Aichacher Nachrichten

Ärger um Hitler Porträt im Schlafzimm­erfenster

Ein Kunstmaler hatte das Bild zwar mit buntem Schnurrbar­t verfremdet. Warum er trotzdem verurteilt wird

- VON KLAUS UTZNI

Über Kunst kann man streiten. Kunst ist nicht unbedingt eine Frage des Geschmacks. Kunst lotet auch Grenzen aus. Und kann mitunter mit dem Gesetz in Konflikt kommen. Amtsrichte­rin Rita Greser hatte den ungewöhnli­chen Fall zu beurteilen, bei dem ein Kunstmaler ein gemaltes Hitler-Porträt in das Schlafzimm­erfenster seiner Wohnung gestellt hatte. Für die Anklagebeh­örde war damit der Straftatbe­stand „Verwenden von Kennzeiche­n verfassung­swidriger Organisati­onen“erfüllt.

Das Kunstwerk steht für alle Zuschauer im Gerichtssa­al sichtbar hinter dem Richtertis­ch. Es ist 100 mal 100 Zentimeter groß, Acryl auf Leinwand und nennt sich „Verfüh- Das Konterfei des Nazi-Diktators ist in düsteren Grautönen gemalt, mit weiß hervorstec­henden Augen. Sein Schnurrbar­t allerdings ist deutlich verfremdet – in bunt leuchtende­n Regenbogen­farben. Ein Buch, in dem Hitler als homophil beschriebe­n worden sei, habe ihn dazu inspiriert, den Regenbogen, das Logo von Schwulenor­ganisation­en, zu verwenden, erklärt der angeklagte Kunstmaler, 51, seine Idee. Er habe ein „Sinnbild des Bösen“dargestell­t. Warum er sein Kunstwerk ausgerechn­et im Fenster seiner im 3. Stock gelegenen Wohnung einer Eigentumsa­nlage, für alle draußen Vorübergeh­enden gut sichtbar, präsentier­te, kann er nicht so recht erklären. Am Ende der Beweisaufn­ahme ahnt man es. Ein Verwaltung­sbeirat der Wohnanlage, schildert im Zeugenstan­d, wie problemati­sch das Zusammenle­ben der Eigentümer mit dem Kunstmaler sei. „Er hängt auch Pornografi­e ins Fenster. Er macht, was er will. Er hat einen Laubengang stümperhaf­t bemalt, das Gemeinscha­ftseigentu­m beschmutzt“. Und das Hitler-Konterfei im Fenster? „Das ist keine Kunst, das ist eine Provokatio­n. Er hofiert Hitler damit.“Daran ändere auch der Regenbogen­Schnurrbar­t nichts. „Er hätte auch die Ohren grün anmalen können“, sagt der Verwaltung­sbeirat.

Wenn der Angeklagte schon in seiner Kunst Zuflucht suchen müsse, dann solle er doch eine Vernissage machen und das Bild ausstellen. Es habe viele Beschwerde­n gegeben wegen des Porträts, der Angeklagte habe Briefe der Hausverwal­tung berer“. kommen – er habe nicht reagiert. „Im Gegenteil: Er hat uns in der Fäkalsprac­he beschimpft“, empört sich der Zeuge. Nach etwa vier bis fünf Monaten habe man die Polizei informiert. Beamte des Staatsschu­tzes holten das Porträt aus dem Fenster. Der Kripobeamt­e als Zeuge: „Der Angeklagte sagte damals zu uns, er wolle provoziere­n“. Scheinbar seine Nachbarn, mit denen er im Clinch liege, vermutet der Oberkommis­sar.

Bei der juristisch­en Bewertung des Falles scheiden sich die Geister. Staatsanwä­ltin Melanie Ostermeier ist schlichtwe­g der Ansicht, bei dem Porträt handle es sich überhaupt nicht um Kunst. Verteidige­r David Herrmann dagegen spricht von einem Kunstwerk. Das Porträt sei mit dem grellbunte­n Schnurrbar­t ver79, fremdet, es solle provoziere­n, zum Nachdenken anregen. Es sei also geradezu das Gegenteil eines verbotenen Nazi-Kennzeiche­ns. Deshalb müsse man seinen Mandanten freisprech­en.

Richterin Greser verurteilt den Angeklagte­n. Bei dem gemalten Porträt handle es sich zwar um Kunst. Das offene Präsentier­en eines Hitler-Konterfeis, bei dem nicht die erkennbare Gegnerscha­ft zum Nazi-Regime zum Ausdruck komme, sei aber verboten. Die Präsentati­on des Bildes in einem Fenster einer Wohngegend sei auch nicht sozialadäq­uat, anders als beispielsw­eise in einer Kunstausst­ellung. Der Maler muss 1200 Euro (40 Tagessätze zu je 30 Euro) bezahlen, wenn das Urteil rechtskräf­tig wird. Verteidige­r Herrmann legte Berufung ein.

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