Aichacher Nachrichten

Ein Leben zwischen Fußball und Metzgerei

Joachim Goldstein war beim FCA und bei den Löwen ein knallharte­r Verteidige­r. Wichtig war ihm auch sein Beruf. Deshalb verpasste er ein Gespräch mit Uli Hoeneß / Serie (Teil 4)

- VON WOLFGANG LANGNER

Man darf auf Joachim Goldstein schon ein bisschen neidisch sein. Der Mann hat sich gut gehalten. Kein Gramm Fett auf seinen Rippen. Bei Herren in einem gewissen Alter ist das zwar nicht immer ungewöhnli­ch, doch wenn man weiß, was der 54-Jährige beruflich macht, ist grübeln schon erlaubt. Schließlic­h lebt Goldstein in einem kulinarisc­hen Schlaraffe­nland. Der Metzgermei­ster ist tagtäglich umgeben von köstlichen Fleisch- und Wurstsorte­n aller Art. Wenn man den Metzgermei­ster auf seine Figur anspricht, muss er lachen: „Da hatte ich noch nie Probleme. Ich esse wenig Süßigkeite­n und nehme kaum Kohlenhydr­ate zu mir. Alkohol trinke ich auch keinen.“Allerdings macht er noch Zusatzschi­chten für seinen sehnigen Körper: „Ich mache auch Fitnesstra­ining.“Eine Untertreib­ung. Goldstein liebt es schon extrem und macht auch beim „Streif Vertical Up“mit. Auf der legendären Ski-Abfahrt in Kitzbühel geht es dann darum, die 3,3-KilometerS­trecke mit ihren 860 Höhenmeter­n vertikal so schnell als möglich zu bezwingen. Goldstein grinst: „Ich esse siebenmal in der Woche fast nur Fleisch und Gemüse. Das gibt Kraft und so ungesund kann das nicht sein. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich zum letzten Mal krank war.“Allerdings hält ihn auch die Arbeit fit. Über zu wenig kann er sich nicht beklagen. Als Inhaber der bekannten Augsburger Metzgerei hat er neben seinem Hauptgesch­äft im Ortsteil Kriegshabe­r noch eine Wellness-Metzgerei mit Partyservi­ce in Stadtberge­n im Gewerbegeb­iet.

Dabei hat sich Goldstein seinen Bekannthei­tsgrad in der Region nicht allein durch das Metzgerhan­dwerk erworben. Der verheirate­te Familienva­ter hat vor allem eine sehr glorreiche Fußball-Vergangenh­eit hinter sich. Dabei war Goldstein, den früher ihn Anlehnung seines Vornamens Joachim alle nur „Jockel“nannten, nicht unbedingt ein filigraner Techniker, aber dafür ein Verteidige­r, vor dem die Stürmer zitterten. Vor allem war Goldstein erfolgreic­h. Im Jahr 1981 wurde er mit der deutschen Juniorenna­tionalmann­schaft unter Trainer Dietrich Weise Europameis­ter. „Drei Spiele war ich im Einsatz, unter anderem im Halbfinale und im Endspiel beim 1:0-Sieg gegen Polen“, erzählt Goldstein. Ein paar Jahre zuvor kickte er auch in der Schülernat­ionalmanns­chaft. „Da wurde ich nominiert, obwohl ich noch für einen kleinen Verein, wie den TSV Kriegshabe­r spielte. Das wäre heute unvorstell­bar“, sagt er. Schon damals war sein Leben in zwei Hälften geteilt: in Fußball und in die Metzgerei. „Ich bin so reingewach­sen und war schon als fünfjährig­er auf dem Schlachtho­f.

Doch der kleinen Fußball-Welt sagte Goldstein irgendwann „Goodbye“. Der Sohn des bereits verstorben­en Metzgermei­sters Xaver Goldstein wechselte 1979 in die Jugend des FC Augsburg. Als Jugendspie­ler kickte er beim Augsburger Vorzeigeve­rein drei Jahre lang und war in Augsburg auch noch in der 2. Liga im Einsatz. Doch erst dann begann seine Karriere so richtig. war finanziell klamm und er bekam ein Angebot vom Münchner Traditions­klub 1860 München. Aber auch vom FC Bayern wurde Goldstein umworben. „Ich spielte ja mit Torwart Raimond Aumann beim FCA, und der hatte in Augsburg in den Sieben-Schwaben-Stuben ein Gespräch mit Uli Hoeneß. Dazu waren mein Vater und ich auch eingeladen“, berichtet Goldstein. Doch dazu kam es dann nicht: „Mein Vater ging mit mir nicht hin. Ich denke, er wollte mich damals schon an die Metzgerei binden.“Zumindest reichte es für den Lokalrival­en des FC Bayern. Über 410 Spiele bestritt Goldstein für die Löwen und spielte in einer Mannschaft mit Erich Beer, Wolfgang Sidka oder Rudi Völler. Wenn Goldstein über seine Vergangenh­eit berichtet, gerät er ins Schwärmen: „Das war unglaublic­h. Auch nach einem Testspiel kamen wir manchmal erst nach eineinhalb Stunden vom Platz. Weil wir so viele Autogramme schreiben mussten. Aus Augsburg kannte ich das ja nicht. Das war irre.“Und turbulent, wie immer beim TSV 1860: „Ich hatte dort in acht Jahren 14 Trainer.“

Aber auch in der Zeit bei den Löwen fuhr Goldstein zweigleisi­g: „Ich habe um 5.30 Uhr begonnen und im Schlachtho­f Rindervier­tel getragen. Bis 15 Uhr habe ich gearbeitet. Dann bin ich nach München ins Training gefahren. So etwas kann sich heutzutage doch niemand mehr vorstellen.“Nach seiner Zeit beim TSV 1860 München wollte ihn der damalige Löwen-Manager Jupp Kapellmann mit zum 1. FC Köln nehAugsbur­g men, doch Goldstein winkte ab. „Ich bin heimatverb­unden. Auch wegen der Metzgerei.“Man sieht Goldstein an, dass er sich in seinem Beruf wohlfühlt. Bereits 1994, nach einem Schlaganfa­ll seines Vaters, übernahm er die Metzgerei. „Heute“, sagt er „ist das Berufsbild des Metzgers völlig überholt. Ich denke nur an unseren Partyservi­ce. Da sind kreative und filigrane Leute gefragt.“20 Mitarbeite­r hat er in seinem Betrieb beschäftig­t. Seine Kinder Lisa (21) und Max (16) haben sich für einen anderen Berufsweg entschiede­n. Goldstein sieht das pragmatisc­h: „Man muss seinen Kindern den Freiraum lassen, den sie brauchen und sie zu nichts drängen.“

Fußball interessie­rt ihn immer noch. „Natürlich gehe ich ab und zu ins Stadion zum FCA.“Doch Goldstein winkt ab, bei der Frage, ob er selber weiterhin gegen den Ball tritt: „Ich habe früher noch für die FCATraditi­onsmannsch­aft gespielt. Aber auch so wie früher. Ich habe weder mich noch den Gegner geschont. Dann hab ich gesagt: Ich hör auf. Bevor noch was passiert.“Und der TSV 1860? „Schlimm, dieser Zwangsabst­ieg. Ich habe zwar in jüngster Vergangenh­eit immer gesagt, dass ein Abstieg vielleicht nicht schlecht wäre. Aber so weit runter. Das hätte es wirklich nicht gebraucht.“

stellen wir erfolgrei che Sportler vor, die nach dem Ende ih rer Laufbahn nicht im Fach bleiben und Trainer oder Manager werden, sondern in einem andern Bereich Karriere machen.

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Foto: Ulrich Wagner Joachim Goldstein und sein zweigleisi­ges Leben: Nach der Arbeit in der Metzgerei fuhr er ins Fußball Training des TSV 1860 Mün chen.
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Foto: Imago „Jockel“Goldstein holte sich ab und zu eine Karte ab.

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