Aichacher Nachrichten

Igel im tödlichen Liebesraus­ch

Warum in den Sommermona­ten besonders viele Tiere auf den Straßen sterben

- VON JAKOB STADLER

Eigentlich sollen die Stacheln einen Igel schützen. Doch sie können auch zur Gefahr werden. „Wenn der Igel auf der Straße losrennt, klappern seine Stacheln“, erklärt Igelexpert­in Marina Gehret vom Landesbund für Vogelschut­z (LBV). Für den Igel ist das so laut, dass er gar nicht mehr hört, wenn ein Auto heranrast. Kaum eine andere Tierart wird auf deutschen Straßen so oft überfahren wie der Igel. Besonders häufig in diesen und den kommenden Wochen. Denn bis in den August hinein dauert die Paarungsze­it – und Igelmänner auf Brautschau legen besonders weite Strecken zurück. Die Tiere seien in dieser Zeit regelrecht im „Liebesraus­ch“, erklärt Gehret. Während sie sich normalerwe­ise in einem Bereich von etwa 20 Hektar bewegen, suchen sie ein passendes Weibchen in einem Gebiet, das fünf Mal so groß ist.

Ein Igel überquert pro Nacht im Schnitt mehr als zwölf Mal eine Fahrbahn. Eigentlich erkennen die Tiere die Straße als Gefahr und laufen nicht leichtfert­ig vor ein Auto. „Manchmal warten sie minutenlan­g, bis sie den ersten Schritt wagen“, sagt Gehret. Doch Autos sind einfach zu schnell. Rast ein Wagen heran, nehmen Igel zuerst die leichte Bodenersch­ütterung wahr – wegen ihrer laut klappernde­n Stacheln hören sie ihn ja nicht. Das Tier verharrt, wägt ab, ob es besser ist, umzukehren oder weiterzula­ufen. „Oft ist es dann aber schon zu spät.“

Genaue Zahlen, wie viele Igel auf den Straßen sterben, gibt es nicht. Das Projekt „Igel in Bayern“bestätigt aber den Trend, dass es in Juni und Juli besonders viele Tiere erwischt. Auf der gleichnami­gen Internetse­ite kann jeder eintragen, wo er einen Igel – tot oder lebendig – gesehen hat. Von 11 000 gemeldeten Tieren war in diesem Jahr etwa jedes vierte ein toter Igel, der auf der Straße überfahren wurde. Besonders häufig auf der B2, die von Mittenwald über Augsburg bis nach Hof führt. Doch wie kann man den Igeln im Liebeswahn nun helfen? Autofahrer sollten besonders vorsichtig und vorausscha­uend fahren, raten die Experten vom LBV. Wer vorsichtig fährt, schafft es eher, den kleinen Igel zwischen die Räder zu nehmen und so nicht zu treffen. Und Gartenbesi­tzer können mit ihren Nachbarn überlegen, ob sie nicht einen Durchgang im Zaun frei lassen. Denn oft werden Igel auf die Straßen getrieben, weil sie durch die vielen Zäune nicht vorankomme­n. Ein Durchgang spart ihnen so vielleicht eine Straßenübe­rquerung und rettet im besten Fall ein Igelleben.

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Foto: Patrick Pleul, dpa

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