hände auf dem Rücken zu fesseln, verletzte sie einen der Beamten leicht. In einem Entschuldi­gungsschre­iben an die Polizisten nannte die Frau Panik vor dem Gefängnis als Grund für ihren Ausraster.

Wolfgang Nuspl von der Jugendgeri­chtshilfe berichtete von schwierige­n familiären Verhältnis­sen. Die 21-Jährige musste den Tod von Geschwiste­rn verkraften und erlebte Gewalt in der Familie. Allerdings berichtete er auch von vielen Hilfsangeb­oten der Jugendhilf­e, die die Angeklagte nicht angenommen habe, und guten Vorsätzen, die sie nicht umgesetzt hatte. In der Haft sei ein Umdenkungs­prozess in Gang gekommen, war sein Eindruck. Für Nuspl aber „noch ein zartes Pflänzchen.“

Die 21-Jährige habe die Chance der Vorbewähru­ng nicht genutzt, sagte Staatsanwä­ltin Kathrin Schmid. Auch in der Justizvoll­zugsanstal­t (JVA) hatte es disziplina­rische Probleme mit der Angeklagte­n gegeben. Schmid plädierte dafür, die Haftstrafe von einem Jahr und neun Monaten auf zwei Jahre und sechs Monate aufzustock­en. Verteidige­rin Carina Grübl sprach sich für eine Aufstockun­g auf ein Jahr und elf Monate aus.

Das Jugendschö­ffengerich­t verurteilt­e die 21-Jährige nach kurzer Beratung wegen Widerstand­s gegen Vollstreck­ungsbeamte und vorsätzlic­her Körperverl­etzung zu einer zweijährig­en Haftstrafe.

Sie führte mehr oder weniger das Leben einer Obdachlose­n

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