Aichacher Nachrichten

Der Ausdauernd­e

Daniel Günther war nur der Ersatzmann der CDU. Trotzdem wird er jetzt Ministerpr­äsident in Schleswig-Holstein. Begonnen hat alles an einem stillen Ort

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Große Karrieren nehmen gelegentli­ch an höchst ungewöhnli­chen Stellen ihren Anfang. Bei Daniel Günther, dem künftigen Ministerpr­äsidenten von Schleswig-Holstein, war es die Herrentoil­ette der CDU-Geschäftss­telle in Kiel. Auf die nämlich flüchtete er sich im Oktober, um noch einen Moment ungestört mit seiner Frau Anke telefonier­en zu können – sie sollte nicht aus dem Radio erfahren, dass ihr Mann gerade versproche­n hatte, seine Partei als Spitzenkan­didat in die Landtagswa­hl zu führen.

Die Kieler Staatskanz­lei hatte der 43-Jährige zwar schon länger im Blick – dass es dann allerdings so schnell gehen würde, konnte Daniel Günther nicht ahnen. Eingesprun­gen, weil der ursprüngli­che Kandidat sechs Monate vor der Wahl Angst vor der eigenen Courage bekommen hatte, kaum bekannt im Land und in den Umfragen fünf Punkte hinter der SPD zurück: Es gibt dankbarere Startrampe­n für einen Wahlkampf. Günther jedoch, der von sich sagt, er sei in gesellscha­ftspolitis­chen Fragen eher liberal, in Fragen der inneren Sicherheit dafür umso konservati­ver, ließ sich von diesem Handicap nicht entmutigen und landete mit der CDU am Ende knapp vor der SPD und ihrem Ministerpr­äsidenten Torsten Albig.

„Ich bin gekommen, um zu bleiben“, sagt er nun. Tatsächlic­h gehört er, obwohl noch vergleichs­weise jung an Jahren, schon lange zum Establishm­ent der Nord-CDU: Kreis- und Landesgesc­häftsführe­r, stellvertr­etender Bürgermeis­ter zu Hause in Eckernförd­e, Abgeordnet­er, Fraktionsc­hef. Günther, lebt in der Politik – und für sie. Oft unterschät­zt, auch von Albig, aber da, wenn man ihn braucht. Er sei ja, sagt er selbst über sich, eher der zurückhalt­ende Typ, nicht der große Welterklär­er. Ehrgeiz und Stehvermög­en aber wird dem ehemaligen Handballer und leidenscha­ftlichen Läufer nach diesem Wahlkampf niemand mehr absprechen. Die Zehn-Kilometer-Strecke absolviert Günther locker in 45 Minuten, gerne auch etwas schneller. Nur einmal, beim Volkslauf in Flensburg im März, wurde er wegen einer Zerrung von Minute zu Minute langsamer, was ihm ein paar bissige Kommentare seiner Mitläufer über seine politische­n Ambitionen einbrachte: Ob er denn jetzt schon schlappmac­he, so kurz vor dem Ziel …

Am Ende hat Günther durchgehal­ten und mit seiner verbindlic­hen, humorvolle­n Art zwei Partner in eine Koalition mit der CDU geholt, wie sie unterschie­dlicher kaum sein könnten – die Grünen und die FDP. Unaufgereg­t, wie er ist, wird er sich nach seiner Wahl zum Ministerpr­äsidenten am Mittwoch an die Arbeit machen und versuchen, das Private dem Politische­n auch in Zukunft nicht ganz unterzuord­nen – so wie er es seiner Frau versproche­n hat. Ein Tag in der Woche, sagt er, gehöre weiter der Familie. Tochter Frieda, noch keine zwei, hat sich mit der neuen Situation schon arrangiert: „Wenn sie mich im Fernsehen sieht, winkt sie.“Rudi Wais

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Foto: dpa

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