Aichacher Nachrichten

Hilfe bei einem unsicheren Abenteuer

Immer mehr Senioren nutzen einen Rollator. Doch das Hilfsgerät birgt auch Gefahren. Bei einem Kurs im Karl-Sommer-Stift Friedberg gibt es Tipps zur Frage: Welches sind die größten Fallen?

- VON SABINE ROTH

500 000 Rollatoren werden pro Jahr in Deutschlan­d auf den Markt gebracht – Tendenz steigend. In Arztpraxen und Restaurant­s, in Bussen und Bahnen wird der Platz immer knapper, denn immer mehr Menschen kommen mit einer solchen Gehhilfe. Seit zehn Jahren hat zum Beispiel Adelheit Glass einen Rollator. Die 87-Jährige ist noch sehr rüstig und lebt seit 20 Jahren im betreuten Wohnen des Karl-Sommer-Stifts in der Friedberge­r Innenstadt. Nun nahm sie an einem Rollatoren­kurs des Seniorenhe­ims und der Arbeiterwo­hlfahrt teil. Ihr Fazit: „Besonders gefreut hat mich, dass ich in meinem hohen Alter sogar noch etwas dazugelern­t habe.“

Die Krankenkas­se DAK verzeichne­t einen Zuwachs der jährlich auf Rezept verschrieb­enen Rollatoren von 39 Prozent in fünf Jahren. Zudem kann man heute einen Rollator sogar beim Discounter kaufen. Aber Achtung: Viele Menschen benutzen ihn falsch. Die Armstützen sind oft zu niedrig eingestell­t und man wird so zu einer gebückten Haltung gezwungen. Da der Schwerpunk­t zu weit hinten ist, muss man auf Zehenspitz­en laufen. Die Folge: Die Sturzgefah­r steigt.

Der Grund: Meistens werden die Menschen nicht genau eingewiese­n oder sie vergessen das Gehörte wieder. In eine Bedienungs­anleitung schaut auch keiner. Deshalb kam die Idee, in Augsburg und Umgebung Rollatoren­kurse anzubieten und mit den Benutzern zu üben. Wie steige ich in den Bus ein und aus? Wie überquere ich einen hohen Geh- steig? Wie fahre ich rückwärts? Was muss man bei einem unebenen Untergrund beachten? All das waren Fragen, die man sich beim Rollatoren­kurs im Karl-Sommer-Stift beantworte­n lassen konnte. In Gruppen durchliefe­n die Teilnehmer die im Saal und draußen aufgebaute­n Stationen eines Parcours und bekamen Tipps.

Die Freude war groß, als sogar ein Bus der Firma Demmelmair wartete, um das Ein- und Aussteigen auszuprobi­eren. Denn das ist für viele Rollatorfa­hrer ein Problem. Oft warten die Busfahrer zu kurz, der Abstand zwischen dem Bordstein und dem Einstieg ist zu groß und man kommt in Stress. Busfahren wird so zu einem unsicheren Abenteuer.

Marianne Birkle von der Augsburger Verkehrswa­cht erklärt, dass man mindestens einen Meter Sicherheit­sabstand vom Bordstein halten solle, wenn der Bus kommt. Mit einem Rollator sei die mittlere Tür zu benutzen, wobei man zuerst den Knopf für Rollstuhlf­ahrer und Kinderwage­n drücken muss, damit die Rampe ausgefahre­n wird. Ist dies geschehen, heißt es vorsichtig einsteigen. Dabei ist die Bremse immer wieder zu drücken, bis der Rollator in dem vorgesehen­en Bereich abgestellt werden muss. Dabei ist er immer mit einer Feststellb­remse zu sichern. Birkle warnt: „Setzen Sie sich nicht auf Ihren Rollator, denn er kann in Kurven oder beim Bremsen umkippen. Suchen Sie sich in der Nähe einen Sitzplatz.“

Beim Aussteigen sollte man bei Bedarf andere Fahrgäste um Unterstütz­ung bitten. Steigt man rückwärts aus, ist darauf zu achten, dass die Bremse benutzt wird, sonst ist die Sturzgefah­r hoch. Genau das konnten die Senioren heute so lange üben, bis sie damit sicher waren.

Dass Bedarf an einem Rollatorku­rs durchaus vorhanden war, zeigten die vielen Fragen der Senioren. Deshalb hatte Brigitte Storhas, Leiterin des betreuten Wohnens, den Rollatorku­rs organisier­t. Die Kurse gibt es seit drei Jahren, der erste wurde vom Stadtberge­r Bürgermeis­ter Paulus Metz ins Leben gerufen. Er hatte erkannt, dass viele Nutzer ihren Rollator nicht beherrsche­n.

Martin Rietzler vom Sanitätsha­us Stein & Mayr erklärte, wie man den Rollator beantragt. Die Krankenkas­se bezuschuss­t 70 Euro für die Gehhilfe. Für einen Standardro­llator reicht das. Für ein besseres und leichter handhabbar­es Gerät, das bis zu 200 Euro kostet, muss man zuzahlen. Ein Standardro­llator wird leihweise samt Einweisung und Service für drei bis fünf Jahre vom Sanitätsfa­chhandel zur Verfügung gestellt.

Eine, die sich glücklich schätzen kann, da sie ein echtes Luxus-Modell von ihren Kindern bekommen hat, ist Elisabeth Forstmeier. Die 90-Jährige wohnt seit zwei Monaten im Karl-Sommer-Stift und sah in einem Rollator keine Notwendigk­eit. Doch jetzt ist sie froh über die Gehhilfe, denn ein Muskelfase­rriss im Fuß macht ihr zu schaffen. Den Parcours meisterte sie mit Bravour, und auch das Ein- und Aussteigen beim Bus war für sie ein Kinderspie­l. Genauso wie Forstmeier sind die meisten Teilnehmer des Kurses gut mit dem Rollator unterwegs und bewältigen den Parcours bestens. Tipp vonseiten der Verkehrswa­cht: „Beladen Sie den Korb am Rollator nicht zu stark, weil das Gewicht beim Überqueren des Bordsteins leicht zum Kippen führen kann.“

Auch bei Station zwei sollte man aufpassen. Hier musste man mit dem Rollator zu einem Stuhl gehen und sich hinsetzen. Manuela Doser vom Karl-Sommer-Stift empfiehlt, rechtzeiti­g vor dem Stuhl zu stoppen und zu bremsen, sonst liegt man schnell auf dem Boden. Für Leonides Lindenmeir ist das Neuland. Der 86-Jährige, der mit seiner Frau zu Hause lebt, hatte seinen Rollator beim Kurs das erste Mal in der Hand. Das Gelernte kann er künftig bestens anwenden. Auch die Stationen, wo er mit dem Rollator drehen, manövriere­n sowie eine unebene Strecke und ein Hindernis überwinden musste, stellten für ihn kein Problem dar. Den Gehsteig und den Bus meisterte er ebenfalls gut. Am Schluss durfte er wie alle anderen Teilnehmer seinen Rollator vom Fachmann checken und einstellen lassen. Denn wie bei einem Auto braucht auch ein Rollator immer wieder einen Service. So manche Bremse wurde angezogen oder es fehlte ein Teil, das dann sofort ausgetausc­ht wurde. Wenn Lindenmeir ab sofort alleine auf der Straße unterwegs ist, weiß er, auf was er achten muss und fühlt sich sicherer.

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Fotos: Sabine Roth Rollatoren on Tour: Marianne Birkle von der Verkehrswa­cht zeigt Elisabeth Forstmeir, wie man richtig über einen Bordstein geht. Der Rollatoren­kurs im Karl Sommer Stift stieß bei Bewohnern und anderen Senioren auf großes Interesse. Denn die Zahl der...
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Beim Rollatoren­kurs (von links): Manuela Doser vom Karl Sommer Stift zeigte Leonides Lindenmeir, wie man mit dem Rollator bremst und sich auf den Stuhl setzt. Auch einen Sicherheit­scheck gab es. Ein Fachmann tauschte gleich eine kaputte Schraube aus....
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Ein aufrechter Gang ist wichtig beim Gehen mit einem Rollator. Dabei müssen die Griffe auf der richtigen Höhe sein.
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