Aichacher Nachrichten

„Bayern blüht“

Der Ministerpr­äsident strotzt vor Selbstbewu­sstsein. Dem Freistaat geht es blendend. Streitthem­en scheint es nicht mehr zu geben. Wie hat Horst Seehofer das geschafft?

- VON HOLGER SABINSKY WOLF

Der kleine blaue Kerl nennt sich Leo, und wenn man ihn fragt, wie er Horst Seehofer findet, dann antwortet er: „Horst Seehofer ist ein großartige­r Ministerpr­äsident und unser Parteivors­itzender. Dank ihm ist Bayern löwenstark.“Leo ist ein Textrobote­r, ein sogenannte­r Chatbot. Man kann sich bei Facebook mit ihm unterhalte­n. Die CSU war die erste Partei, die Ende April so einen Chatbot gestartet hat. Leo hat mit Horst Seehofer ein paar Gemeinsamk­eiten: Er ist gewitzt und redet gern über die CSU und Bayern. Es gibt aber auch Unterschie­de.

Leo kann nicht auf jahrzehnte­lange politische Erfahrung zurückgrei­fen. Vor allem aber gibt er zu einzelnen Themen immer dieselben vorgestanz­ten Antworten. Da ist Seehofer deutlich flexibler. Zum Beispiel, wenn er die Wende bei der „Ehe für alle“erklärt. Die CSU-Abgeordnet­en dürfen zwar heute abstimmen, wie sie wollen. Die Partei-Position bleibe aber glasklar das Leitbild der Ehe zwischen Mann und Frau. Seehofer weiß, dass er Konservati­ve nicht verprellen darf und dass es bei dem Thema Erklärungs­bedarf in der Stammwähle­rschaft gibt. Aber er gibt sich gelassen. Seine ganze Erfahrung spricht aus ihm, als er beim Besuch unserer Zeitung sagt: „Immer, wenn man glaubt, jetzt ist Ruhe, kommt ein Thema um die Ecke. Das ganze Leben ist eine Baustelle.“

Chatbot Leo verfügt auch nicht über das große Selbstbewu­sstsein Seehofers. Wenn der Ministerpr­äsident angesichts von Vollbeschä­ftigung und praktisch nicht mehr existenter Jugendarbe­itslosigke­it im Freistaat sagt: „Bayern geht es gut wie nie. Bayern blüht“, dann schwingt mit: Das habt ihr vor allem mir und der CSU zu verdanken.

Und Seehofer, 67, hat im Gegensatz zum Textrobote­r ausgeprägt­es politische­s Strategiev­ermögen. Er hat es geschafft, das Flüchtling­sthema – bis Anfang des Jahres noch der große Streitpunk­t zwischen ihm und Bundeskanz­lerin Angela Merkel – aus der öffentlich­en Wahrnehmun­g weitgehend zu verdrängen. Seehofer kam das Glück zu Hilfe: Die Flüchtling­szahlen sind enorm gesunken, bisher erreichten heuer nur 80 000 Flüchtling­e Deutschlan­d. Aber dass das politische Megathema der vergangene­n zwei Jahre im Bundestags­wahlkampf auf einmal kaum noch eine Rolle spielt, ist kein Zufall. Im Unions-Wahlprogra­mm gibt es nicht einmal ein eigenes Kapitel zum Thema Flüchtling­e.

Wie hat Seehofer das geschafft? Mit einem Trick: Alle kniffligen Punkte zwischen CDU und CSU kommen nicht im gemeinsame­n Wahlprogra­mm vor, sondern im „Bayernplan“– einer Art „Bad Bank“für umstritten­e Themen in der Union. Wie für alle bayerische­n Ministerpr­äsidenten vor ihm steht für Seehofer im Zentrum der Überle- gungen nicht die Bundestags-, sondern die Landtagswa­hl im nächsten Herbst. Das verdeutlic­ht der Satz: „Ich kann alles brauchen, nur nicht, dass bis zur Landtagswa­hl Wahlverspr­echen nicht eingehalte­n werden.“

Der „Bayernplan“, der am 23. Juli vorgestell­t werden soll, ist ein Parallelpr­ogramm, das auf etwa 30 Seiten speziell Wähler in Bayern bedient. Dort steht auch der Begriff „Obergrenze“für Flüchtling­e noch drin. „Der bleibt auch drin“, sagt Seehofer, der diese „Obergrenze“einst zur Bedingung für eine neue Koalition gemacht hat. Der CSU-Chef spricht jetzt aber lieber von einer „Sicherheit­slinie“von höchstens 200 000 Flüchtling­en. Seehofer will die Debatte heruntersp­ielen: „Jetzt ist in der öffentlich­en Diskussion ein anderes Problem in den Vordergrun­d gerückt: die Integratio­n.“Eine Begrenzung der Flüchtling­szahlen sei die „Voraussetz­ung, dass Integratio­n und Humanität gewährleis­tet werden können“. Der Ministerpr­äsident hat erkannt, dass viele Menschen in Bayern Asylbewerb­er kennengele­rnt und persönlich­e Verbindung­en aufgebaut haben. „Mancher fühlt sich regelrecht vor den Kopf gestoßen, wenn es in solchen Fällen zu Abschiebun­gen kommt“, sagt er. Es gibt nicht wenige Kollegen, die Seehofer ein gutes Gespür für Stimmungen in der Bevölkerun­g attestiere­n.

Im „Bayernplan“werden weitere strittige Themen stehen. Die CSU beharrt auf bundesweit­en Volksabsti­mmungen. Die Kanzlerin und weite Teile der CDU sind von dieser Idee nicht begeistert. Ganz ähnlich sieht es bei der Ausweitung der Mütterrent­e aus. Seehofer ist zutiefst davon überzeugt, um Altersarmu­t zu verhindern. Zehn Millionen Frauen würden davon profitiere­n, sagt er. Doch in der CDU – und heimlich auch in Teilen der CSU – scheut man die hohen Kosten, die durch all die Verspreche­n entstehen könnten. Also ab damit in den Bayernplan.

Doch anders als 2013 kommt dieses Mal die Bundestags­wahl vor der Landtagswa­hl in Bayern. Das ist auch der Grund, weshalb Seehofer einige CSU-Ideen für noch realisierb­ar hält. Die beste Zeit, eigene Vorschläge durchzuset­zen, sei die Zeit während der Koalitions­verhandlun­gen zwischen der Bundestags­wahl und der Kanzlerwah­l, sagt er.

Und noch an einem weiteren Projekt arbeitet Seehofer entschloss­en: Er will den Einzug der AfD in den Bundestag verhindern. Es liege allein an der Union: „Wenn wir klug sind, schaffen sie es nicht.“Diese „Klugheit“bedeute: „Klarer marktwirts­chaftliche­r Kurs, die kleinen Leute nicht vergessen und bei der Sicherheit das Menschenmö­gliche tun.“Seehofer fühlt sich dem alten Motto von Franz Josef Strauß verpflicht­et, nach dem es keine Partei rechts von der CSU geben darf. Oder, wie Leo, der CSU-Chatbot, sagt: „Mit den rechten Dumpfbacke­n von der AfD wollen wir nichts zu tun haben.“

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Fotos: Marcus Merk „Bayern geht es gut wie nie“: Horst Seehofer zeigt sich beim Besuch unserer Redak tion bestens gelaunt.

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