CSU reagiert auf die Friedhofsaffäre
Gerd Koller, der in illegale Geschäfte auf dem Nordfriedhof verwickelt sein soll, will sein Amt bei der Innenstadt-CSU ruhen lassen. Warum Parteikollegen scharfe Kritik üben
Es gab Leute im Innenstadt-Ortsverband der CSU, die vor dem Debakel gewarnt haben. Als Gerd Koller, 65, sich in der vorigen Woche zum neuen Ortsvorsitzenden wählen ließ, ergriff der CSU-Stadtrat Marc Zander das Wort. Er merkte an, dass Koller wegen der Ermittlungen in der Friedhofsaffäre belastet sei. Auch der Kreisvorsitzende der Partei im Augsburger Westen, Leo Dietz, warnte die Parteifreunde in der Innenstadt in den Tagen vor der Wahl vor dem Schaden in der Öffentlichkeit, den die Friedhofsaffäre für die Partei anrichten könnte.
Gerd Koller kandidierte dennoch. Und mit ihm für den Vorstand weitere Männer, die in die Affäre verwickelt sind. Sie wurden von der großen Mehrheit der Mitglieder gewählt. Nun aber hat die Staatsanwaltschaft Anklage gegen Koller erhoben, weil er als Verwalter des städtischen Nordfriedhofs in illegale Geschäfte seiner Mitarbeiter verwickelt gewesen sein soll. Im Kern geht es bei den Vorwürfen darum, dass die Friedhofsarbeiter während normalen Dienstzeit schwarzgearbeitet und damit in die eigene Tasche gewirtschaftet haben sollen. Koller soll das, so die Ansicht der Ermittler, als Verwalter geduldet und teils sogar unterstützt haben.
Augsburgs CSU-Chef Johannes Hintersberger ging am Freitag deutlich auf Distanz zu Koller und weiteren Vorstandsmitgliedern, die jetzt in der Affäre angeklagt worden sind. Hintersberger sagte unserer Zeitung, er habe Koller nahegelegt, sein Amt als Vorsitzender der Innenstadt-CSU so lange ruhen zu lassen, bis ein Urteil gefallen ist. „Ich habe Herrn Koller am Freitagvormittag angerufen, nachdem ich mich zuvor mit dem Bezirksvorstand besprochen hatte“, sagte Hintersberger. Zum Zeitpunkt der Wahl Kollers sei lediglich bekannt gewesen, dass gegen ihn und weitere Friedhofsmitarbeiter ermittelt wird. „Wenn nun Anklage erhoben ist, geht das natürlich weiter.“
Koller selbst äußerte sich am Freitag nicht zur aktuellen Entwicklung. Laut Hintersberger will der Ortsvorsitzende für Montag aber eine außerordentliche Sitzung des Vorstands einberufen. Hintersber- ger geht davon aus, dass Koller und sein mitangeklagter Stellvertreter, der als Schlüsselfigur der mutmaßlichen Betrügereien gilt, danach bekannt geben, dass sie ihre Ämter vorläufig ruhen lassen. Bis zu einem Urteil könnten zwei weitere Stellvertreter die Geschäfte der Innenstadt-CSU führen.
Deutliche Worte wählt der Kreisvorsitzende der CSU im Westen der Stadt, Leo Dietz. „Es ist erschreckend, dass durch solche schlechten Nachrichten die gute Arbeit, welche die Partei derzeit in Augsburg leistet, in den Hintergrund tritt“, sagte er. Er hält es für einen Fehler, dass Gerd Koller für das Amt des Vorsitzenden kandidierte – auch wenn bis zu einer möglichen Verurteilung die Unschuldsvermutung gelten müsse. Im Vorfeld der Wahl habe man ihm versichert, dass an den Vorwürfen nichts dran sei, so Dietz. Die Anklage nun sei aber ein „gravierendes Ereignis“. Dass er mit einer Reihe von Aktiven im Innenstadt-Ortsder verband im Moment nicht einer Meinung ist, daraus macht er keinen Hehl. Er sei verblüfft, sagt er, über die „kontinuierlichen Fehleinschätzungen“in diesem Ortsverband.
Der vor einigen Wochen gescheiterte Versuch, Leo Dietz als Kreisvorsitzenden zu stürzen, war auch aus den Reihen der Innenstadt-CSU mit organisiert worden. Der bisherige Ortsvorsitzende, Thorsten Große, hatte die Gegenkandidatin Iris Steiner unterstützt. Große und seine Mitstreiter wurden nach dem gescheiterten Putsch vom Dietz-Lager politisch abgestraft. Sie gingen bei weiteren Abstimmungen während der Kreisversammlung leer aus.
Deshalb entschied Große sich dazu, sein Amt aufzugeben. An der Nominierung und Wahl von Gerd Koller als Nachfolger soll auch Rolf von Hohenhau beteiligt gewesen sein. Der langjährige Stadtrat und Ehrenvorsitzende der West-CSU gilt als einflussreicher Strippenzieher in der Partei. Allerdings hat sein Lager zuletzt deutlich an Gewicht verloren. Mehrere von ihm geförderte Politiker konnten sich in der Augsburger CSU politisch letztlich nicht durchsetzen. »Kommentar
Die schlechten Nachrichten aus dem CSU-Ortsverband Innenstadt reißen nicht ab: Der Vorsitzende und sein Stellvertreter sind wegen Betrugs und Unterschlagung angeklagt, gegen ein weiteres Mitglied hat das Amtsgericht jetzt einen Strafbefehl wegen Trunkenheit am Steuer und Unfallflucht verhängt. Schuldbewusstsein scheint in beiden Fällen kaum vorhanden zu sein: Rolf von Hohenhau hatte nach dem Vorfall, der ihm jetzt eine Geldstrafe einbrachte, zunächst behauptet, gar nicht selbst gefahren zu sein. Die Strafe habe er nach Aussage seines Sprechers Ralf Schneider nur akzeptiert, um den Fall zügig abzuschließen und einen öffentlichen Prozess zu vermeiden, der „für einen Mann in Herrn von Hohenhaus’ Position als Chef des Bunds der Steuerzahler“unangenehm hätte sein können. Echte Einsicht sieht anders aus, und dies trifft offenbar auch auf Ortsverbandschef Koller zu, gegen den in der Friedhofsaffäre Anklage erhoben wurde. Dass er sein Amt vorerst ruhen lässt, geschieht offenbar nur auf Druck von Parteichef Hintersberger. Der tat gut daran, einzuschreiten. Denn auch wenn es nur um Verfehlungen einiger weniger geht, steht das Image der ganzen Augsburger CSU auf dem Spiel.
Parteimitglieder hatten vor der Wahl gewarnt