Wie konnte das passieren?
G20 Vom Gipfel bleiben verstörende Bilder und die Frage, warum linke Extremisten stundenlang nicht gestoppt wurden. Auch politisch gab es am Ende noch Ärger
Am Ende muss Olaf Scholz zugeben, dass er komplett danebengelegen hatte. „Wir richten ja auch jährlich den Hafengeburtstag aus. Es wird Leute geben, die sich am 9. Juli wundern werden, dass der Gipfel schon vorbei ist“, hatte Hamburgs Erster Bürgermeister vor dem G20-Treffen gesagt, um die Sorgen der Anwohner vor Ausschreitungen zu zerstreuen. Als er dann gestern, an jenem 9. Juli, vor die Kameras tritt, zieht der SPDPolitiker eine Bilanz des Schreckens. „Das ist nicht so gelungen, wie wir uns das vorgestellt haben.“Die Stadt steht unter Schock.
Tagelang war ein linksradikaler Mob durch Hamburg gezogen. Trotz eines riesigen Aufgebots verlor die Polizei immer wieder die Kontrolle über die Situation. Zurück bleiben verwüstete Straßenzüge und Szenen, die an einen Bürgerkrieg erinnern. Und es bleibt die Frage, ob die Verantwortlichen die Gefahr unterschätzt hatten.
Auch Frank-Walter Steinmeier ist der Schock gestern noch anzusehen. „Was ich an Bildern gesehen habe, schockiert, erschüttert mich, macht mich fassungslos“, sagt der Bundespräsident. Ein solches Ausmaß an Gewalt bei Demonstrationen habe man in den letzten Jahren in Deutschland nicht erlebt. Gemeinsam mit Scholz besucht er schwer verletzte Polizisten im Krankenhaus, spricht mit Anwohnern, deren Häuser, Autos oder Läden zerstört wurden. Der Bürgermeister dankt, wie zuvor die Kanzlerin, der Polizei, die „alles richtig gemacht“habe, für ihren „heldenhaften Einsatz“.
Auf Anfrage unserer Zeitung sagte ein Sprecher des bayerischen Innenministeriums, dass auch 1500 Polizisten aus Bayern in Hamburg im Einsatz waren. 78 von ihnen wurden – Stand Sonntag morgen – bei den Straßenschlachten verletzt, drei davon so schwer, dass sie dienstunfähig sind. Viele fragen sich nach den Exzessen, warum dieser Gipfel überhaupt hier bei ihnen hatte stattfinden müssen. Nicht nur der politische Gegner im Hamburger Rathaus fordert nun sogar den Rücktritt des eigentlich populären Scholz. Fakt ist: Angela Merkel hatte sich ihre Geburtsstadt Hamburg als Austragungsort gewünscht.
Dass die Randalier teilweise stundenlang nicht von der Polizei gestoppt werden konnten, hat viele Bürger schockiert. Trotzdem stellt Bundesinnenminister Thomas de Maizière klar: Bei einem solchen „Ausmaß an völlig enthemmter Gewalt“könne „trotz aller Konsequenz und auch bei bester Vorbereitung nicht jede Ausschreitung sofort unterbunden werden“.
Doch die G20-Bilanz fällt noch aus einem zweiten Grund ernüchternd aus: Denn auch politisch wurde unter dem Strich nur ein Minimum erreicht. In Sachen Klimaschutz brüskierte Donald Trump seine Kollegen. Und auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan fühlt sich nach dem Gipfel plötzlich nicht mehr daran gebunden, was die mächtigsten Politiker der Welt abgesprochen hatten.
»Kommentar
Wie Donald Trump in der Klimafrage unverhofft doch noch einen Mitstreiter fand »Leitartikel Rudi Wais über einen Staat, der seine Bürger offenbar nicht mehr schützen kann »Porträt Der Mann, der den Einsatz der Polizei leitete: Hartmut Dudde »Die Dritte Seite Bernhard Junginger über die Chaostage »Politik Was der Gipfel politisch gebracht hat und wie Hamburgs Bürgermeister Scholz in Not kam