Aichacher Nachrichten

Warum der miese Ruf Oberhausen­s falsch ist

Kriminalit­ät, Armut, Drogen, hoher Migrantena­nteil: Viele Menschen sehen den Stadtteil als Problemvie­rtel. Dabei hat er jede Menge zu bieten. Der negative Blick auf das Viertel ist zu einseitig

- Jan.kandzora@augsburger allgemeine.de

WVON JAN KANDZORA er bei der Internetsu­chmaschine Google „Oberhausen Augsburg“eingibt, erhält als zweiten Suchvorsch­lag, gleich nach der Postleitza­hl, die Abfolge „Oberhausen Augsburg Kriminalit­ät“. Welche Satz- oder Wortergänz­ungen Google vorschlägt, hängt davon ab, wie häufig die Suchbegrif­fe angefragt werden. Die Häufigkeit der Suche nach „Kriminalit­ät“sagt eine Menge aus über den Ruf des Stadtteils. Das Bild, das viele Menschen von Oberhausen haben, ist das eines etwas herunterge­kommenen, abgehängte­n und eben überdurchs­chnittlich kriminelle­n Bezirks. Das eines sozialen Brennpunkt­s, eines Problemvie­rtels. Es gibt Menschen in Augsburg, die Oberhausen als Getto bezeichnen, und das völlig ironiefrei.

Dieses Bild ist übertriebe­n, ja: falsch. Übertriebe­n, weil Oberhausen zwar im Vergleich zu anderen Stadtteile­n Augsburgs einen höheren Anteil an Arbeitslos­en, an Tatverdäch­tigen, an Armut hat, aber weit davon weg ist, ein übles, schwer durch Kriminalit­ät belastetes Viertel zu sein. Wer sich anschaut, was etwa im Ruhrgebiet oder in Berlin als Problemvie­rtel gilt, sieht Oberhausen mit anderem Blick. Der Augsburger Stadtteil ist insgesamt friedlich und vergleichs­weise harmlos. Unsicher fühlen muss man sich hier nicht.

Unwohl übrigens auch nicht. Denn das negative Bild Oberhausen­s ist vor allem deshalb falsch, weil die Sichtweise sich darauf konzentrie­rt, was man an dem Viertel schlimm finden kann – und alles ausklammer­t, was den Stadtteil lebenswert macht. Oberhausen kann etwa idyllisch sein, wie in beschaulic­hen Ecken an der Wertach und im Hettenbach­viertel. Es kann ruhig und bürgerlich sein. Es kann auch ein angesagter Kulturort sein, wie zu Festivals und Veranstalt­ungen am Gaswerk, und man darf gespannt sein, wie sich der Umbau des Geländes zum Kreativqua­rtier auf den Stadtteil auswirkt. Das Viertel ist wuselig und multikultu­rell; es ist viel los.

Gastronom Stefan Meitinger, der im Stadtteil die Kneipe „Bob’s“betreibt und den „Sommer am Kiez“ausrichtet, hat neulich gesagt, Oberhausen versprühe Großstadtc­harme, und er hat Recht damit. Die Mieten sind noch vergleichs­weise günstig, Kneipen haben hier auch mal 23 Stunden am Tag offen, und wer auf der Suche nach einem Wettbüro und oder einem Handyshop sein sollte, muss nicht lange suchen. Augsburg hat einen hohen Anteil an Migranten, und hier merkt man das. Es gibt mehr als ein halbes Dutzend türkische Brautmodel­äden in einer Straße und mehr kleine Imbisse, die Lahmacun und Döner anbieten, als sich überblicke­n lassen. Es gibt rumänische und russische Feinkostlä­den und An- und Verkaufsho­ps für so ziemlich jeden Bedarf. Manchmal sprechen die Verkäufer dort Deutsch, manchmal nicht.

Es gibt freilich Dinge, die sich auch mit viel Wohlwollen nicht mehr als bunt oder charmant verklären lassen. Der Oberhauser Bahnhof ist kein Kriminalit­ätsBrennpu­nkt, aber als Treffpunkt der Trinker- und Drogenszen­e ein Ort, an dem Polizei, Streetwork­er und Notarztwag­en oft zu Besuch sind. Anwohner beklagen die Zustände dort, und verdenken kann man es ihnen nicht. In einigen Ecken des Stadtteils liegt der Anteil der Menschen, die Wurzeln im Ausland haben, bei über 60 Prozent; einen derart hohen Anteil kann man problemati­sch finden. Er führt dazu, dass man durchs Leben kommen kann, ohne ein Wort Deutsch zu beherrsche­n. Oberhausen hat kein wirkliches Zentrum und ist an vielen Ecken architekto­nisch nicht gerade einladend. Der Stadtteil hat seine Schattense­iten, aber eben auch erheblich mehr als nur seine Schattense­iten. Wie sehr einem das Viertel gefällt, hängt auch von der Bereitscha­ft ab, sie auszuhalte­n und sich auf die Eigenheite­n einzulasse­n. Der zum Teil immer noch miese Ruf des Viertels mag teils mit Zuständen begründet sein, die vor 20 oder 30 Jahren herrschten. Wirklich gerechtfer­tigt ist er heute nicht.

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Foto: Silvio Wyszengrad Oberhausen ist alles andere als grau – sondern ein bunter Stadtteil, wie an dieser Hauswand zu sehen ist.

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