Gefährlicher Schlingerkurs
NVON BERNHARD JUNGINGER eue Panzer, Abfangjäger oder Kampfhelikopter zu entwickeln, dauert Jahre, mitunter Jahrzehnte. Und Rüstungsprojekte spiegeln wider, von welchen Bedrohungen das Verteidigungsministerium zur Zeit der Auftragsvergabe ausgegangen ist. Der Armeehubschrauber Tiger, dessen erster Anforderungskatalog 1984 formuliert wurde, ist ein gutes Beispiel. Konzipiert, gebaut und bewaffnet wurde er, um im kühlen Mitteleuropa die Panzertruppen der Sowjetunion und der Warschauer-Pakt-Staaten zurückzuschlagen. An Sand, an Wüstenhitze, hat niemand gedacht. Die Lage änderte sich seither mehrfach: Nach dem Ende des Kalten Krieges galt ein Bündnis- oder Verteidigungsfall als nahezu ausgeschlossen. Die Bundeswehr sollte zu einer schlanken, vor allem für Auslandseinsätze gerüsteten Armee zusammengespart werden. Bis die Annexion der Krim durch Russland und die Krise in der Ostukraine zeigten, dass die Gefahr bewaffneter Auseinandersetzungen in Europa keineswegs gebannt ist.
Heute muss die Bundeswehr riesige Herausforderungen mit Material bestreiten, das zum Teil nicht den Anforderungen entspricht. Die Trendwende mag eingeleitet sein, doch die Folgen des verteidigungspolitischen Schlingerkurses der Vergangenheit wird die Truppe leider noch lange spüren.