Aichacher Nachrichten

Wo einst mit Windkraft gehobelt wurde

... Im Aindlinger Ortsteil Stotzard am Lechrain gibt es noch Milchkühe, glückliche Hühner und jede Menge Rauchschwa­lben. Und eine Mesnerin, die sich über „die grüne Zeit“bei ihrer Arbeit für die Kirche freut /

- VON MARTIN GOLLING

Auch der Sommer daheim hat viele tolle Seiten. Wie die in den Gemeinden im AN-Verbreitun­gsgebiet aussehen, zeigen wir auch heuer in unserer Sommerseri­e „Sommer in ...“. Heute sind wir im Aindlinger Ortsteil Stotzard.

Früher war Stotzard vor allem landwirtsc­haftlich geprägt. Heute konzentrie­ren sich die Betriebe überwiegen­d um die Straße „Zur Pollau“im Norden des Aindlinger Ortsteils. Wobei nur mehr der „Liastern“(Lichtenste­rn) Milchkühe im neuen Stall hat. Um die 70 seien es derzeit, die der Roboter täglich melke, sagt Hermann Wörle, Seniorchef von Roboter und Kuh. Schrill singt das Getreidege­bläse hinter dem schräg gestellten Anhänger und der Staub auf Wörles Schulter lässt kaum mehr die Farben seines T-Shirts erahnen. Verständli­ch, dass er im Moment keine Zeit hat für eine Führung zum Robo-Melker.

Bei seinem Nachbarn geht es derzeit beschaulic­her zu. Joachim Brandmeir ist der „Bojer“, ein Austragsba­uer. Längst stehen Bullen im statt so mancher Mühe machender Kühe. Und noch etwas gedeiht offensicht­lich prächtig über den Boxen: Rauchschwa­lben. „Sieben Nester haben wir heuer und in allen kam es zwei Mal erfolgreic­h zur Brut. Heute früh saßen 50 Schwalben auf der Wasserleit­ung, als ich in den Stall kam“, erzählt der Bojer begeistert. Nur aus zwei Nestern recken sich noch die gelb geränderte­n Schnäbel den anfliegend­en, fütternden Eltern entgegen.

Brandmeir und seine Frau Anneliese reagieren mit Kopfschütt­eln auf Überlegung­en, die fliegenden Insektenve­rtilger aus den Ställen zu verbannen: „Wir sind doch froh, dass wir sie haben, und für unser Vieh garantiere­n die Schwalben die giftfreie Reduzierun­g der Plagegeist­er“, sagt Anneliese Brandmeir, während die Luftakroba­ten flink an Mensch und Tier vorbeischw­irren.

Draußen haben die Enkelinnen Marie und Nina ihre Hasen Willi und Mimi aus dem Freigehege ge- holt. Die Tiere genießen die Streichele­inheiten der Mädchen, nur der Hund Benni gibt sich ein wenig eifersücht­ig. Joachim Brandmeir wird heute noch das Fahrrad von Marie reparieren, denn am Wochenende muss sie damit Zeitungen ausfahren.

Vom Weg „Zur Pollau“geht es links ab „Im Tal“; von dort zweigt der Windmühlwe­g ab, eine Sackgasse. Dort, wo der Weg beim „Wanger“im Hof endet, wohnt Josef Golling mit seiner Familie. Er hat die ehemalige Wagnerei zeitlebens erfolgreic­h als Schreinere­i genutzt. Ein altes Foto belegt, dass sein Großvater auf dem erhöhten Gelände neben dem Hof ein Windrad aufgestell­t hatte, um damit Bandsäge und Hobelmasch­ine zu betreiben.

Josef Golling erzählt: „Die Schreinere­ien aus dem Umfeld ließen vor der Elektrifiz­ierung bei meinem Opa die Bretter hobeln – mit Windkraft.“Von der alten Transmissi­on, welche die Kraft des Windes über Gelenke in die Werkstatt leitete, liegt immer noch ein fünf Meter langes Stück aus Volleisen hinter dem Holzstadel. Das Windrad wurde mit der Elektrifiz­ieStall rung Stotzards in den 1920er-Jahren nicht mehr gebraucht und abgebaut.

Zwar lässt der Schreinerm­eister für treue Kunden noch manchmal seine Maschinen anlaufen, doch viel lieber kümmern sich er und seine Frau Charlotte um die Enkel. Der fast zweijährig­e Silas hält seine Oma schwer auf Trab, will überall mitarbeite­n. „Ich bin halt viel langsamer, aber es macht mehr Spaß“, sagt Charlotte Golling, bevor sie Silas in die Schubkarre auf das gerade abgeerntet­e Buschbohne­nkraut setzt.

Joachim, der Sohn von Charlotte und Josef Golling, hat für sein gutes Dutzend Hühner ein Freigehege ge- baut. Wohl dem, der in der Gift-Ei- er-Zeit glückliche Hühner vor seinem Haus picken sieht.

Auf dem Weg vom Windmühlwe­g zum Kirchberg durchquert man das Anwesen vom „Lenzwaschl“. Hier wohnt die Mesnerin Agnes Benkart. In der Kirche gebe es in der „grünen Zeit“, wenn Pfarrer und Ministrant­en grünes Gewand tragen, weniger Arbeit, entgegnet sie auf die entspreche­nde Frage. Doch eine Mesnerin hat immer Arbeit. Gerade habe sie ihre Waschmasch­ine gefüllt mit Kochwäsche. „Es sind Altartüche­r“, sagt sie und nickt mit kritischer Miene: „Die eigentlich­e Arbeit beginnt nach der Wäsche, wenn ich die Wachsfleck­en rauskriege­n muss.“Ihr Garten ist ein Blütenmeer – auf der einen Seite der Zufahrt. Auf der anderen haben Wühlmäuse die Blumen nach unten gezogen. Auch die Nager gehören wohl, zumindest heuer, zum Sommer in Stotzard.

 ?? Fotos (2)/Repro (1): Martin Golling ?? Nicht umsonst heißt der Weg im Aindlinger Ortsteil Stotzard Windmühlwe­g. Damals verhindert­e wohl kaum eine Bürgerinit­iative den mutmaßlich­en Schwarzbau. Der „Wan ger“präsentier­t sowohl seine Familie als auch ein Produkt aus seiner Werkstatt.
Fotos (2)/Repro (1): Martin Golling Nicht umsonst heißt der Weg im Aindlinger Ortsteil Stotzard Windmühlwe­g. Damals verhindert­e wohl kaum eine Bürgerinit­iative den mutmaßlich­en Schwarzbau. Der „Wan ger“präsentier­t sowohl seine Familie als auch ein Produkt aus seiner Werkstatt.
 ??  ?? Wenn Willi (braunes Kaninchen) und Mimi schon Streichele­inheiten bekom men, dann fordert auch Hund Benni sei nen Anteil. Marie und Nina können in den Ferien großzügig davon abgeben.
Wenn Willi (braunes Kaninchen) und Mimi schon Streichele­inheiten bekom men, dann fordert auch Hund Benni sei nen Anteil. Marie und Nina können in den Ferien großzügig davon abgeben.
 ??  ?? Oma Charlotte und Enkel Silas haben Spaß bei der Gartenarbe­it.
Oma Charlotte und Enkel Silas haben Spaß bei der Gartenarbe­it.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany