Aichacher Nachrichten

Staatstroj­aner

- VON WOLFGANG SCHÜTZ wolfgang.schuetz@augsburger allgemeine.de

Begriffe verpacken ja oft mehr als einfach einen Inhalt. Sie werten unweigerli­ch. Typisches Problem: Sprechen Nachrichte­n nun von Freiheitsk­ämpfern, Rebellen, Putschiste­n…? Alles tönt in einer anderen Schattieru­ng zwischen Gut und Böse. Wie schwarz oder weiß ist da nun das Wort, das ganz offiziell den digitalen Lauschangr­iff der deutschen Behörden bezeichnet? Staatstroj­aner. Klingt da Heldentum oder Heimtücke mit?

Der Begriff des Trojaners ist in der Computerwe­lt längst etabliert und spielt auf die klassische Geschichte an. Homers „Ilias“, Trojanisch­er Krieg, Griechen überlisten Trojaner letztlich entscheide­nd, indem sie ihnen ein riesiges Holzpferd schenken und in diesem versteckt die Verteidigu­ngswälle überwinden, nächtliche­r Überfall, Sieg. Wie das Holzpferd soll eben auch der Trojaner funktionie­ren, digitaler Zugriff. Bloß, dass er demnach eher Danaer heißen müsste. Denn so heißen bei Homer die Griechen – und deren Geschenk und Trick war es schließlic­h. Aber Staatsdana­er? Würde halt kaum einer verstehen.

Genauer betrachtet liefert der Begriff Trojaner noch zweierlei. Schuld am Krieg nämlich waren: die Trojaner. Deren Prinz Paris hatte dem Griechenkö­nig Menelaos die Frau geklaut, Helena. Und verloren haben: die Trojaner. Was also sagt uns der Staatstroj­aner, weil er eben nicht Staatsdana­ergeschenk heißt? Dass der Staat hier gar nicht der für Gerechtigk­eit sorgende Rächer ist – sondern der, der den Betrug begeht und an den Folgen stark zu leiden haben wird? Eine Dame namens Kassandra jedenfalls hatte es den Trojanern ja damals schon vorausgesa­gt und wurde von ihren Mitbürgern dafür geschmäht. Heute gibt es viele solcher Stimmen, Kassandrar­ufe angesichts des Staatstroj­aners. Ideologisc­he oder verblendet­e Verleumder? Wie viel schwarz, wie viel weiß verpacken die Begriffe?

Newspapers in German

Newspapers from Germany