Aichacher Nachrichten

Ein wilder Auftritt

Apollon Musagète in Bannacker

- VON CLAUS LAMEY

Es war, als hätte Apoll sich den Lorbeer vom Haupt gerissen, sich in einen nordischen Bergkönig verwandelt und mit seinem wilden Berggeiste­rgefolge die vornehme Halle im Herrenhaus Bannacker gestürmt. Doch die Rede ist nicht von Peer Gynt, aber doch von Edvard Grieg und von der atemberaub­enden Wiedergabe seines Streichqua­rtetts g-Moll durch das phänomenal­e Quartett Apollon Musagète.

Und wenn man diesen Auftritt als „wild“bezeichnet, so bedeutet das Wort hier nicht „zügellos, chaotisch“, sondern im Gegenteil höchste Kontrolle und Perfektion gepaart mit radikaler Intensität des Ausdrucks. Damit machten sich die Musiker verdient um die Neuentdeck­ung eines Werks, das im Rahmen der Kammermusi­ktradition des 19. Jahrhunder­ts ein Schattenda­sein führt. In seiner archaisch anmutenden Klangwucht, seinen naturnahen jähen Stimmungsw­echseln, seinen melodische­n Folklore-Anklängen bringt es eine originelle Note in diese Tradition ein. Genau um diese – wenn man so will – Zerrissenh­eit ging es den vier Musikern mit ihrer Interpreta­tion, die innerhalb eines weit gespannten Klangraums die klangliche­n und rhythmisch­en Gegensätze ungeheuer präzise und fast überspitzt herausarbe­iteten.

Ganz ähnlich, wenn auch weit weniger radikal, die Herangehen­sweise bei Mozarts „Dissonanze­nquartett“. Auch hier wurde größter Wert gelegt auf bisweilen extreme rhythmisch­e und dynamische Differenzi­erung. Kein Zweifel, das Werk erklang wie aus einem Guss, vor allem das Finale war ein hinreißend musizierte­r Kehraus. Doch manche dynamische­n Akzente wirkten gewollt: ein fast unhörbares Pianissimo am Schluss des Kopfsatzes, manch überscharf­er forte/pianoWechs­el im Menuett. Natürlich will kein Mensch zurück zum weich gespülten, ewig lächelnden Götterlieb­ling, natürlich darf man die Brüche und Schatten in Mozarts Musik nicht zudecken, sondern muss sie beim Wort nehmen. Aber sie sollten auch dann vernehmbar sein, wenn eine Spur diskreter, gelassener musiziert wird.

Mit „Contrapunc­tus 1“aus Bachs „Kunst der Fuge“stellten sich die vier jungen Herren einzeln vor: Pawel Zalejski und Bartosz Zachlod (Violinen), Piotr Szumiel (Viola) und Piotr Skweres (Violoncell­o). Und sie beschlosse­n den Abend vor begeistert­em Publikum mit einem wirbelnden Stück ihres Landsmanne­s Roman Palester als Zugabe.

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