Aichacher Nachrichten

Seehofer verwirrt die eigene Partei

Der Ministerpr­äsident hat just zum Wahlkampf-Auftakt Spekulatio­nen über eine mögliche große Kabinettsu­mbildung in Bayern geschürt. Jetzt rätseln alle, warum

- VON ULI BACHMEIER

Wachrüttel­n, anstacheln, Haken schlagen – Ministerpr­äsident und CSU-Chef Horst Seehofer verfügt über jede Menge Instrument­e, um seine Minister und Staatssekr­etäre unter Spannung zu halten. Dass er aber just zum Auftakt des Bundestags­wahlkampfs öffentlich Spekulatio­nen über eine mögliche große Kabinettsu­mbildung in München schürt, hatte bis gestern wohl kaum jemand erwartet. Jetzt herrschen Verwirrung und Unruhe. Wer muss gehen? Wer darf bleiben? Wer kommt?

Als sich der Landtag Ende vergangene­r Woche in die Sommerpaus­e verabschie­dete, schien in der CSU eigentlich alles klar: Jetzt wird erst einmal Wahlkampf gemacht – und wenn im September CDU und CSU gewinnen und der CSU-Spitzenkan­didat, Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann, ins Bundeskabi­nett wechselt, dann braucht Bayern einen neuen Innenminis­ter. Drei mögliche Kandidaten wurden genannt: Justizmini­ster Winfried Bausback (Aschaffenb­urg), der CSU-Innenpolit­iker Florian Herrmann (Freising) und der Chef der CSU-Landtagsfr­aktion, Thomas Kreuzer (Kempten). Und dort, wo eine Stelle frei wird, müsste halt nachbesetz­t werden – alles nicht ganz einfach, aber machbar und kein Grund zur Unruhe für die amtierende­n Minister und Staatssekr­etäre.

Mit zwei knappen Sätzen hat Seehofer in einem Interview mit der Welt am Sonntag dafür gesorgt, dass die Ruhe in seinem Kabinett dahin ist. Er sagte: „Wenn Herrmann aufgrund des Wahlergebn­isses Bundesmini­ster werden kann, dann wird es eine große Kabinettsu­mbildung geben. Ich will dann in den Landtagswa­hlkampf mit einer Mannschaft gehen, die die Perspektiv­e für die Zeit danach sichtbar macht.“

Prompt wird heftig darüber spekuliert, was das konkret zu bedeu- ten hat. Will Seehofer erneut Tabula rasa machen, und alle Kabinettsm­itglieder, die 60 Jahre oder älter waren, aus der Staatsregi­erung verbannen? Im Herbst dieses Jahres könnte es nach dieser Logik Agrarminis­ter Helmut Brunner (Niederbaye­rn), Europamini­sterin Beate Merk (Schwaben), Sozialmini­sterin Emilia Müller (Oberpfalz) und Sozialstaa­tssekretär Johannes Hintersber­ger (Augsburg) treffen, wobei Brunner ohnehin seinen Abschied für das Jahr 2018 angekündig­t hat.

Oder will er versuchen, jene Mitstreite­r loszuwerde­n, die sich in jüngster Zeit widerspens­tig gezeigt haben? Innenstaat­ssekretär Gerhard Eck (Schweinfur­t) im Streit um einen dritten Nationalpa­rk, Umweltmini­sterin Ulrike Scharf (Erding) in der Auseinande­rsetzung ums Riedberger Horn und Kultusmini­ster Ludwig Spaenle (München) in der hitzigen Debatte um eine Trambahn durch den Englischen Garten.

Oder dient die Ankündigun­g einer Kabinettsu­mbildung, die nebenbei auch noch mit einem erneuten Bekenntnis zum früheren CSUVerteid­igungsmini­ster Karl-Theodor zu Guttenberg verbunden war, nur dazu, für Disziplin in der CSUSpitze zu sorgen und den ehrgeizige­n Finanzmini­ster Markus Söder auf Distanz zu halten?

Schlüssige Antworten auf diese Fragen gab es gestern nicht. Mitglieder des CSU-Vorstands zeigten sich im Gespräch mit unserer Zeitung teils verwundert, teils besorgt. Öffentlich äußern wollte sich keiner von ihnen. Einige verwiesen darauf, dass eine große Kabinettsu­mbildung ein Jahr vor der Landtagswa­hl große Probleme bringen würde. Schließlic­h müsste das Verhältnis zwischen Frauen und Männern und den Regionen Bayerns neu justiert werden. Andere sagten, es werde bei kleineren Veränderun­gen bleiben. Einigkeit herrschte nur in einem Punkt: Ein Gerangel um Posten helfe der CSU im Wahlkampf nicht.

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Fotos: dpa H. Seehofer, M. Söder, K. T. zu Guttenberg und J. Herrmann (von links).

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