Aichacher Nachrichten

Völlern bis zum Umfallen

Der Augsburger Historiker Martin Kaufhold erklärt, wie die Menschen im Mittelalte­r gefeiert haben

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Krankheite­n, Armut, Hungersnöt­e – im Mittelalte­r war das Leben für viele Menschen nicht so angenehm, wie man sich das heute vorstellt. Wie häufig wurde damals gefeiert?

Kaufhold: Das einfache Volk hat vor allem religiöse oder jahreszeit­liche Feste gefeiert. Ansonsten mussten die Menschen sehr viel arbeiten, um ihren Lebensunte­rhalt zu sichern. Auf der höfischen Ebene war das anders. Wenn der König durch die Lande reiste, gab es regelmäßig Hoftage, bei denen gefeiert wurde.

Wie liefen solche Feste ab?

Kaufhold: Könige mussten im Mittelalte­r ihre Großzügigk­eit unter Beweis stellen. Sie gaben bei Hoftagen mit vollen Händen Geld aus, um hemmungslo­s zu feiern. Dabei wurde auch so viel gegessen, dass die Völlerei nicht selten gesundheit­liche Folgen für die Beteiligte­n hatte. Das häufige übermäßige Essen ging auf Kosten der Gesundheit und konnte auch bei jüngeren Herrschern bis zum Tod führen.

Was wurde bei mittelalte­rlichen Festen gegessen und getrunken?

Kaufhold: Mit Sicherheit gab es damals keine Kartoffeln, wie man sie bei heutigen Mittelalte­rfesten häufig auf der Speisekart­e findet. Kartoffeln wurden erst später von den spanischen Eroberern aus Südamerika nach Europa eingeführt. Man kann aber davon ausgehen, dass bei Festen vor allem viel Fleisch aufgetisch­t wurde, denn im Alltag musste sich die ärmere Bevölkerun­g vor allem von Getreidebr­ei ernähren. Zu trinken gab es, je nach Region, verschiede­ne Formen von Bier oder Wein. Aus heutiger Sicht dürften diese vergorenen Getränke aber nicht besonders gut geschmeckt haben. Schon das Trinkwasse­r war oft sehr schlecht.

Was war bei Ritterspie­len geboten?

Kaufhold: Ritterspie­le waren damals echte Spektakel. Bei den Turnieren wurde aber nur mit speziellen Waffen gekämpft, die niemanden ernsthaft verletzen konnten. Die rauschends­ten Ritterspie­le in der deutschen Geschichte wurden 1184 an Pfingsten von Kaiser Friedrich Barbarossa in Mainz ausgericht­et. Der Hoftag diente Barbarossa damals als Machtdemon­stration und gilt noch heute als gesellscha­ftlicher Höhepunkt seiner Zeit. Dort kamen Tausende von Rittern zusammen. Die Festlichke­iten sollten einige Tage andauern. Doch dazu kam es nicht mehr. Ein gewaltiger Sturm zog auf. Die historisch­en Quellen berichten von zahlreiche­n Toten. Wegen der Folgen des Unwetters wurde die Feier abgebroche­n.

Beim Historisch­en Bürgerfest werden auch diesmal wieder Gaukler unterwegs sein. Welche Rolle hatten sie im Mittelalte­r?

Kaufhold: Gaukler und Narren waren damals wichtig, um Geschichte­n zu erzählen. Sie sorgten für Unterhaltu­ng und Zerstreuun­g. Denn bis ins ausgehende Mittelalte­r konnten viele Menschen weder schreiben noch lesen. Bücher und Handschrif­ten wurden damals auch nicht zur Unterhaltu­ng geschriebe­n. Sie hatten sehr häufig religiöse Inhalte und waren in der Regel nicht für den privaten Gebrauch daheim gedacht. Bei Kerzenlich­t wäre es außerdem schwierig gewesen, länger darin zu lesen, wenn man lesen konnte.

Herr Professor Kaufhold, gehen Sie als Historiker auch zum Bürgerfest?

Kaufhold: Im echten Mittelalte­r würde ich nicht leben wollen. Auf das Historisch­e Bürgerfest in den Wallanlage­n gehe ich aber schon mal, wenn es passt.

Interview: Eva Maria Knab

Prof. Dr. Martin Kaufhold ist seit 2003 Ordinarius für Mittelalte­rliche Ge schichte an der Universi tät Augsburg

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Archivfoto: Kaya Bei Festen im Mittelalte­r wurde viel Fleisch aufgetisch­t.
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