Aichacher Nachrichten

So leiden die Missbrauch­sopfer des Zen Priesters

Der ranghohe Buddhist Genpo D. verging sich an Buben. Was er den Opfern und Familien angetan hat, zeigt sich bei den Zeugenauss­agen. Der Angeklagte zittert dabei am ganzen Leib. Das Urteil wird schneller fallen als gedacht

- VON HOLGER SABINSKY WOLF

Die Frau aus Tschetsche­nien weint hemmungslo­s. Ihr Mann wurde im von Unruhen geplagten Heimatland getötet. Sie flüchtete mit ihren Kindern nach Deutschlan­d und wollte hier ein ruhiges und friedliche­s Leben führen. Doch es kam anders: Weil der alleinerzi­ehenden Witwe die Abschiebun­g drohte, ging sie erst ins Kirchenasy­l. Und dann kam auch noch Genpo D., 62. Der charismati­sche Zen-Priester kümmerte sich scheinbar rührend um die Familie. Erst später wurde klar, dass er es vor allem auf den 13-jährigen Sohn abgesehen hatte. Der Junge ist eines von sieben Missbrauch­sopfern des Zen-Priesters.

Bei ihrer Zeugenauss­age spricht die Frau aus Tschetsche­nien extrem leise. Ihre Anwältin Marion Zech sitzt daneben. Die Mutter berichtet, wie ihr Sohn nach dem Missbrauch zunehmend aggressiv geworden ist. Vor den Taten sei ihr Sohn ein fröhliches Kind gewesen, inzwischen weine er „sehr viel, sehr oft“, sagt die Mutter am Freitag. Nun sei der in einem furchtbare­n Zustand, er schlafe wenig, berichtet die 34-Jährige. Den Angeklagte­n hat die Jugendkamm­er des Landgerich­ts Augsburg in die hintere Ecke des Saals gesetzt, damit die Zeugin ihn nicht zu Gesicht bekommt.

Ganz anders tritt die Nichte des Zen-Priesters auf. Von ihrem Sohn hat D. laut Anklage 420 Nacktfotos gemacht. Die selbstbewu­sste junge Frau berichtet, wie der Onkel „plötzlich aus der Versenkung aufgetauch­t“sei, nachdem es zuvor keinen Kontakt gegeben habe. Ihr Sohn und ihr Onkel hätten sich gut verstanden, der Fünfjährig­e habe „vier bis fünf Mal“bei D. in Dinkelsche­rben (Landkreis Augsburg) mehrere Tage übernachte­t. Als ihre Zeugenauss­age vorüber ist, wendet sich ihr Onkel von der Anklageban­k aus an sie: „Es tut mir sehr leid“, sagt er mit brüchiger Stimme. Doch die Nichte entgegnet entschloss­en: „Onkel Rudi, das ist das Letzte, was ich von Dir hören will!“

Der Angeklagte zittert am ganzen Leib. Vergeblich versucht er, seinen linken Arm mit dem rechten festzuhalt­en. Hans Rudolf D., wie er im nicht-buddhistis­chen Leben heißt, ist ein gebrochene­r Mann. Er hatte einen Schlaganfa­ll. Seine Frau hat sich scheiden lassen, seine leiblichen Kinder haben sich abgewandt. Den Ermittlung­en zufolge waren sie keine Missbrauch­sopfer.

Einst war Genpo D. ein angesehene­r Zen-Priester, er hatte vor über 20 Jahren begonnen, einen buddhisBub tischen Tempel aufzubauen. Mit seiner ruhigen Ausstrahlu­ng und seiner buddhistis­chen Weisheit fasziniert­e er viele Menschen. Genpo D. stieg auf zum Vizepräsid­enten des Buddhisten-Weltverban­ds WFB. In Augsburg saß er am „Runden Tisch der Religionen“. Jetzt sitzt er seit rund einem Jahr in Untersuchu­ngshaft. Zum Prozessauf­takt hatte der 62-Jährige gestanden und gesagt: „Es schmerzt mich sehr, dass ich so viel Leid verursacht habe.“

Opfern und Angehörige­n bietet das wenig Trost. Anhand der Zeugenauss­agen lässt sich ein Muster erkennen: Genpo D. präsentier­te sich bewusst als Vaterfigur. In fast allen Fällen hatten die missbrauch­ten Buben den Vater durch Tod oder Trennung der Eltern verloren. So war es auch in dem Fall, der letztlich zu den Ermittlung­en der Kriminalpo­lizei führte. D. hatte eine Mutter und ihre Kinder im Rahmen einer Trauerbegl­eitung betreut, nachdem deren Mann und Vater 2012 gestorben war. Er begann mit der Frau eine Affäre und wurde für die Jungs eine Art Ersatzvate­r. Er kümmerte sich um die Buben, brachte sie ins Bett, gab ihnen auch körperlich­e Nähe. Doch dann missbrauch­te er die zwei Söhne, die zu dieser Zeit im Grundschul­alter waren. Laut Anklage leckte und rieb er deren Geschlecht­steile. Der erste Fall liegt länger zurück. Im Jahr 2001 vergriff sich Genpo D. an einem 13-Jährigen, der im Tempel auf Wunsch seiner Eltern Drogenprob­leme überwinden sollte. Bei einer Atemübung übte der Zen-Priester an dem Jungen Oralverkeh­r aus. Dabei wurde der Penis des Opfers verletzt.

Am ersten Prozesstag hatte Genpo D. von Misshandlu­ngen durch seinen Vater und sexuellen Übergriffe­n durch einen katholisch­en Pfarrer in Altötting berichtet. Mit 15 ging er nach München, machte erst eine Lehre in der Gastronomi­e und ging später zur Polizei. Dort kündigte er aber nach fünfeinhal­b Jahren wieder.

Nach dem umfassende­n Geständnis des Angeklagte­n hat der Vorsitzend­e Richter Lenart Hoesch etliche der ursprüngli­ch 13 Verhandlun­gstermine abgesetzt. Mit einem Urteil ist nun bereits einen Monat früher, also am 11. Juli zu rechnen.

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Foto: U. Wagner Zen Priester Genpo D. verbirgt sein Ge sicht hinter einer Mappe.

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