Aichacher Nachrichten

Verloren am Horizont

Die Augsburger Künstler Wolf Noack und Claus Scheele an ungewohnte­m Ort

- VON GÜNTER OTT

Die Kunst hat das Zeug, einen immer wieder zu überrasche­n, zumal wenn sie sich an einem unvermutet­en Ort findet. „Kunst im Bundespate­ntgericht“nennt sich eine Ausstellun­gsreihe. Diese Folge hat mittlerwei­le das halbe Hundert überschrit­ten! Die 53. Schau in der Cincinnati­straße 64, leider sehr peripheris­ch am Südrand Münchens gelegen, bestreiten Wolf Noack und Claus Scheele. Die fast gleich alten Künstler, 1942 geboren der eine, 1943 der andere, sind feste Größen in der Augsburger Szene.

Noack, aus Wien stammend, ist seit 1999 freischaff­end. Im ersten Stock hängen vorwiegend AcrylArbei­ten auf Leinwand von 2009 bis 2016, in denen eine malerisch pulsierend­e Fläche (mit Kratzspure­n) bis an die Ränder der stattliche­n Formate drängt. Auffallend die gedämpfte, ein schmutzige­s Braun nicht scheuende, ja in nächtliche sinkende Palette. Das Große, Erhabene nimmt Anleihen bei romantisch­en Unendlichk­eitsvorste­llungen. Und wie es sich für eine nicht auf billige Stimmung reduzierte Romantik gehört, spielt das Abgründige, nicht Fassbare mit.

Was viele sich unentwegt ausmalen, etwa einen Sonnenunte­rgang, wird bei Noack zum eher beiläufige­n Motiv, das seine feinen Lichttöne in die Tiefe sendet. Wie der Maler das Große und das Kleine zusammenbr­ingt, wirkt fast schon kokett. Der winzige „Adler am Horizont“will erst entdeckt sein, der weiße Reiher blinkt wie ein Fremdzitat aus dem Grün-Dschungel. Noacks in kräftigen Farbwogen fließender Zyklus zu den Symphonien Gustav Mahlers (2007) ist im zweiten Stock platziert – neben Farbstudie­n, in die das Rot einschießt und die doch hinter einem subtilen Öl-Pastell wie „Schwere See“zurücksteh­en. Man sieht im Übrigen Noacks Wertschätz­ung für Cy Twombly.

Wiederholu­ng ist eine geliebte Gattin, deren man nie müde wird.“Das Zitat Sören Lirkegaard­s fällt einem beim Betrachten der Skulpturen Claus Scheeles ein. Wobei Wiederholu­ng zumal in den PleDüstern­is xiglas-Arbeiten der 1970er Jahre immer auch Wandel, Drehung, Auffächeru­ng, Spiegelung meint. Die sich fortzeugen­de, den Blick von einem (Bau-)Element zum anderen führende Form sucht die ar„Die chitektoni­sche Nähe, wie sie sich gleichzeit­ig selbst genügt (u. a. in den Blau-Schattieru­ngen).

Manche Arbeit mutet etwas gedrechsel­t an („Sphäroid“), anderes überlappt sich mit Design. In den nach 2000 entstanden­en Objekten bevorzugt Scheele den Federstahl, teils mit Aluminium und (vernickelt­em) Messing. Vier Arbeiten heißen „Altersaggr­essiv“, aber diese Art von „Angriff“lässt man sich gern gefallen, da sie in der nach oben wie nach unten gerichtete­n Form stets ihr filigranes Aussehen wahren. Das hat bei allem Ineinander von Bündelung und Streuung einen schönen Zug ins „Vegetative“und „Kreiselnde“, um zwei Titel anzuführen.

In Skulpturen von 1995 bis 1999 setzt der Künstler den aus der Antike geläufigen Wagenlenke­r auf den Sockel: Es kostet sichtlich Kraft, die „Fäden“in der Hand zu halten. (go)

Laufzeit bis zum 28. Juli; geöffnet Montag bis Freitag von 8 bis 19 Uhr.

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Foto: Peter Bulach Maler Wolf Noack und Bildhauer Claus Scheele stellen gemeinsam im Bundespate­nt gericht München aus.

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