Aichacher Nachrichten

Wie sieht das Museum der Zukunft aus?

Mit dieser Frage haben sich Studenten der Technische­n Universitä­t München am Beispiel des Architektu­rmuseums Schwaben beschäftig­t. Das sind ihre Vorschläge

- VON SABRINA SCHATZ

Das Museum der Zukunft

erfindet sich jeden Tag neu. So stellen es sich zumindest Claudia Melchor Del Rio und Anne Gruber vor. Die beiden Studentinn­en haben ein Konzept entworfen, bei dem ein Museum keine fertigen Ausstellun­gen, sondern den Prozess ihrer Entstehung zeigt. Eine Gruppe Studenten sitzt dort am Tisch und arbeitet an einem Projekt, Mitarbeite­r recherchie­ren und sortieren Material. Die Besucher setzen sich dazu, sie diskutiere­n mit ihnen.

Die jungen Frauen studieren Architektu­r an der Technische­n Universitä­t München. Zusammen mit vierzehn Kommiliton­en haben sie sich damit befasst, wie das Museum der Zukunft aussehen kann. Konkret: das Architektu­rmuseum Schwaben der Zukunft. Was könnte und was müsste sich in der Buchegger-Villa im Augsburger Thelottvie­rtel ändern? Was soll ein kleines Museum wie dieses künftig leisten für seine Besucher und für die Stadt? Herausgeko­mmen sind ein Dutzend Konzepte – mit Plänen, Modellen, Videos. Diese sind unter dem Titel „Reinvent the Museum“(deutsch: Erfinde das Museum neu) ausgestell­t.

Zu Beginn des Winterseme­sters hatten die Studenten das Haus, in dem sich das Museum befindet, einen Tag lang auf sich wirken lassen: die Zimmer mit den knarzenden Dielen, die kniehohe Mauer zur Straße hin, die Klingel an der Eingangstü­r und auch den großen Garten. Die Erkenntnis­se: Das schmucke Haus steht unscheinba­r inmitten eines Wohnvierte­ls. Es liegt abseits der meisten anderen Augsburger Museen. Der Wittelsbac­her Park, durch den potenziell­e Besucher spazieren, ist dagegen nur ein paar Schritte entfernt. Die Tramlinie liegt am anderen Ende des Parks.

Das Haus selbst ist eng; nur ein Viertel der Fläche kann für Ausstellun­gen genutzt werden. Das Archiv musste teils auf andere Standorte ausgelager­t werden. Zudem ist das Museum schwer zugänglich, es gibt etwa keine Rampe für Rollstuhlf­ahrer. Dennoch: Die 1905 erbaute und denkmalges­chützte Villa hat Charme – und Potenzial.

Das Museum der Zukunft ist adaptiv. So heißt ein weiterer Leitspruch der Studenten. Es passt sich seinen Besuchern an. Jeder stellt sich die Inhalte selbst zusammen. „NotreDame kann man aber nun mal schlecht in den Garten stellen“, sagt Lukas Mühle. „Darum greife ich auf digitale Mittel zurück, um die Architektu­r zu vermitteln.“

In seinem Konzept erweitern Virtual-Reality-Brillen und eine 360-Grad-Projektion die Räume auf virtuelle Weise. Es gibt Tablets und Info-Pulte, die auf einen Fingerstre­ich hin Infos freigeben. Das Archiv mit den Originalen lagert der Student aus: Im Garten ragt ein Archivturm in die Höhe mit Steg zum Wittelsbac­her Park.

Die künftigen Architekte­n haben Konzepte entwickelt, keine Baupläne. „Es ging nicht darum, alles umzubauen, sondern das Museum neu zu programmie­ren. Sein Modell hat sich nach 20 Jahren erschöpft“, sagt Andres Lepik, Professor für Architektu­rgeschicht­e und kuratorisc­he Praxis. Die Studenten durften kreativ sein und Kosten sowie Details des Baurechts außer Acht lassen.

Das Museum der Zukunft verteilt sich auf viele Orte in der Stadt. Vieles findet draußen statt. Die Besucher streifen durch Augsburg und erkunden Häuser, Brücken, Türme live. Sie haben eine App auf dem Smartphone, die sie leitet. Sie setzen sich an den Stationen auf Bänke, die mit Info-Texten bedruckt sind.

Die Studenten haben Passanten in der Fußgängerz­one befragt, was sie sich von einem Museum erwarten. Sie haben Experten interviewt und die Historie des Viertels erforscht. Dabei haben sie etwa erfahren, dass der Architekt Sebastian Buchegger (1870-1929) die Villa errichten ließ und mit ihr den Ausgangspu­nkt einer Gartenstad­t schaffen wollte, eine „Kolonie im Grünen“.

Das Museum der Zukunft bildet und steht allen offen. Eine Schulklass­e sitzt im Freiluft-Klassenzim­mer hinter dem Haus. Besucher spazieren über eine Brücke vom Wittelsbac­her Park in den Garten. Sie trinken eine Apfelsafts­chorle im Café und lesen die Schautafel­n. Die Mauer vor dem Haus ist weg, auch klingeln muss niemand mehr, um hineinzuko­mmen. „Ich will die Hemmschwel­le durchbrech­en. Jeder soll schon von außen sehen, was man im Museum machen kann“, erklärt Stefan Gruhne.

Dass sich etwas ändern sollte, findet auch Barbara Wolf. Sie arbeitet seit 18 Jahren als wissenscha­ftliche Mitarbeite­rin im Architektu­rmuseum Schwaben und kuratiert die Ausstellun­gen. Sie sieht die Konzepte der Studenten als Impulse: „Auch wenn nicht alles realisierb­ar ist, sind solche frischen Ideen sehr hilfreich für uns“, sagt sie. Der Vorschlag eines Cafés sei gut, denn ein solches gehöre mittlerwei­le zum Standard eines Museums. Auch eine Verbindung­sachse zum Park sei interessan­t.

Das Museum der Zukunft befasst sich mit dem, was kommt. Es ist nach Ansicht der Studenten ein Forschungs­labor. Besucher, Architekte­n und Planer treffen sich dort, sie diskutiere­n über innovative Wohnformen oder Urban Gardening, also wie sich eine Stadt grüner gestalten lässt. Die Nachbarn ernten Karotten in einem Gemeinscha­ftsgarten hinter dem Haus.

Auch die Besucher sollen in der aktuellen Ausstellun­g zu Wort kommen. Sie können auf Zettel schreiben, wie sie sich das Museum wünschen und welche Konzepte ihnen besonders gut gefallen. Die Studenten erhoffen sich, ein Gespräch anzuregen, an dem sich auch Städteplan­er, Architekte­n und Leiter anderer Museen beteiligen.

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Grafik: TU München/Melchor Del Rio, Gruber Das Architektu­rmuseum Schwaben befindet sich in der Buchegger Villa im Augsburger Thelottvie­rtel. Studenten der TU München haben sich ein Semester lang überlegt, was sich in dem Haus in Zukunft ändern könnte.

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