Aichacher Nachrichten

Vom Bleistift zum Pinsel

Lange Zeit war Anni Schedel aus Friedberg technische Zeichnerin. Ihr Herz gehörte aber immer der Kunst. Nun sind ihre Werke in Augsburg zu sehen. Sie erzählt von ihrem ungewöhnli­chen Lebensweg

- VON ELISA MADELEINE GLÖCKNER

Anni Schedel ist freischaff­ende Künstlerin. Das war nicht immer so. Vor 30 Jahren zeichnete sie Dieselmoto­ren für MAN. Der Vater starb früh, die junge Frau sollte etwas Handfestes lernen. Und so entschied sich Anni Schedel für den Beruf der technische­n Zeichnerin. Ein einengende­s Korsett – denn ihre Leidenscha­ft war immer die Kunst.

Heute hat Anni Schedel ein eigenes Atelier in der Augsburger Ballonfabr­ik. Es trägt den Namen „Etagere“– nicht ohne Grund. „Es ist wie im Leben. Stufe für Stufe verändern sich die Dinge.“Dort kann sie ihrem Drang nachgeben und malen, zeichnen, formen, schütten, stempeln oder mischen. „Es war toll, mein Hobby zum Beruf machen zu können“, sagt sie. Einfach sei dieser Schritt aber nicht gewesen. „Manchmal war es wie ein freier Fall.“Trotz Ehemann und Nachwuchs – das Sicherheit­snetz war weg. „Aber mein Thomas war ein großer Halt und hat mich immer unterstütz­t.“

Angefangen habe sie mit Aquarell und Urban Sketching. „Früher hat man das Skizzieren genannt“, sagt die Friedberge­rin und lacht. Im Laufe der Jahre belegte sie Kurse an freien Universitä­ten und Kunstakade­mien, um ihre Ästhetik, die Technik und das Geschick mit dem Pinsel auszufeile­n. „Man wächst in eine völlig neue Welt hinein“, meint die Künstlerin.

Mit ihren frischen 60 Jahren befindet sie sich in einer Aufbruchph­ase – der dritten Pubertät, wie sie sagt. „Das Pflichtpro­gramm ist vorbei, die zauberhaft­en Jahre beginnen“, erklärt sie mit einem Lächeln auf den Lippen. „Jetzt kann ich mich ohne schlechtes Gewissen ganz der Muse hingeben.“Und für gewöhnlich klopft die Göttin der Inspiratio­n zu den sonderbars­ten Zeiten an Schedels Tür. „Wenn sie schiebt und drückt, dann muss ich ihr nachgeben“, erklärt sie. Das sei auch gut so. „Denn die meisten Gegebenhei­ten sind einzigarti­g.“

Ihr Stil? Mal wild und frei, mal konzipiert und durchdacht: Anni Schedel legt sich nicht gerne fest. Flexibilit­ät und Sprunghaft­igkeit machten das Künstlerle­ben schaurigsc­hön. „Man muss mutig sein, stark sein, einstecken können“, bekräftigt sie. Das sei manchmal hart, habe aber positive Seiten: „Aus den tiefsten Phasen wächst oft ein Lotus“, ist sie sicher. Nun gibt Schedel Einblick in ihre Arbeit. Unter dem Motto „Einzigarti­g. Eigenartig. Eisenartig.“stellt die 60-Jährige ihre Werke mit drei „Kameraden“im Botanische­n Garten in Augsburg aus. Ganze zwei Jahre lang arbeitete Anni Schedel an den Werken. „Es wird ein Farbrausch“, verspricht die Künstlerin, die für sich den Aspekt „Eigenartig“beanspruch­t. Zu sehen sind Zeichnunge­n, Malerei, aber auch Acryl.

Musenhof dieser vielseitig­en Vernissage sei vor allem Indien, das Land der Farben, gewesen. „Während einer Reise haben mich die Gewänder, die Menschen und das HoliFest sehr beeindruck­t“, erklärt sie. In ihrem Atelier sehe es deshalb aus wie in einer Hexenküche: „Überall Farbpigmen­te.“Als Ausstellun­gsort fließe auch der Botanische Garten in die Kunst mit ein. „Es zieht sich auch ein grüner Faden durch“, sagt sie augenzwink­ernd. Und wenn es die Muse verlangt, wird man Anni Schedel auch dort beim Malen sehen.

Termin Die Ausstellun­g „Einzigarti­g. Eigenartig. Eisenartig.“ist bis Sonntag, 30. Juli, täglich von 9 bis 21 Uhr in der Gärtnerhal­le des Botanische­n Gartens in Augsburg zu sehen.

Aufbruchph­ase in die dritte Pubertät

 ?? Foto: Elisa Glöckner ?? Die Stücke der Künstlerin sind vielseitig in Stil, Form und Farbe. Im Hintergrun­d ist Schedels Werk „Hoffmanns Erzählunge­n“zu sehen, im Vordergrun­d „Der eigene Weg“.
Foto: Elisa Glöckner Die Stücke der Künstlerin sind vielseitig in Stil, Form und Farbe. Im Hintergrun­d ist Schedels Werk „Hoffmanns Erzählunge­n“zu sehen, im Vordergrun­d „Der eigene Weg“.

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