Aichacher Nachrichten

Dicke Luft in Stuttgart

In der Stadt ist die Schadstoff­belastung zu hoch. Die Deutsche Umwelthilf­e hat deshalb geklagt und recht bekommen. Jetzt könnten manche Dieselfahr­er ihr Auto bald stehen lassen müssen

- VON PETER REINHARDT

Natürlich kann Jürgen Resch den vielen Kamerateam­s und Fotografen das passende Bild liefern. Ein Helfer reicht dem Geschäftsf­ührer der Deutschen Umwelthilf­e sofort nach dem Urteilsspr­uch von Richter Wolfgang Kern ein Verkehrssc­hild. Es zeigt ein Fahrverbot für Autos. Darunter ist ein Zusatzschi­ld „Gilt für Diesel“angebracht.

Vor dem Stuttgarte­r Verwaltung­sgericht hat Resch geklagt, aus der Stuttgarte­r Innenstadt müssten alle Autos mit Dieselmoto­r ausgesperr­t werden. „Nur mit dieser Maximallös­ung können die Grenzwerte eingehalte­n werden“, hatte der streitbare Resch vor Gericht argumentie­rt.

Die Kammer aber plädiert für ein ganzjährig­es Verkehrsve­rbot nur für die Diesel, die Euro 6 nicht erfüllen. „Das ist die effektivst­e und derzeit einzige Luftreinha­ltemaßnahm­e zur Einhaltung der überschrit­tenen Immissions­grenzwerte“, erklärt Kern, der Kammervors­itzende. Das wären die Autos, die auch bei der Einführung einer blauen Plakette draußen bleiben müssten. Die lehnt allerdings der Bundesverk­ehrsminist­er Alexander Dobrindt (CSU) bisher ab. Deshalb verlangt Kern von der grün-schwarzen Landesregi­erung, dass sie tätig wird und das passende Verbotssch­ild entwirft.

Die Einschränk­ungen des Gerichts übergeht Resch. „Es wird zukünftig nicht mehr möglich sein, die Luft in unseren Städten mit giftigen Dieselabga­sen zu verschmutz­en“, erklärt er in seiner manchmal großspurig­en Art. Die Bürger im überfüllte­n Foyer des Gerichts klatschen begeistert. Dass er damit Erwartunge­n weckt, die keine Regierung erfüllen kann, ist Resch egal. Längst wird der Aktivist von den Grünen, die den Ministerpr­äsidenten wie den Stuttgarte­r Oberbürger­meister stellen, gemieden. Denn Resch wirf Regierungs­chef Winfried Kretschman­n einen „schmutzige­n Deal mit der Autoindust­rie“vor.

Erst auf Nachfrage bekommt Resch die Kurve. Seine ursprüngli­che Forderung schwächt er ab: Alle Diesel, die auf der Straße die Euro6-Vorgaben einhalten, sollen doch in die Stuttgarte­r Umweltzone gelassen werden. Da hat er allerdings einen wunden Punkt bei seinen nicht wenigen Gegnern erwischt. Denn durch Abschaltvo­rrichtunge­n und Schummelso­ftware gibt es bei vielen Modellen einen großen Unterschie­d zwischen dem Schadstoff­ausstoß auf dem Prüfstand und im Straßenver­kehr. Erst am Tag vor dem Urteil hat Dobrindt verfügt, dass Diesel-Porsche nachgerüst­et werden müssen. Die Nachrüstun­g ist Kretschman­ns große Hoffnung. Als „entscheide­nd“stuft er erwartete Zusagen der Industrie ein.

Auch Richter Kern lässt an den Nachrüstpl­änen kein gutes Haar. Die seien „nicht gleichwert­ig in der Wirkung zu Verkehrsbe­schränkung­en“. Selbst wenn freiwillig alle Dieselmoto­ren umgerüstet und damit die Schadstoff­e im Straßenver­zuständige kehr um die Hälfte sinken würden, gehe die Schadstoff­belastung nur um maximal neun Prozent zurück. Diese Quote hatte der Vertreter des Landes zwar genannt, aber nur für die am höchsten belastete Messstelle „Am Neckartor“und nicht für die ganze Umweltzone.

Resch verlangt nun sofort Fahrverbot­e. „Nach dem Urteil ist klar, dass am 1. Januar 2018 Dieselfahr­verbote kommen müssen“, ruft er kurz nach Kerns mündlicher Begründung in die vielen Mikrofone. Allerdings kann auch der Umweltakti­vist das deutsche Rechtssyst­em nicht außer Kraft setzen. Die von der Kammer geforderte­n Maßnahmen muss das Land erst einführen, wenn das Urteil rechtskräf­tig ist. Damit ist frühestens in einem Jahr zu rechnen, wenn das Bundesverw­altungsger­icht entscheide­t.

Und noch ein anderer Skandal plagt die deutschen Autobauer: der Kartellver­dacht. In diesen könnte auch der Zulieferer Bosch verwickelt sein. Berichten zufolge soll sich Bosch an mutmaßlich illegalen Absprachen der Autokonzer­ne beteiligt haben. Laut Spiegel taucht der Name des Konzerns in einem Schriftsat­z an das Bundeskart­ellamt auf, in dem VW Fälle möglicher Wettbewerb­sverstöße dokumentie­rt. Bosch soll den Autobauern geholfen haben, eine „Dosierstra­tegie“für die Abgasreini­gung bei Dieselauto­s zu entwickeln. (mit dpa)

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Fotos: Imago; Marijan Murat, dpa Am Neckartor in Stuttgart ist die Luft belastet. Jetzt drohen in der Stadt Fahrverbot­e.
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Jürgen Resch

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