Wurde der AVV um Millionen betrogen?
Die Staatsanwaltschaft ermittelt, ob private Busunternehmer durch illegale Absprachen den Wettbewerb bei der Vergabe von Linien umgangen haben. Wenn ja, wären die Fahrpreiserhöhungen für die Kunden wohl niedriger ausgefallen
Gab es in der Busbranche in der Region über Jahre hinweg illegale Absprachen mit dem Ziel, die Gewinne der beteiligten Firmen nach oben zu schrauben? Seit bereits über einem Jahr geht die Staatsanwaltschaft Augsburg diesem Verdacht nach. Im Visier der Ermittler sind dabei vor allem die Regionalbus Augsburg GmbH (RBA) sowie deren Besitzer. Die meisten Anteile an der RBA halten rund ein Dutzend private Busunternehmer. In diesem Kreis soll aufgeteilt worden sein, welche Busfirma für welche Linien beim Augsburger Verkehrsverbund ein Angebot abgibt.
Durch das Ausschalten des Wettbewerbs soll es den Firmen gelungen sein, vom AVV deutlich mehr Geld für den Betrieb der Linien zu bekommen. Der Schaden, so wird derzeit in Branchenkreisen spekuliert, könnte in die Millionen gehen. Die Betrogenen wären der Staat und die Kommunen, die die Verluste des Nahverkehrs mit viel Geld ausgleichen – und über die Ticketpreise auch die Fahrgäste des AVV. Aktuell ermittelt die Staatsanwaltschaft noch immer gegen über 20 Personen. Das bestätigte Oberstaatsanwalt Matthias Nickolai auf Nachfrage. Nach Informationen unserer Redaktion wurden die Untersuchungen sogar noch ausgeweitet.
Überprüft wird nicht alleine die Vergabe von AVV-Buslinien. Die Ermittler gehen inzwischen auch der Frage nach, ob es Preisabsprachen bei den Ausschreibungen von Schulbuslinien gab. Auch hier geht es um große Aufträge und damit um viel Geld für die Busunternehmen. Vor einigen Wochen besuchten Ermittler deshalb das Landrastamt in Augsburg. Sie ließen sich dort die Akten von mehreren großen Schulbus-Ausschreibungen geben. Die sichergestellten Dokumente werden jetzt geprüft. Unterlagen haben sich die Fahnder auch noch bei einer Behinderteneinrichtung im Landkreis Günzburg geholt. Auch hier geht es um die Frage, ob bei der Vergabe von Transportfahrten der Wettbewerb durch Absprachen eingeschränkt worden ist.
Abschluss des Ermittlungsverfahrens – das vor einem Jahr mit einer Razzia in den RBA-Räumen an der Eichleitnerstraße in Augsburg erstmals für Aufsehen sorgte – ist derzeit noch nicht absehbar. „Wir sind wie in jedem Verfahren bemüht, es so rasch wie möglich voranzutreiben“, sagt Oberstaatsanwalt Matthias Nickolai. Die Ermittlungen seien aber sehr komplex. In Kartellverfahren setzen die Ermittler oft darauf, dass ein Unternehmen die Vorwürfe einräumt und die Untersuchungen dadurch unterstützt. In der Branche wird darüber spekuliert, dass es eine Busfirma geben könnte, die das bereits tut. Ob das der Fall ist oder nicht, will die Staatsanwaltschaft derzeit aber nicht kommentieren – auch, um die Ermittlungen nicht zu gefährden.
Der Verdacht gegen die Regionalbus Augsburg GmbH und die daran beteiligten Unternehmer wurde vor rund einem Jahr bekannt. Damals, im Juni 2016, durchsuchten Ermittler die RBA-Zentrale in Augsburg sowie die Geschäftsräume von Busunternehmern an mehreren Orten in Schwaben. Dabei soll belastendes Material gefunden worden sein. Offenbar gab es nicht nur Absprachen unter den RBA-Eignern. Die Ermittler vermuten auch, dass auch weitere Busunternehmer, die als Subunternehmer von der RBA Aufträge erhalten haben, unter Druck gesetzt worden sein könnten. Nach dem Motto: Wer sich eigenständig für Buslinien bewirbt, der bekommt – quasi zur Strafe – keine Aufträge mehr von der RBA.
Durch die Neuvergabe von AufEin trägen versucht der AVV seit einiger Zeit, Kosten zu senken. Dieser Prozess, der bis 2021 abgeschlossen sein soll und schon mehrfach zu erheblichem Streit geführt hat, ist ein Teil der Reformbestrebungen innerhalb des Verkehrsverbundes, der von der Stadt Augsburg sowie den Kreisen Augsburg, Aichach-Friedberg und Dillingen getragen wird. In den neuen Ausschreibungen setzte der AVV nicht nur ein einheitliches Erscheinungsbild der Busse durch, sondern auch günstigere Preise.
AVV-Geschäftsführer Olaf von Hoerschelmann bezifferte die Einsparungen auf rund drei Millionen Euro im Jahr. Er wertete es auch als Erfolg, dass die große Marktmacht einzelner Unternehmen gebrochen worden sein. Gemeint hat er die RBA, die früher über 60 Prozent der Linien bediente. Der Anteil liegt jetzt weit unter 50 Prozent. Beobachter sahen allerdings kritisch, dass statt der RBA in vielen Fällen nun eben die einzelnen Anteilseigner des Unternehmens zum Zug kamen.
Die RBA gehörte einst zur Deutschen Bahn. Sie wurde vor 20 Jahren privatisiert und ging – mit Unterstützung aus der Politik – überwiegend an regionale Busunternehmer. Kleinere Anteile halten auch Kommunen. Trotz der Kartellermittlungen ist der RBA zuletzt gelungen, sich lukrative Aufträge zu sichern. So wurde der komplette Linienverkehr im Altlandkreis Dillingen an die Schwabenbus GmbH vergeben – ein Tochterunternehmen der RBA. In der Branche heißt es, es habe sich dafür nur die Schwabenbus GmbH beworben.
Vor einem Jahr sorgte eine Razzia für Aufsehen