Die Luft wird knapp
„Traumwäscherei“macht Angst greifbar
So voll war es im Sensemble noch nie, jedenfalls nicht auf der Bühne. Ein Sammelsurium aus Dingen drängt sich dort in „Traumwäscherei“und stimmt die 70 Zuschauer auf Sicherheits-, Orientierungs-und Ordnungsverlust ein: mit Obstkisten, einem Brennofen, einer provisorischen Unterkunft aus Plastikplanen. Vier riesige schwarze Reifen hängen an dem Käfig, der ein Unterschlupf ist. Doch das wichtigste Stück ist der gerillte gelbe Industrieschlauch. Die beiden Arbeiter (Florian Fisch, Daniela Nehring) hetzen mit einer Babybadewanne voller Müll hin und her. Ohrenbetäubender Fabriklärm schallt aus Lautsprechern. Der Müll muss in den Ofen, sonst kommt es zur Katastrophe. Sie verbrennen giftige Abfälle. In Abständen stürzen sie zum Schlauch. Er ist überlebenswichtig, nur durch ihn bekommen sie Sauerstoff. Der Mann muss husten. Zwischendurch Erholung für beide in dem Plastikkäfig. „Ich brauche einen Platz zum Atmen, aber Gott hat mich verlassen oder ich ihn“, stöhnt er erschöpft. Es ist ein elendes Leben. Der Sauerstoff ist die Währung, für die sie kämpfen wollen.
Ein Erzähler (Birgit Linner) berichtet: „Die Insel ist zu klein für all diese Toten.“Die beiden Verzweifelten bauen aus ihrer Unterkunft ein Boot. „Die Flüchtlinge kommen in einem Land an, das sie für ein Stück Erde höherer Ordnung halten“, kommentiert der Erzähler als Polizist. Der Mann darf rein, sie fällt unter „Obergrenze“.
Das Stück, das Oleg Melnichuk, 41, als diesjähriger Artist in Residence des Künstlerkollektivs Hoher Weg und des Sensemble Theaters in den letzten sechs Wochen erarbeitet hat, ist dauernd laut und dauernd Drama. Die drei Darsteller erfüllen hohe Ansprüche, bringen Höchstleistung in Sport und Sprache. Ein Glück, dass Regisseur Melnichuk der komischen Seite Linners wohl dosiert Raum lässt.
Melnichuk ist Leiter des Theaterlabors Czernowitz in der Westukraine und gilt als innovativ. Das Sensemble Theater, das ihn für das Projekt im Rahmen des Friedensfestes ausgewählt hat, wird jetzt die Tournee des Stücks im nächsten Frühjahr mitorganisieren. Dafür werden dann nicht nur die Schauspieler, sondern jedes Requisit, auch die Briefkästen, die Reifen und der gelbe Schlauch auf die Reise gehen.