Aichacher Nachrichten

Der neue Trainer Tedesco zeigt Demut

Wie Schalke nach einer ernüchtern­den Saison wieder für gute Stimmung sorgen will – (Serie, Teil neun)

- JÜRGEN BECKGERD

Die Zeiten werden ruhiger in Gelsenkirc­hen. Sprach man vor wenigen Jahren noch von Schalke als der möglichen „dritten Kraft“in der Bundesliga, sind die Erwartunge­n und Hoffnungen kleiner, die Befürchtun­gen aber größer geworden. Vor allem nach dem zehnten Tabellenpl­atz zum Abschluss der vergangene­n Spielzeit. Spätestens damit hatten Sportvorst­and Christian Heidel und Trainer Markus Weinzierl jegliche Euphorie versenkt.

Was war schlecht in der vergangene­n Saison? Nicht nur der Tabellenpl­atz, nachdem die Knappen in den sieben Jahren zuvor immer die europäisch­en Wettbewerb­e erreicht hatten. Die Fans hielten zwar die Saison über still, aber für die traditione­ll gefühlsbes­offene Atmosphäre auf Schalke ist die Ernüchteru­ng nicht gut. Zudem: Chelsea-Leihgabe Abdul Rahman Baba verletzt, Coke und Breel Embolo ebenfalls – das riss Lücken in den ohnehin kurzfristi­g zusammenge­schusterte­n Kader.

Was wird besser? Personell kann es nur besser werden; ohnehin hatte Heidel recht, als er angesichts der Verletzten­misere trotzdem im Winter erklärte: „Jetzt einen Kader aufzublähe­n, der uns dann im Sommer einschränk­t, das werden wir nicht tun.“Heidels Weitsicht zahlt sich aus. Zumindest, was den Kader angeht.

Rentiert sich Weinzierls Rauswurf für Schalke? Zumindest war er aus unterschie­dlichen Betrachtun­gsweisen berechtigt: Die Mannschaft zeigte kaum systemisch­e geschweige denn spielerisc­he Entwicklun­gen und schon gar keine Konstanz.

Und der Neue richtet’s nun? Abwarten, wie Domenico Tedesco, der von Zweitligis­t Aue kam und dort bei gerade zwei Handvoll Profispiel­en Regie führte, einschlägt. Bei seiner Vorstellun­g grüßte der erst 31-Jährige stilvoll mit „Glück auf“. Das passte schon mal. Er wolle „mit Demut“an die Schalker Sache herangehen, sagte Tedesco, und: „Es sollte schon so sein, dass man unsere Mannschaft auch ohne Trikots an ihrem Spielstil erkennen könnte.“Der Coach kommt gut an, wirkt zudem kompetent.

Bringen die Schalke voran?

Neuverpfli­chtungen Die Hoffnung darauf ist groß. Bei der China-Werbe-Tour überzeugte­n die Schalker gegen Besiktas Istanbul (3:2) und Inter Mailand (1:1). Eigengewäc­hs Luke Hemmerich war „der Gewinner der Vorbereitu­ng“, wie zu hören war. Der 19-jährige Mittelfeld­spieler spielte sich genauso in den Fokus wie der gleichaltr­ige Weston McKennie aus der Dallas Academy. Amine Harit (der 20-jährige Tempofußba­ller wie einst Leroy Sané kam vom FC Nantes) gilt als Offensiv-Belebung – der Spanier Pablo Insúa als Anwärter auf die Innenverte­idiger-Position neben den bekannten Naldo, Höwedes und Matija Nastasic. Und auch Breel Embolo gilt für Tedesco als Neuzugang: Der Schweizer, gebürtig aus Kamerun, verletzte sich im Oktober 2016 schwer und greift nun wieder an. Last but not least gilt Abwehrreck­e Bastian Oczipka (146 Bundesliga­spiele, kam von Eintracht Frankfurt) auf der linken Abwehrseit­e als Ersatz für den nach England gewechselt­en Sead Kolasinac als gesetzt.

Bleibt Leon Goretzka, um den die Bayern schon lange buhlen? Da gilt Heidels „Basta“. Der Beste im Nationalte­am beim Confed-Cup spielt weiter auf Schalke. Wohnvierte­l zum Opfer fallen, hat sich zum zweiten großen olympische­n Problem ausgewachs­en. Die Bewohner der Olympiastä­dte sind oft nicht mehr bereit, diesen Preis zu bezahlen. Sie wählen die Spiele ab. Wie Hamburg, das sich knapp gegen eine Bewerbung für 2024 entschiede­n hat.

Beinahe märchenhaf­t erklingt vor diesem Hintergrun­d die Nachricht von der Vergabe der Spiele an Paris (2020) und Los Angeles (2024). Zwei Städte mit Olympia-Vergangenh­eit, beide mit der Aussicht auch in einigen Jahren noch die Menschenre­chte zu achten und politisch stabil zu sein und beide können auf bestehende Wettkämpfs­tätten zurückgrei­fen. Dass die Amerikaner den Franzosen den Vortritt gelassen haben, obwohl sie selbst gerne vier Jahre früher dran gewesen wären, hat beinahe Züge des olympische­n Gedankens. Ehe man aber von so viel Sportsgeis­t gerührt, die Welle macht, sei gesagt, dass sich Los Angeles seinen Großmut mit 1,8 Milliarden Euro aus der Olympia-Kasse hat entlohnen lassen. Im Zeichen der Ringe läuft nichts ohne Geld. Das ist der wahre Kern des olympische­n Gedankens.

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Domenico Tedesco

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