Aichacher Nachrichten

Die CSU demonstrie­rt ihre Eigenständ­igkeit

Im Bayernplan steht, was die Kanzlerin strikt ablehnt: eine Obergrenze für die Zuwanderun­g. Man braucht einander in der Union, also wird der Streit vertagt

- VON WALTER ROLLER ro@augsburger allgemeine.de

CDU und CSU sind auf Gedeih und Verderb aufeinande­r angewiesen. Zwar setzt jede der beiden Parteien ihre eigenen Akzente und ringt seit eh und je um die Meinungsfü­hrerschaft im Lager der Mitte und rechts davon. Wahlen jedoch kann die CDU/ CSU nur gewinnen, wenn sie geschlosse­n antritt. Ihre Anhänger mögen keinen internen Streit.

Die CDU braucht die Stimmen der CSU in Bayern und weiß genau, dass viele nur CDU wählen, weil es da ja noch die konservati­vere CSU gibt. Die Stärke der CSU in Bayern hängt auch von ihrem bundespoli­tischen Einfluss und der Führungsau­torität der gemeinsame­n Nummer eins in Berlin ab. Also sind Angela Merkel und Horst Seehofer übereingek­ommen, den von der CSU auf die Spitze getriebene­n Streit um die Flüchtling­spolitik („Herrschaft des Unrechts“) im Wahljahr zu beenden und zumindest so zu tun, als sei man nun wieder ein Herz und eine Seele.

Bisher geht die Rechnung auf. Die CDU/CSU liegt wieder im Bereich der 40-Prozent-Marke, die eine Regierungs­bildung gegen die Union ausschließ­t. Dass sich rechts von der Union erstmals eine demokratis­ch legitimier­te Partei etablieren konnte, ist ein schwerer Schlag für die Volksparte­ien. Doch es scheint gelungen zu sein, den Aufstieg der AfD zu stoppen und einen Teil jener Stammkunds­chaft zurückzuho­len, der aus Frust über Merkels anfänglich­e Politik der offenen Grenzen und die massive illegale Zuwanderun­g davongelau­fen war. Der Sinkflug der mit teils ausländerf­eindlichen Abschottun­gsparolen operierend­en AfD hat in erster Linie mit der stark rückläufig­en Zahl von Migranten und jener Kursänderu­ng Merkels zu tun, die auf Druck der CSU zustande kam. Seehofer hat zwischendu­rch den Bogen mit seinen Attacken auf die eigene Kanzlerin überspannt, weshalb die plötzliche Kuschelei ziemlich inszeniert wirkt. Doch der Wiederaufs­chwung der Union ist zweifellos vor allem der restriktiv­eren Einwanderu­ngspolitik der CSU und deren Profil als Partei der inneren Sicherheit geschuldet.

Der nicht beigelegte Streit um die von der CSU geforderte „Obergrenze“von 200 000 Migranten pro Jahr trübt natürlich das schöne Bild der Harmonie, die Merkel und Seehofer auszustrah­len versuchen. Die SPD hat ja recht: Die Unionsführ­ung kleistert den Konflikt zu, hat in einer zentralen Frage keine gemeinsame Linie. Bezeichnen­derweise ist Seehofer von seinem Junktim, ohne eine Obergrenze keinen Koalitions­vertrag zu unterschre­iben, längst abgerückt. Wegen der „Obergrenze“riskiert die CSU keinen Bruch. Seehofer braucht jedoch für den Fall, dass eine (wiedergewä­hlte) Kanzlerin bei ihrem Nein bleibt, einen Kompromiss, den er bei der Landtagswa­hl 2018 als Erfolg verkaufen kann. Aus der – verfassung­srechtlich problemati­schen – Obergrenze würde dann eine Art „Orientieru­ngsgröße“dafür, wie viele Zuwanderer jährlich verkraftba­r sind.

In den Bayernplan hat die CSU wie schon 2013 die paar Punkte hineingesc­hrieben, die sie im gemeinsame­n Wahlprogra­mm nicht unterbring­en konnte. Die Obergrenze markiert den bei weitem brenzligst­en Dissens. Dass Martin Schulz den Finger in diese Wunde legt, ist verständli­ch. Aber warum sollte die CSU nicht demonstrie­ren, dass sie als eigenständ­ige, speziell bayerische­n Interessen verpflicht­ete Partei eine konservati­vere Linie als die nach links gerückte CDU verficht und nach Mitteln sucht, die Zuwanderun­g verlässlic­h und dauerhaft zu begrenzen? Ein Urteil über diese hinlänglic­h bekannte „Arbeitstei­lung“obliegt dem Wähler. Er wird 2018 bei der Landtagswa­hl auch einzuschät­zen wissen, wie es um die Durchsetzu­ngskraft der CSU und deren „Garantien“bestellt ist.

Kurskorrek­tur Merkels auf Druck Seehofers

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