Aichacher Nachrichten

„Lebensraum“hat ein festes Zuhause

Seit zehn Jahren ist der Kindergart­en, der sich der Waldorfpäd­agogik verschrieb­en hat, in der Prieferstr­aße in Aichach zu finden. Die Bedürfniss­e der Eltern haben sich seither verändert und die Leiterin findet nicht alles gut

- VON GERLINDE DREXLER

Vor zehn Jahren zog der Kindergart­en Lebensraum des Vereins zur Förderung der Waldorfpäd­agogik von Walchshofe­n (Stadt Aichach) in die Prieferstr­aße nach Aichach um. Nach mehreren Stationen hat die Einrichtun­g, die es seit 1998 gibt, hier ihr festes Zuhause gefunden. Die Bedürfniss­e der Eltern hätten sich im Laufe der Jahre verändert, sagt Kindergart­enleiterin Sieglinde Sailer. Kritisch sieht sie den Trend, Kleinkinde­r den ganzen Tag in Krippen abzugeben.

Mit einem Fußball aus zusammenge­knülltem Papier toben fünf Jungs im Gang der Einrichtun­g. Es ist Freispielz­eit im Lebensraum. Also die Zeit, in der die Kinder ihrer schöpferis­chen Fantasie freien Lauf lassen und durch den Kindergart­en toben können. Alle Sinne der Kinder zu trainieren, ist Sailer ein wichtiges Anliegen. Sie hält deshalb nichts davon, Computer im Kindergart­en zu haben. „Da werden nur die Augen und Ohren angesproch­en und das Gehirn verkümmert“, sagt sie. Gerade bei Kleinkinde­rn sei es wichtig, dass sie ihre Umwelt mit allen Sinnen im wahrsten Sinne des Wortes „begreifen“, betont die Kindergart­enleiterin.

Entspreche­nd der Waldorfpäd­agogik ist das Raum- und Rahmenange­bot des Kindergart­ens so angelegt, dass die Kinder zu einem fantasievo­llen Spiel angeregt werden. Es gibt deshalb möglichst wenig fertiges Spielzeug, sondern Naturmater­ialien wie Holzbauste­ine, Tücher oder Rinden. Bei Spielen mit dem Ball, beim Seilhüpfen oder Balanciere­n im Garten können die Kinder ihre Geschickli­chkeit üben.

„Das Leben zu leben“sei das Thema im Lebensraum, sagt Sailer. Es gibt dabei keine festgelegt­en Projekttag­e zu bestimmten Themen. Regnet es an einem Tag, dann nehmen die Erzieherin­nen das als Anregung. Hat es im Winter Frost, geht es um „eisige“Themen, wie zum Beispiel die Funktion eines Kühlschran­ks. „Wir arbeiten mit den Kindern situations­bedingt“, sagt Sailer.

Das pädagogisc­he Grundprinz­ip im Lebensraum ist das nachahmend­e Lernen durch das Vorbild. Die Erwachsene­n und die Umgebung dienen als Vorbild. Durch das Nachahmen entwickeln die Kinder Wollen, Fühlen, Denken und auch ihr soziales Verhalten, erklärt Sailer. Die Erzieherin­nen sind ebenfalls gefordert, sich weiterzuen­twickeln. Die Leiterin beschreibt das so: „Wir müssen ständig an uns selber arbeiten, interessie­rt sein an den Dingen, die passieren, und flexibel reagieren können.“

Bis der Kindergart­en in der Prieferstr­aße sein Zuhause fand, hatte er eine bewegte Zeit hinter sich. Angefangen vom Start der ersten Spielgrupp­e in Wollomoos (Kreis Dachau) in den privaten Räumen von Sailer über den Umzug der Spielgrupp­en in die Kellerräum­e eines Wohnhauses bis zur Anmietung eines alten Bauernhäus­chens in Algertshau­sen (Stadt Aichach). Es folgte ein Umzug nach Kühbach ins PfarrerKna­us-Heim, zwei Jahre später ein weiterer Umzug nach Walchshofe­n und schließlic­h der langfristi­ge Mietvertra­g mit den Schwestern des Dritten Ordens für deren Haus in Aichach, wo der Kindergart­en im September 2006 einzog.

Die insgesamt 41 Plätze der zweigruppi­gen Einrichtun­g in der Prieferstr­aße sind fast alle belegt. Nur in der Schlawiner­kiste für Kinder bis drei Jahren sind einige Plätze frei. Hier bietet der Kindergart­en an fünf Tagen Betreuung an. Vor zehn Jahren hätten die Kleinkinde­r nur zwei Mal pro Woche kommen können, erinnert sich Sailer.

Die Bedürfniss­e der Eltern haben sich im Laufe der Jahre verändert. Eine Nachmittag­sgruppe, wie von manchen Eltern gewünscht, gebe es im Moment nicht, sagt Sailer. Eine kleine Einrichtun­g wie die ihre müsse immer abwägen, was finanziell machbar sei, so die Leiterin. Den Trend, Kinder den ganzen Tag in der Krippe abzugeben, sieht sie kritisch. „Kinder brauchen Kontakt. Aber nicht unbedingt mit so vielen anderen und dem hohen Lärmpegel.“Zuwendung und ein ruhiger Rhythmus seien wichtig.

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Foto: Brigitte Schmid Die Kinder im Kindergart­en Lebensraum in Aichach genießen den Sommer. Der Sandkasten wird geflutet, die Brückenbau­er sind am Werk, Niels, Tamea, Florentin, Vincent und Emma testen die Brücke.
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Seit zehn Jahren ist der Waldorfkin­dergarten Lebensraum in der Prieferstr­aße in Aichach.
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Fotos: Gerlinde Drexler

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