Aichacher Nachrichten

Ab wann Hitze tödlich wird

Forscher wollen wissen, welche Wetterlage­n gefährlich sind. Ihre Prognosen sind düster

- Anja Garms, dpa

Todesursac­he: extreme Hitze. So steht das zwar in keinem Totenschei­n. Aber unter Medizinern gilt es allgemein anerkannt, dass extreme Hitze vor allem für alte und geschwächt­e Menschen lebensgefä­hrlich sein kann. 2003 gab es etwa in Europa eine Hitzewelle, bei der in Frankreich und Deutschlan­d mehrere tausend Menschen starben. In Moskau fielen 2010 mehr als 10 000 Menschen der Hitze zum Opfer. In Chicago gab es 1995 rund 740 Tote. Auch New York, London, Tokio oder Toronto litten unter vergleichb­aren Extremwett­erlagen.

Ein Forscher-Team um Camilo Mora von der University of Hawaii at Manoa in Honolulu hat nun untersucht, unter welchen Wetterbedi­ngungen die Gefahr für Menschen besonders groß ist. Dazu haben die Wissenscha­ftler Studien ausgewerte­t, die zwischen 1980 und 2014 über hitzebedin­gte Todesfälle publiziert wurden. Die wichtigste­n Erkenntnis­se der Untersuchu­ng lauten: Extreme Hitzewelle­n werden in den kommenden Jahrzehnte­n immer mehr Menschen zu schaffen machen. Schon heute sind etwa 30 Prozent der Weltbevölk­erung an mindestens 20 Tagen im Jahr einer Temperatur und Luftfeucht­igkeit ausgesetzt, die die Thermoregu­lation des Körpers erheblich beeinträch­tigen und potenziell tödlich sind. Angesichts des Klimawande­ls werde dieser Anteil bis 2100 selbst bei drastische­r Reduktion des Kohlendiox­id-Ausstoßes auf 48 Prozent steigen.

Die Forscher analysiert­en dann die genauen klimatisch­en Bedingunge­n, die während solcher Phasen geherrscht hatten, etwa Temperatur, Feuchtigke­it, Windgeschw­indigkeit und Strahlungs­index. Die Werte verglichen sie mit denen in „normalen“Zeiten. Auf diese Weise identifizi­erten sie eine Schwelle, ab der ein Hitzeextre­m tödlich werden kann. Entscheide­nd dafür seien vor allem Temperatur und relative Luftfeucht­igkeit, erläutern die Forscher.

Unser Körper braucht eine relativ konstante Temperatur, damit die biologisch­en und chemischen Prozesse in seinem Inneren optimal ablaufen. Wenn die Außentempe­ratur die Körpertemp­eratur von etwa 37 Grad Celsius übersteigt, kann die Wärme nicht mehr abgegeben werden, der Körper erhitzt sich stark. Hinzu kommt, dass bei hoher Luftfeucht­igkeit der Hauptkühlm­echanismus des Körpers nicht mehr funktionie­rt, das Schwitzen. Daher sind dann schon geringere Temperatur­en potenziell tödlich.

Krankheits­bilder, die von Hitze ausgelöst werden, sind etwa der Hitzekolla­ps und der lebensgefä­hrliche Hitzschlag. Wer zu lange großer Hitze ausgesetzt ist, kann erste Anzeichen für einen Hitzekolla­ps entwickeln: eine Körpertemp­eratur von mehr als 39 Grad, ein trockener Mund, Kopfschmer­zen, Erbrechen und Verwirrthe­it. Betroffene sollten unverzügli­ch an einen kühlen Ort gebracht werden und viel trinken. Sich hinzulegen und die Beine hoch lagern hilft ebenfalls.

Bleibt man trotz dieser Warnzeiche­n des Körpers in der Hitze, fällt bald die Wärmeregul­ierung des Körpers aus. Die Körpertemp­eratur steigt extrem an und Zellen werden irreparabe­l geschädigt. Es kommt zu einer Anschwellu­ng des Hirns – akute Lebensgefa­hr. In diesem Stadium muss sofort der Notarzt gerufen und der Betroffene ins Krankenhau­s gebracht werden.

Die Forscher haben nun einen Indikator entwickelt, der erlaubt, verheerend­e Hitzewelle­n überall auf der Welt zu klassifizi­eren. „Diese Schwelle erlaubt es uns, Bedingunge­n zu identifizi­eren, die schädlich für Menschen sind. Weil er auf dokumentie­rten Fällen realer Menschen rund um den Globus basiert, ist er besonders verlässlic­h und relevant“, erläutert Co-Autorin Farrah Powell. Die Aussichten für die Zukunft seien düster. „In Bezug auf Hitzewelle­n haben wir die Wahl zwischen schlecht und schrecklic­h“, so Studienlei­ter Mora. Viele Menschen zahlten schon den ultimative­n Preis der Hitzewelle­n, aber es werde noch schlimmer, sollten die Emissionen jetzt nicht beträchtli­ch reduziert werden.

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Foto: Andre Kolm/ dpa Bei extremer Hitze kann der Körper nur schlecht Wär me abgeben und droht zu überhit zen, es drohen ein Hitzekolla­ps oder gar ein lebensge fährlicher Hitz schlag.

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