Babyboom im Krankenhaus
Geburt In der Klinik kamen heuer bereits 230 Kinder zur Welt. Damit dürfte 2017 die gute Marke des Vorjahres deutlich geknackt werden. Was das mit dem Aus in Schrobenhausen zu tun hat und warum es trotzdem Zukunftsängste gibt
Im Krankenhaus Aichach kamen heuer schon 230 Kinder zur Welt. Was das Aus in Schrobenhausen damit zu tun hat und warum es dennoch Zukunftsängste gibt.
Das Aichacher Krankenhaus ist im Babyglück: In diesem Jahr wurden dort bereits 230 Kinder geboren. Setzt sich der positive Trend fort, dürften für 2017 noch bessere Zahlen herausspringen als für das bereits erfreuliche Vorjahr. 2016 wurden 318 Kinder gezählt. Trotz aller Freude: Der Babyzuwachs bringt eine Mehrbelastung für das Personal und bedeutet nicht, dass die Geburtshilfe in Aichach auf lange Sicht gesichert ist.
Der Geschäftsführer der Kliniken an der Paar, Dr. Krzysztof Kazmierczak, betont immer wieder: „Die Zukunft wird nicht leichter.“Seit Jahren verfolge die Politik die Absicht, Standorte zu zentralisieren, um damit Kosten zu sparen und eine vermeintlich höhere Qualität zu erzielen. Schon länger geistert die Vorgabe von mindestens 500 Geburten jährlich pro GeburtshilfeStation durch den Raum. Für das Krankenhaus in Friedberg wäre das mit knapp 700 Entbindungen pro Jahr kein Problem, aber Aichach würde dann wohl auf der Strecke bleiben. Dr. Sorin Turcu-Reiz ist neben Dr. Ronald Goerner einer der Belegärzte für Gynäkologie und Geburtshilfe am Aichacher Krankenhaus. Turcu-Reiz sieht die Entwicklung mit Sorge: „Wenn die Politik sagt, dass die Geburtshilfe in Aichach schließen muss, dann können wir nichts dagegen tun.“Dann würde Aichach wohl mit Friedberg zusammengelegt. Der Verlust sei aber riesig. Neben längeren Wegen könnte auch die Versorgung der Schwangeren darunter leiden, befürchtet der 55-Jährige. In Friedberg wurden in diesem Jahr bis dato 430 Kinder geboren – das sind 14 mehr als im Vorjahreszeitraum.
Dagmar Schmaus leitet die Praxis der Beleghebammen in Aichach. Sie will den Teufel in Sachen Zentralisierung nicht gleich an die Wand malen. „Ich arbeite seit 2003 in Aichach, seitdem schwebt dieses Damoklesschwert über der Geburtshilfe.“Dabei haben die derzeit sechs selbstständigen Hebammen mit unattraktiven Arbeitszeiten, geringer Vergütung und hohen Kosten für die Haftpflichtversicherung eigentlich schon genügend Sorgen. Immerhin: Der Babyboom am Krankenhaus kommt auch ihnen zugute, denn jede Geburt wird einbeiden zeln mit der Krankenkasse abgerechnet. Aber Schmaus betont: „In Aichach wird man auch mit 350 Geburten nicht reich.“Zumal die Belastung für die Hebammen steigt.
Die Versorgung der Mütter in der Klinik sei aber nach wie vor bestens gewährleistet. Nur bei der Nachsorge gebe es Engpässe. Aufgrund der steigenden Geburten kann nicht mehr jede Mutter nach der Geburt von einer der Beleghebammen betreut werden. Schmaus appelliert daher an die Betroffenen, sich frühzeitig um eine Nachsorge-Hebamme zu kümmern.
Wie sie hoffen auch Kazmierczak und Turcu-Reiz, dass der fertiggestellte Neubau des Krankenhauses ab etwa Mitte 2018 einen zusätzlichen Schub für die Geburtsstation bringen wird. „Vielleicht können wir dann sogar die 400er-Marke erreichen“, träumt Turcu-Reiz. Dass die aktuelle Steigerung der Geburtenzahlen stark mit der Schließung der Geburtshilfe im November 2016 am Schrobenhausener Krankenhaus zusammenhängt, bestreiten die Beteiligten nicht. Vor allem viele Frauen aus dem Raum Kühbach entbinden jetzt wieder in der Paarstadt, aber auch die Zahl der Frauen aus dem Stadtgebiet Aichach selbst ist gestiegen, wie Schmaus berichtet. „Wenn die Leistung in Aichach nicht stimmen würde, würden die Frauen auch nicht kommen“, betont Turcu-Reiz und will darauf hinaus, dass es mehrere Faktoren für den Aichacher Erfolg gebe.
Das gute Arbeitsklima, die glänzende Zusammenarbeit aller beteiligten Stellen und die „familiäre Atmosphäre“bei der Geburt machen die Klinik für den Belegarzt und Schmaus aus – und damit auch lange Arbeitszeiten und vergleichsweise geringen Verdienst wett. Laut Kazmierczak sind die Kliniken an der Paar bisher von größerem Personalmangel verschont geblieben. Renommierte Kliniken wie in Erding, Bad Tölz oder Bad Aibling mussten ihre Kreißsäle jüngst wegen Personalproblemen vorübergehend oder ganz schließen. Kazmierczak hofft, dass Aichach dieses Schicksal erspart bleibt.