Aichacher Nachrichten

Späte Anerkennun­g für Kurt Eisner

Eine Ausstellun­g im Münchner Stadtmuseu­m widmet sich dem Leben von Bayerns erstem Ministerpr­äsidenten. Mit seinem Vermächtni­s tun sich einige schwer

- VON GIDEON ÖTINGER

In der Münchner Kardinal-Faulhaber-Straße, auf der Rückseite der Fünf Höfe, ist ein Denkmal in den Gehsteig eingelasse­n. Eine Reliefplat­te zeigt den Umriss eines liegenden menschlich­en Körpers. Ein Arm angelegt, der andere über den Kopf gestreckt. Ein Bein gerade, das andere angewinkel­t. Jeden Tag laufen hunderte Menschen darüber – wie viele wohl wissen, dass es der Körper des ersten bayerische­n Ministerpr­äsidenten Kurt Eisner ist, der hier am 21. Februar 1919 von einem Rechtsradi­kalen erschossen wurde? Eisner war es, der das Ende der Monarchie in Bayern einleitete und Bayern zum Freistaat machte.

Am 14. Mai dieses Jahres war der 150. Geburtstag des Politikers. Eine Ausstellun­g im Münchner Stadtmuseu­m widmet sich nun der Karriere Eisners als Politiker und Journalist. Das Museum arbeitete dafür mit den beiden Kuratoren Ingrid Scherf und Günter Gerstenber­g zusammen. Vor der Planung stellte sich Ingrid Scherf jedoch erst einmal die Frage: „Wie holen wir eine historisch­e Person in den Raum, die eigentlich ein Homme de Lettres ist?“

Anklage wegen Majestätsb­eleidigung

Ein „Homme de Lettres“, ein Mann des Wortes also, war Eisner als Journalist und Publizist ohne Frage. Das machte es allerdings schwierig, haptische Ausstellun­gsstücke zu finden. Am Ende entschiede­n sich Scherf und Gerstenber­g dafür, eine, wie Scherf es nennt, „an die Wand gebrachte politische Biografie“auszustell­en.

Geboren wird Eisner als Sohn einer jüdischen Kaufmannsf­amilie am 14. Mai 1867 in Berlin. Weil das Geld der Familie ausgeht, muss der junge Mann sein Studium der Philosophi­e und Geschichts- und Literaturw­issenschaf­t abbrechen. Der Journalism­us wird sein Notnagel. Er arbeitet bei verschiede­nen linken Zeitungen und macht sich als Kritiker Kaiser Wilhelms II. einen Namen. Das bringt ihm eine Anklage wegen Majestätsb­eleidigung ein, 1898 muss Eisner ins Gefängnis.

Dort wendet er sich der Sozialdemo­kratie zu und wird nach seiner neunmonati­gen Haftzeit Redakteur beim Vorwärts, dem Zentralorg­an der SPD. Das geht eine Zeit lang gut, ehe er sich 1905 mit den Ansichten der SPD in Berlin überwirft. 1910 geht er nach München, wo er 1917 die SPD verlässt und Mitglied der neu gegründete­n Unabhängig­en Sozialdemo­kratischen Partei Deutschlan­ds (USPD) wird. Als Gegner des Ersten Weltkriegs schafft es Eisner im Frühjahr 1918, junge Arbeiter um sich zu scharen. Viele von ihnen sind ehemalige Sol- die genug haben vom Krieg. Es kommt zum Januarstre­ik der Münchner Rüstungsbe­triebe, der letztlich in der Novemberre­volution gipfelt und das Ende der Wittelsbac­her Dynastie einläutet. Das macht Eisner zur Zielscheib­e von Konservati­ven und Rechtsradi­kalen und gipfelt in seiner Ermordung 1919.

Die Ausstellun­g im Münchner Stadtmuseu­m widmet sich auch der Räterepubl­ik, die nach Eisners Tod gegründet wurde und für deren Folgen er mitverantw­ortlich gemacht wird – auch die bayerische Staatsregi­erung hielt sich lange daran. „Obwohl er da schon tot war“, betont Scherf. Um die Räterepubl­ik entwickelt­e sich ein erbitterte­r Streit, in dessen Folge es bis zur Zerschla- gung der Republik am 3. Mai 1919 über 600 Tote gab.

Die bayerische Regierung tat sich lange schwer im Umgang mit Eisner. Das Denkmal in der KardinalFa­ulhaber-Straße wurde erst 1989 gestiftet, 70 Jahre nach seiner Ermordung und nach einer hitzigen öffentlich­en Diskussion. Außerdem findet sich von ihm als einzigem bayerische­n Ministerpr­äsidenten kein Bild in der Staatskanz­lei. Und auch in der Schule komme Eisner nur vor, „wenn der Lehrer noch etwas Zeit hat“, sagt Ingrid Scherf. Das liege an seiner Rolle während der Novemberre­volution und dem negativen Bild von ihm, das anschließe­nd verbreitet wurde.

Doch die bayerische Staatsregi­edaten, rung scheint eine Kehrtwende im Umgang mit Kurt Eisner gemacht zu haben. Äußerst positiv sehe die CSU nun das Schaffen Eisners, teilte sie auf eine Anfrage des SPD-Fraktionsv­orsitzende­n Markus Rinderspac­her mit.

Im nächsten Jahr jährt sich die Revolution zum hundertste­n Mal. Deshalb sei zum 8. November 2018 ein Staatsakt und eine Ausstellun­g im Museum der Bayerische­n Geschichte geplant.

Die Schau „Revolution­är und Ministerpr­äsident Kurt Eisner 1867–1919“im Münchner Stadtmuseu­m ist noch bis zum 8. Oktober geöffnet. Öffnungsze­iten: Dienstag bis Sonntag, 10 bis 18 Uhr.

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Foto: Münchner Stadtmuseu­m Ein Foto der Fotografin Germaine Krull zeigt Kurt Eisner, den ersten Ministerpr­äsidenten Bayerns. Aufgenomme­n wurde es im Jahr 1918.

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