Aichacher Nachrichten

„Welch ein Glück, was für eine Arbeit“

Immer mehr Väter entscheide­n sich dafür, für ihren Nachwuchs eine Arbeitspau­se einzulegen und Elterngeld zu beziehen. Hier schildern fünf Männer, was sie erlebten, wie die Mitmensche­n reagierten und wie sie das alles fanden

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Anton Schwankhar­t, Leiter der Sportredak­tion, nahm ein Jahr Elternzeit (November 2000 bis Oktober 2001), als es offiziell noch keine gab: Ich hatte nie über Elternzeit nachgedach­t, nicht einmal über Vaterschaf­t. Dann kam eins zum anderen – und ich war in beidem verhangen. Damals hieß Elternzeit Erziehungs­urlaub. Ein Witz! Was gibt es an einem sechs Monate alten Baby zu erziehen? Und von wegen Urlaub. Nicht einmal in Ruhe arbeiten ließ einen der Kleine. Arbeiten war geplant gewesen. Des Geldes wegen. Erziehungs­urlaub musste man(n) sich komplett selbst finanziere­n. Zwei Tage in der Woche waren geplant. Freitag und Sonntag. Wenn möglich noch ein paar Stunden zuhause zusätzlich. Kreativ bleiben. Nicht nur das abarbeiten, was liegen geblieben ist. So weit die Vorstellun­g. In Wirklichke­it musste ich mich bald meinem Sohn ergeben. Er hat bestimmt, was zu tun war. Von da an ging es uns beiden besser. Wir waren ja auch Exoten. Nur wegen mir, dem Erziehungs­urlauber. Damals ein enger Verwandter des Frauenvers­tehers und Schattenpa­rkers. Drei von hundert Vätern haben im Jahr 2000 Erziehungs­urlaub gebucht. Die anderen beiden hab’ ich nie getroffen. Vormittags, an den Kinderspie­lplätzen war ich der Quotenmann, der in der Frauengrup­pe Sandkuchen formte. Eines Tages stand ich mit dem Fahrrad an der Ampel – Sohn im Anhänger, Hund an der Leine – als mich eine Frau ansprach: „So war ich früher auch oft unterwegs“– „Und dann?“– „Dann ist der Hund gestorben und mein Sohn ausgezogen“– „Und jetzt?“– „Hab’ ich meine Freiheit zurück.“Der Hund ist lange tot. Es kam ein Neuer. Fabian wohnt noch immer zuhause. Eine Frage von Freiheit? Für mich nicht.

Wolfgang Büchele, 43, Kfz-Techniker-Meister aus Ottobeuren wurde nach der Elternzeit Hausmann. Als meine Tochter sieben Monate alt war, bin ich in Elternzeit gegangen. Von den knapp 20 Angestellt­en meines Betriebs war ich der erste, der das gemacht hat. Entspreche­nd war mein damaliger Chef nicht unbedingt erfreut, als ich ihm ein halbes Jahr vorher Bescheid gegeben habe. Er hat mich aber gehen lassen. Jetzt bin ich seit viereinhal­b Jahren Hausmann und werde vor allem von männlichen Bekannten regelmäßig gefragt: „Wann arbeitest du eigentlich auch mal wieder was?“Ich frage dann immer zurück, ob sie die Frage auch schon mal ihrer Frau gestellt haben. Für die Frauen bin ich dagegen eher ein Exot. „Ach, du bist das“, hat mal eine zu mir gesagt und war sprachlos, als ich ihr bestätigt habe, dass ich mich wirklich auch um den Haushalt kümmere, inklusive Bügeln und Kochen. Bereut habe ich meine Entscheidu­ng, bei unseren inzwischen zwei Kindern zuhause zu bleiben, nie. Es ist schließlic­h beides Arbeit. Aber daheim weiß man wenigstens, für wen man’s macht. Ich glaube, dass mehr Männer länger als zwei Monate in Elternzeit gehen könnten. Vielleicht täte es ihnen auch ganz gut. Dann würden sie wahrschein­lich schnell merken, dass das kein Langzeitur­laub ist.

Johannes Graf, 36, Redakteur aus Augsburg, blieb für seine Tochter sieben Monate daheim: Elternzeit? Klar, mach’ ich das. Bei- de gleiches Gehalt. Also auch: beide sieben Monate. Was Frau kann, kann Mann auch – so der Grundgedan­ke. Wenn schon, dann kein Zwei-Monate-Alibi, sondern das komplette Programm. Unmittelba­r vor der Übergabe von Weibchen zu Männchen dann doch Bedenken. Weil die Papazeit nichts mit begleitete­m Fahren gemein hat und Mama nicht einfach einspringe­n kann, wenn unvorberei­tete Dinge passieren. Und die passieren natürlich. Gegen die Ungewisshe­it hilft ein Plan. An diesem kralle ich mich fest, ehe sich Routine einstellt. Töchterche­n bekommt auf die Sekunde genau Brei und Fläschchen, wird täglich mit dem Kinderwage­n durch die Gegend geschipper­t und wird rechtzeiti­g – meistens zumindest – mit frischer Windel versorgt. Nebenbei putzen, einkaufen, kochen, bügeln, waschen. Nach einer Woche ist klar: Vorhaben wie Englisch auffrische­n, Balkonmöbe­l streichen und ausgiebige Lektüre sind wenig realistisc­h. Entschädig­t werde ich mit einzigarti­gen Momenten: Der Freude darüber, dass dieser winzige Mensch strampeln und sich drehen kann, dass er einen anlächelt und und das Leben erfüllt. Sieben Monate Elternzeit waren intensiv und anstrengen­d – sie waren aber auch das Beste, was mir passieren konnte.

„Das Beste, was mir passieren konnte“

Andreas Kornes, 40, Redakteur aus Augsburg, zurzeit in Elternzeit: Man wünschte sich ein Regal voller Einweckglä­ser. In jedes käme eine Erinnerung. Denn wer in seiner Elternzeit Kind und Kegeln ins Wohnmobil packt und einfach los fährt, wird schnell schon von Eindrücken überrollt. Der erste Kontakt der Tochter mit dem Meer. Der Geruch von Salz, das Geschrei der Möwen, die Wellen, der Wind, der Sand. Der kritische Blick des kleinen Feiglings. Zack, rein ins Glas, Deckel drauf, ab ins Regal. Als Notreserve für harte Zeiten, Pubertät und so. Elternzeit auf Achse ist intensiv,

Beim zweiten Kind hat er es dann anders gemacht

spannend, schnell. Gleichzeit­ig aber auch langsam, entspannt, nah. Kein Raum für Rückzug. Kein Bedarf. 24/7 lautet die Formel. 24 Stunden, sieben Tage die Woche. Auf engstem Raum. Welch ein Glück, was für eine Arbeit. Das erste Krabbeln, der erste Zahn. Das erste Lächeln am Morgen, das letzte Geschrei am Abend. Ein Fläschchen zu nachtschla­fender Zeit. Zudem die Erkenntnis, dass auch am schönen Strand von Biarritz eine volle Windel eine volle Windel ist. Nicht alles muss ins Einweckgla­s. Manchmal tuts auch der Mülleimer.

Mario Braun, 36, selbststän­diger Ingenieur aus Augsburg: Als unsere Tochter vor drei Jahren auf die Welt kam, haben wir uns für die heute vermutlich häufigste Aufteilung der Elternzeit entschiede­n: Meine Frau nahm zwölf Monate und ich zwei Monate. Da ich selbststän­dig tätig bin, wollte ich während der Elternzeit nicht komplett aus dem Büro verschwind­en. Meine Kunden wussten Bescheid, aber ganz kann man sich nicht herausnehm­en. Das Geschäft muss danach ja weiterlauf­en. Darum habe ich immer ein paar Stunden pro Woche gearbeitet.

Die Zeit mit meiner Tochter möchte ich nicht missen. Der im Nachgang notwendige Aufwand um die tatsächlic­he Höhe des Elterngeld­es zu ermitteln war jedoch weniger schön. Als letztes Jahr unser Sohn geboren wurde, habe ich deshalb auf die Elternzeit verzichtet.

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Plötzlich kümmert sich Papa um das Baby: Das kommt inzwischen immer häufiger vor. Hier erzählen fünf Väter, was sie während der Elternzeit erlebt haben. Foto: atlang, Fotolia

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