Martin Schulz attackiert die Kanzlerin
Was der SPD-Kandidat seiner Kontrahentin im Interview mit unserer Zeitung vorwirft und wo er ihren wunden Punkt sieht
Zwei Monate vor der Bundestagswahl wird der Ton im Duell um das Kanzleramt schärfer. Im Gespräch mit unserer Zeitung startet Martin Schulz weitere persönliche Attacken auf seine Kontrahentin: „Angela Merkel läuft über rote Teppiche, Angela Merkel steht für Taktik, ich stehe zu meinen Überzeugungen“, sagt der SPD-Kandidat. Erst vor einigen Wochen hatte er der Kanzlerin einen „Anschlag auf die Demokratie“vorgeworfen. Das kam selbst bei den eigenen Leuten nicht besonders gut an. Nun legt Schulz nach: „Angela Merkel hat nur eine Botschaft: Hier bin ich – das muss reichen. Diese Verweigerung jeder Debatte schadet dem demokratischen Wettbewerb.“
In Umfragen hat die SPD zuletzt deutlich an Boden verloren. Auch im direkten Vergleich mit der Regierungschefin liegt Schulz inzwischen weit zurück. Doch auch wenn es derzeit nicht nach einem Machtwechsel aussieht, gibt sich der 61-Jährige kämpferisch: „35 Prozent der Bürger sagen, sie hätten sich noch nicht entschieden, für mich als Wahlkämpfer ist das die wichtigste Zahl.“
Noch lässt Merkel sämtliche Attacken des politischen Gegners ins Leere laufen. Damit hatte sie vor vier Jahren schon den SPD-Herausforderer Peer Steinbrück zermürbt. Doch Schulz ist überzeugt davon, dass die Kanzlerin der direkten Auseinandersetzung nicht dauerhaft aus dem Weg gehen kann. „Ich glaube nicht, dass sie in diesem Wahlkampf mit dieser Strategie Erfolg haben wird“, sagt der Sozialdemokrat und nennt als Beispiel die Flüchtlingsfrage: „Frau Merkel sagt, wir haben alles unter Kontrolle, tatsächlich ist kein Problem gelöst.“Mit der Asylpolitik versucht Schulz, die Union an ihrem wunden Punkt zu treffen. Erst am Wochenende bekräftigte Horst Seehofer in einem Interview seine Forderung nach einer Obergrenze für die Aufnahme von weiteren Flüchtlingen. „Im Moment ist die Lage beruhigt. Aber wir wissen alle: Die Migrationswelle wird weitergehen“, sagte der CSU-Chef. Zumindest in diesem Punkt ist er sich mit Schulz einig. Der SPD-Kandidat warnt im Interview mit unserer Zeitung: „Die Flüchtlingsfrage ist nicht gelöst. Italien braucht dringend Hilfe. Wir müssen jetzt handeln, wenn wir nicht wieder ungeordnete Zustände wie 2015 wollen. Mit Panzern am Brenner, wie manche in Österreich glauben, werden sich die Leute jedenfalls nicht aufhalten lassen“, warnt der Kanzlerkandidat. Das wahre Drama in der Flüchtlingspolitik sei die europäische Passivität.
Wie Schulz als Regierungschef mit der Türkei umgehen würde und welchen Fehler er sich selbst im bisherigen Wahlkampf anlastet, lesen Sie im ausführlichen Interview mit dem SPD-Chef in der
„Angela Merkel steht für Taktik, ich stehe zu meinen Überzeugungen.“Martin Schulz