Aichacher Nachrichten

Wurde der AVV um Millionen betrogen?

Die Staatsanwa­ltschaft ermittelt, ob private Busunterne­hmer durch illegale Absprachen den Wettbewerb bei der Vergabe von Linien umgangen haben. Wenn ja, wären die Fahrpreise­rhöhungen für die Kunden wohl niedriger ausgefalle­n

- VON JÖRG HEINZLE

Gab es in der Busbranche in der Region über Jahre hinweg illegale Absprachen mit dem Ziel, die Gewinne der beteiligte­n Firmen nach oben zu schrauben? Seit bereits über einem Jahr geht die Staatsanwa­ltschaft Augsburg diesem Verdacht nach. Im Visier der Ermittler sind dabei vor allem die Regionalbu­s Augsburg GmbH (RBA) sowie deren Besitzer. Die meisten Anteile an der RBA halten rund ein Dutzend private Busunterne­hmer. In diesem Kreis soll aufgeteilt worden sein, welche Busfirma für welche Linien beim Augsburger Verkehrsve­rbund ein Angebot abgibt.

Durch das Ausschalte­n des Wettbewerb­s soll es den Firmen gelungen sein, vom AVV deutlich mehr Geld für den Betrieb der Linien zu bekommen. Der Schaden, so wird derzeit in Branchenkr­eisen spekuliert, könnte in die Millionen gehen. Die Betrogenen wären der Staat und die Kommunen, die die Verluste des Nahverkehr­s mit viel Geld ausgleiche­n – und über die Ticketprei­se auch die Fahrgäste des AVV. Aktuell ermittelt die Staatsanwa­ltschaft noch immer gegen über 20 Personen. Das bestätigte Oberstaats­anwalt Matthias Nickolai auf Nachfrage. Nach Informatio­nen unserer Redaktion wurden die Untersuchu­ngen sogar noch ausgeweite­t.

Überprüft wird nicht alleine die Vergabe von AVV-Buslinien. Die Ermittler gehen inzwischen auch der Frage nach, ob es Preisabspr­achen bei den Ausschreib­ungen von Schulbusli­nien gab. Auch hier geht es um große Aufträge und damit um viel Geld für die Busunterne­hmen. Vor einigen Wochen besuchten Ermittler deshalb das Landrastam­t in Augsburg. Sie ließen sich dort die Akten von mehreren großen Schulbus-Ausschreib­ungen geben. Die sichergest­ellten Dokumente werden jetzt geprüft. Unterlagen haben sich die Fahnder auch noch bei einer Behinderte­neinrichtu­ng im Landkreis Günzburg geholt. Auch hier geht es um die Frage, ob bei der Vergabe von Transportf­ahrten der Wettbewerb durch Absprachen eingeschrä­nkt worden ist.

Abschluss des Ermittlung­sverfahren­s – das vor einem Jahr mit einer Razzia in den RBA-Räumen an der Eichleitne­rstraße in Augsburg erstmals für Aufsehen sorgte – ist derzeit noch nicht absehbar. „Wir sind wie in jedem Verfahren bemüht, es so rasch wie möglich voranzutre­iben“, sagt Oberstaats­anwalt Matthias Nickolai. Die Ermittlung­en seien aber sehr komplex. In Kartellver­fahren setzen die Ermittler oft darauf, dass ein Unternehme­n die Vorwürfe einräumt und die Untersuchu­ngen dadurch unterstütz­t. In der Branche wird darüber spekuliert, dass es eine Busfirma geben könnte, die das bereits tut. Ob das der Fall ist oder nicht, will die Staatsanwa­ltschaft derzeit aber nicht kommentier­en – auch, um die Ermittlung­en nicht zu gefährden.

Der Verdacht gegen die Regionalbu­s Augsburg GmbH und die daran beteiligte­n Unternehme­r wurde vor rund einem Jahr bekannt. Damals, im Juni 2016, durchsucht­en Ermittler die RBA-Zentrale in Augsburg sowie die Geschäftsr­äume von Busunterne­hmern an mehreren Orten in Schwaben. Dabei soll belastende­s Material gefunden worden sein. Offenbar gab es nicht nur Absprachen unter den RBA-Eignern. Die Ermittler vermuten auch, dass auch weitere Busunterne­hmer, die als Subunterne­hmer von der RBA Aufträge erhalten haben, unter Druck gesetzt worden sein könnten. Nach dem Motto: Wer sich eigenständ­ig für Buslinien bewirbt, der bekommt – quasi zur Strafe – keine Aufträge mehr von der RBA.

Durch die Neuvergabe von AufEin trägen versucht der AVV seit einiger Zeit, Kosten zu senken. Dieser Prozess, der bis 2021 abgeschlos­sen sein soll und schon mehrfach zu erhebliche­m Streit geführt hat, ist ein Teil der Reformbest­rebungen innerhalb des Verkehrsve­rbundes, der von der Stadt Augsburg sowie den Kreisen Augsburg, Aichach-Friedberg und Dillingen getragen wird. In den neuen Ausschreib­ungen setzte der AVV nicht nur ein einheitlic­hes Erscheinun­gsbild der Busse durch, sondern auch günstigere Preise.

AVV-Geschäftsf­ührer Olaf von Hoerschelm­ann bezifferte die Einsparung­en auf rund drei Millionen Euro im Jahr. Er wertete es auch als Erfolg, dass die große Marktmacht einzelner Unternehme­n gebrochen worden sein. Gemeint hat er die RBA, die früher über 60 Prozent der Linien bediente. Der Anteil liegt jetzt weit unter 50 Prozent. Beobachter sahen allerdings kritisch, dass statt der RBA in vielen Fällen nun eben die einzelnen Anteilseig­ner des Unternehme­ns zum Zug kamen.

Die RBA gehörte einst zur Deutschen Bahn. Sie wurde vor 20 Jahren privatisie­rt und ging – mit Unterstütz­ung aus der Politik – überwiegen­d an regionale Busunterne­hmer. Kleinere Anteile halten auch Kommunen. Trotz der Kartellerm­ittlungen ist der RBA zuletzt gelungen, sich lukrative Aufträge zu sichern. So wurde der komplette Linienverk­ehr im Altlandkre­is Dillingen an die Schwabenbu­s GmbH vergeben – ein Tochterunt­ernehmen der RBA. In der Branche heißt es, es habe sich dafür nur die Schwabenbu­s GmbH beworben.

Vor einem Jahr sorgte eine Razzia für Aufsehen

 ?? Archivfoto: Silvio Wyszengrad ?? Die Verantwort­lichen der Regionalbu­s Augsburg GmbH – kurz: RBA – und deren Eigentümer sind im Visier der Augsburger Staatsanwa­ltschaft: Sie geht der Frage nach, ob die privaten Busunterne­hmer durch illegale Absprache beim Verkehrsve­rbund höhere Preise...
Archivfoto: Silvio Wyszengrad Die Verantwort­lichen der Regionalbu­s Augsburg GmbH – kurz: RBA – und deren Eigentümer sind im Visier der Augsburger Staatsanwa­ltschaft: Sie geht der Frage nach, ob die privaten Busunterne­hmer durch illegale Absprache beim Verkehrsve­rbund höhere Preise...

Newspapers in German

Newspapers from Germany