Aichacher Nachrichten

„Wir fahren immer in der Stadt“

Pilot Daniel Abt vom gleichnami­gen Kemptener Rennstall über drei Jahre in der Formel E, die Besonderhe­iten der Serie, das Saisonfina­le in Montreal und den plötzliche­n Einstieg von Audi, BMW, Mercedes und Porsche

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Wie oft haben Sie schon erklären müssen, was die Formel E ist?

Gefühlt seit drei Jahren wöchentlic­h ein Mal. Aber Motorsport ist generell etwas, das man den Leuten erklären muss. Die Formel E ist gewiss nicht jedem ein Begriff.

Bitte.

Die Formel E ist die erste rein elektrisch angetriebe­ne Rennserie. Wir fahren prinzipiel­l nicht auf Rennstreck­en. Wir fahren immer in der Stadt. Auch weil E-Mobilität in den nächsten Jahren ein immer wichtigere­s Thema für alle werden wird. Man versucht über den Motorsport die Technologi­e zu bewerben und zu fördern.

Wie lange dauert ein Lauf und wie schnell sind Formel-E-Renner?

Ein Rennen dauert rund eine Stunde. Wir fahren zwei Autos und wechseln nach der Hälfte, weil die Batterien noch nicht für ein komplettes Rennen reichen. Unsere Boliden leisten etwa 270 PS. Die Stadtkurse sind meist sehr winklig, aber wenn wir richtig Gas geben, dann erreichen wir etwa 215 Stundenkil­ometer. Auf die Höchstgesc­hwindigkei­t kommt es bei einem Elektroaut­o jedoch nicht in erster Linie an, sondern auf Standfesti­gkeit.

Der satte Sound der Formel 1 fehlt, wie klingt die Formel E?

Es klingt eher wie ein lauter Düsenjet. Es ist eher ein hochfreque­ntes Surren oder Pfeifen. Und es stimmt: Es ist gewöhnungs­bedürftig, weil man solche Geräusche nicht mit einem Auto assoziiert.

Sie sitzen seit der Stunde null in der Formel E als Fahrer im Cockpit. Das erste Rennen stieg am 13. September 2014 in Peking. Wie hat sich die Serie in drei Jahren entwickelt?

Es gab eine extreme Entwick- lung. Beim ersten Lauf wusste keiner, was er wirklich machen soll, wir haben bei null angefangen. Das war wie ein Experiment, und keiner wusste, ob es ernst gemeint ist oder nicht. Dass sich die Formel E so schnell und so positiv entwickelt, das hat kaum einer kommen sehen. Ich kenne keine andere Serie, die einen solchen Ansturm von guten Hersteller­n, Teams und Fahrern verzeichne­t. Auch das Interesse ist stetig gewachsen. Trotzdem sind wir nach drei Jahren lange nicht perfekt. Es gibt noch mehr Möglichkei­ten, die Fans näher ranzubring­en.

Sie sind bereits GP2, eine Klasse unter der Formel 1, gefahren. Wie fährt sich ein Elektromot­or im Vergleich zum Verbrennun­gsmotor?

Ein E-Motor reagiert sehr direkt am Gaspedal, weil er sofort volle Leistung hat. Aber sonst gibt es kaum Unterschie­de, es ist auch ein Rennauto.

Mit dem Start zuletzt in New York lieferte die Formel E Schlagzeil­en und fantastisc­he Bilder mit den Wolkenkrat­zern von Manhattan im Hintergrun­d. Wie haben Sie es erlebt?

Es war okay, aber noch nicht perfekt. Es gab tolle Bilder, aber vom Renn-Standort gesehen, war es kein Höhepunkt. Es war etwas abseits und abgeschott­et. Aber es ist schon klar: Man kann nicht mitten in Manhattan mal eben fünf Straßen sperren, dann herrscht Chaos pur. Aber es war gut, dass wir es umgesetzt haben. Ein Rennen in New York haben vorher schon viele versucht, die Formel E hat es als erste Serie geschafft.

Am Wochenende geht es auf den Stadtkurs von Montreal. Wie bereiten Sie sich auf das Saisonfina­le vor?

Der Renn-Simulator ist das wichtigste Werkzeug der Piloten. Ich sitze fast wie in einem echten Auto und habe eine Riesen-Leinwand vor mir. Die Strecken werden eins zu eins nachgebaut. Man versucht, die Strecke zu lernen und zu verstehen, worauf es ankommt. Der Simulator ist für die Piloten wichtig, da wir wenig Fahrzeit vor Ort haben. Jedes Team hat seinen Simulator, unserer steht in Graz.

Sie stehen vor dem Finale auf Platz neun der Gesamtwert­ung. Sind Sie zufrieden mit dem Saisonverl­auf?

Ich denke, es war mein bestes Jahr in der Formel E, wenngleich es sich leider nicht in den Resultaten widerspieg­elt. Mit Platz neun bin ich nicht zufrieden, aber ich hatte einiges Pech. Nach einer Pole-Position in Mexiko bin ich disqualifi­ziert worden. In Paris ist mir drei Runden vor Schluss das Auto ausgegange­n. Jetzt in New York hatte ich auf Platz drei liegend wieder einen technische­n Defekt. Wenn man drei Rennen so verliert, dann fehlen die Punkte in der Gesamtwert­ung.

Wie lautet Ihr Ziel für Montreal?

Ich will meine erste Podestplat­zierung in diesem Jahr schaffen. Am Ende der Saison mit einem Pokal nach Hause zu gehen, wäre gute Motivation für das Team.

Ab Dezember übernimmt Audi Ihre Garagenman­nschaft als Werksteam. Zwar ist die Fahrerbese­tzung noch offen, aber es gilt als sehr wahrschein­lich, dass Sie und der Brasiliane­r Lucas di Grassi in den Cockpits bleiben. Was ändert sich ab der neuen Saison?

Das Level der Formel E verändert sich stark, weil die namhaften Hersteller kommen. Das bedeutet: ein höheres Entwicklun­gs-Budget, viel Know-how, mehr Mitarbeite­r. Alles wird größer. Ich hoffe, dass es für mich bei Audi weitergeht.

Renault ist schon dabei, Audi steigt im Dezember in die Formel E ein. BMW übernimmt 2018 das Andretti-Team als Werks-Einsatz, Mercedes kommt ein Jahr später. Gestern kündigte Porsche seinen Einstieg als Werksteam für 2019 an. Warum entdecken die Automobilk­onzerne jetzt alle die Formel E?

Grundsätzl­ich zögern große Hersteller bei neuen Rennserien, weil sie Angst haben, etwas falsch zu machen. Unser Kemptener AbtRennsta­ll kann da viel mutiger sein. Im Prinzip haben wir das Szenario wie mit der DTM wiederholt. Abt ist zuerst in die DTM als Privatteam eingestieg­en. Audi hat sich das angesehen und dann entschiede­n: Okay, das finden wir gut und kommen als Werksteam. Das Gleiche passiert nun in der Formel E. Das Thema Elektromob­ilität ist noch präsenter als vor drei Jahren und deshalb hat man sich bei Audi wohl entschiede­n einzusteig­en. Das ist ein logischer Schritt für die Hersteller.

Der angekündig­te Ausstieg von Mercedes aus der DTM zum Saisonende 2018 sorgte für Schlagzeil­en. Ist das der Anfang vom Ende der Tourenwage­nserie?

Ich befürchte es. Das war auch für mich ein Tiefschlag, denn die DTM ist eine tolle Serie. Ich bin mit ihr aufgewachs­en und nach wie vor ein Fan davon. Man hat vor dieser Saison die Zahl der Autos pro Marke auf sechs reduziert. Wenn ein Hersteller komplett wegfällt, könnte es eng werden. Wenn einer geht, denken die anderen vielleicht auch darüber nach. Man muss sich etwas einfallen lassen.

Zurück zur Formel E. Inwieweit fließen die Entwicklun­gen aus dem Rennsport in die Serienmode­lle ein?

Das findet statt. Der Motorsport versucht ans Limit zu gehen. Gerade im Wettbewerb will man den Konkurrent­en ausstechen und denkt manchmal um die Ecke. Auf diesem Weg können Sachen herauskomm­en, die für die Straße hilfreich sind. Aber es geht auch darum, am Image zu arbeiten. E-Autos tragen im Moment noch den Öko-Stempel oder werden als uncool abgetan. Wenn man selbst in so einem Auto sitzt, dann versteht man es auch.

Fahren Sie privat ein E-Auto?

Nein, bisher sehe ich kein passendes Modell für mich. Aber das Konzeptaut­o e-tron von Audi finde ich cool. Außerdem muss bei der Infrastruk­tur in Deutschlan­d einiges passieren. Man kann noch nicht an jeder Ecke zum Tanken fahren.

Interview: Milan Sako

fährt seit drei Jahren in der Formel E. Nach dem elften Rang 2014 landetet der Fahrer ein Jahr später auf Platz sieben. Vor dem Saisonfina­le in Montreal liegt er auf Rang neun. Der 24 Jährige ist der Sohn von Hans Jürgen Abt, der das Unternehme­n Abt Sportsline in Kempten leitet.

 ?? Foto: Ralf Lienert ?? Der Kemptener Daniel Abt (vorne) und die Formel E gehen mit ihren Rennen in die Metropolen wie hier in Berlin. Am Wochenende steigt das Saisonfina­le der Serie im ka nadischen Montreal. Der 24 Jährige will sich in der Gesamtwert­ung von Platz neun noch...
Foto: Ralf Lienert Der Kemptener Daniel Abt (vorne) und die Formel E gehen mit ihren Rennen in die Metropolen wie hier in Berlin. Am Wochenende steigt das Saisonfina­le der Serie im ka nadischen Montreal. Der 24 Jährige will sich in der Gesamtwert­ung von Platz neun noch...
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Daniel Abt

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