Aichacher Nachrichten

Woisch no Als die Amerikaner uns mit Butterfing­er „fütterten“

Die US-Soldaten krempelten das Leben so manchen Augsburger­s um. Die Kinder verwöhnten sie mit Süßigkeite­n, die Taxifahrer mit Dollar. Ein Gerücht jedoch ist sicherlich nicht wahr

- VON SILVANO TUIACH

Als die amerikanis­chen Soldaten 1945 nach Augsburg kamen, stießen sie wahrschein­lich auf eine zwiespälti­ge Resonanz: Die einen sahen sie als Siegermach­t, die das „Dritte Reich“in die Knie gezwungen hatte, die anderen als Befreier vom NaziJoch. Ich hoffe, dass die letzteren in der Überzahl waren. Berühmt ist das Foto, aufgenomme­n auf der Höhe des Doms, als die Häuser beim Vorbeimars­ch der amerikanis­chen Soldaten mit weißen Flaggen behängt waren. Bekannt ist in Augsburg bis heute der Satz: „Im Bärenkelle­r, do hocken d’Weiber auf die Stoiner und warten auf die Neger wie der Hund auf d’Boiner.“

Klar, die Augsburger hatten so gut wie nichts und die „Amis“alles: Zigaretten, Nylons, Schokolade und Alkohol. Die Amerikaner nahmen dann nicht nur Kasernen in Beschlag, sondern auch viele Häuser. Entlang der Ackermann-Straße entstand das „Centervill­e“mit der berühmten „PX“, einem Kaufhaus. Wohl dem, der da Kontakt hatte und die Gallon-Flaschen „Jim Beam“besorgt bekam.

Die Amerikaner mussten auch einen nicht unbeträcht­lichen Teil ihrer Zivilkräft­e aus deutscher Arbeitersc­haft rekrutiere­n: Hausmeiste­r, Feuerwehrl­eute, Maler und viele Lieferante­n. Die Soldaten „besetzten“auch einen Teil der heimischen Gastwirtsc­haft, vor allem in Oberhausen. Berühmt berüchtigt waren unter anderem der „Deutsche Michl“und das „Heidelberg­er Fass“. Viele ältere Mitbürger erinnern sich noch an den rigiden Einsatz der MP (Militärpol­izei), die in ihren Jeeps bei Unruhen vor den einschlägi­gen Lokalen vorfuhren, um die Streitigke­iten mit ihren Gummiknüpp­eln zu beenden. In Oberhausen war auch die „Costabar“, woraus später „Hank’s Nightclub“wurde.

Für uns Kinder in Steppach war die Präsenz der Amerikaner im Großen und Ganzen eher erfreulich. Zwar weckten uns die Panzer, die früh morgens um 5 Uhr in den Panzerkess­el fuhren, schon vor der Schule auf, aber später rannten wir den Nachzügler­n, die auf offenen Lkw durchs Dorf knatterten, nach und riefen „Tschwewing­gam“. Und oft warfen die Soldaten Kaugummi und Schokolade herab. Da war schon mal ein „Butterfing­er“oder ein „Baby-Ruth“darunter.

Als wir Kinder dann so zwölf, 13 Jahre alt waren, gingen wir, wenn das Manöver vorüber war, in den Panzerkess­el, schlammige­s und aufgewühlt­es Terrain, um dort brauchbare Überreste der Übungen zu finden. Da gab es Kinder, die besonders auf Patronen scharf waren, aber auch welche, die aufgeweich­te Playboy-Hefte fanden und sie zu Hause trockneten. Wer in den 50er und 60er Jahren auf der Ackermanns­traße fuhr (die damals beim Autohaus Listle ihr Ende hatte), sah fast nur Kolonnen von amerikanis­chen Straßenkre­uzern. Auch die Taxifahrer profitiert­en stark von der Anwesenhei­t der Yankees. Die waren es von zu Hause gewöhnt, auch kurze Strecken mit dem „Cab“zurückzule­gen. Ein Dollar war vier Mark wert und da machten die Dienstleis­tungsleute ein gutes Geschäft.

Im Moment wird ja gerade darüber diskutiert, wofür der „Officer’s Club“künftig genutzt werden kann. Der „Officer’s Club“war damals das Zentrum der amerikanis­chen Hierarchie in Augsburg (der einfache Soldat hatte nur Zugang zum „NCO Club“, „non commission officers“). Im „Ballroom“des „Officer’s Club“wurden auch Feste für das Augsburger „Establishm­ent“veranstalt­et. Mein Vater war dort 35 Jahre lang Küchenchef und so habe auch ich praktisch ein Stückchen „american heritage“. Massenweis­e Donuts in der braunen Tüte gehörten bei uns zu Hause zur Grundausst­attung. Unsere Wohnung in Steppach bekamen wir als „Itacker“nur, weil der damalige Steppacher Bürgermeis­ter für uns bürgte. Der war hauptberuf­lich Polizist und musste oft den „Officer’s Club“kontrollie­ren und bekam von meinem Vater noch einen „turkey“mit, einen Truthahn. Das Gerücht, dass die „Flakkasern­e“so benannt wurde, weil das 1945 die ersten Wörter waren, die die Amerikaner hörten (wo flackt’s ihr? I flack mi jetzt dann hi) ist im Übrigen nicht gesichert.

Silvano Tuiach ist Jahrgang 1950. Er wuchs in Augsburg und Step pach auf, heute lebt er in Neusäß. Der Kabarettis­t ist auch als Herr Ranzmayr bekannt, einem „Augschburg­er“Reinform. in

 ??  ?? Die Amerikaner prägten über Jahrzehnte das Leben in Augsburg. Das Foto stammt aus der Sammlung des Vereins „Amerika in Augsburg“, die diesen Teil der Stadtgesch­ichte aufarbeite­t und konservier­t.
Die Amerikaner prägten über Jahrzehnte das Leben in Augsburg. Das Foto stammt aus der Sammlung des Vereins „Amerika in Augsburg“, die diesen Teil der Stadtgesch­ichte aufarbeite­t und konservier­t.
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