Wo einst mit Windkraft gehobelt wurde
... Im Aindlinger Ortsteil Stotzard am Lechrain gibt es noch Milchkühe, glückliche Hühner und jede Menge Rauchschwalben. Und eine Mesnerin, die sich über „die grüne Zeit“bei ihrer Arbeit für die Kirche freut /
Auch der Sommer daheim hat viele tolle Seiten. Wie die in den Gemeinden im AN-Verbreitungsgebiet aussehen, zeigen wir auch heuer in unserer Sommerserie „Sommer in ...“. Heute sind wir im Aindlinger Ortsteil Stotzard.
Früher war Stotzard vor allem landwirtschaftlich geprägt. Heute konzentrieren sich die Betriebe überwiegend um die Straße „Zur Pollau“im Norden des Aindlinger Ortsteils. Wobei nur mehr der „Liastern“(Lichtenstern) Milchkühe im neuen Stall hat. Um die 70 seien es derzeit, die der Roboter täglich melke, sagt Hermann Wörle, Seniorchef von Roboter und Kuh. Schrill singt das Getreidegebläse hinter dem schräg gestellten Anhänger und der Staub auf Wörles Schulter lässt kaum mehr die Farben seines T-Shirts erahnen. Verständlich, dass er im Moment keine Zeit hat für eine Führung zum Robo-Melker.
Bei seinem Nachbarn geht es derzeit beschaulicher zu. Joachim Brandmeir ist der „Bojer“, ein Austragsbauer. Längst stehen Bullen im statt so mancher Mühe machender Kühe. Und noch etwas gedeiht offensichtlich prächtig über den Boxen: Rauchschwalben. „Sieben Nester haben wir heuer und in allen kam es zwei Mal erfolgreich zur Brut. Heute früh saßen 50 Schwalben auf der Wasserleitung, als ich in den Stall kam“, erzählt der Bojer begeistert. Nur aus zwei Nestern recken sich noch die gelb geränderten Schnäbel den anfliegenden, fütternden Eltern entgegen.
Brandmeir und seine Frau Anneliese reagieren mit Kopfschütteln auf Überlegungen, die fliegenden Insektenvertilger aus den Ställen zu verbannen: „Wir sind doch froh, dass wir sie haben, und für unser Vieh garantieren die Schwalben die giftfreie Reduzierung der Plagegeister“, sagt Anneliese Brandmeir, während die Luftakrobaten flink an Mensch und Tier vorbeischwirren.
Draußen haben die Enkelinnen Marie und Nina ihre Hasen Willi und Mimi aus dem Freigehege ge- holt. Die Tiere genießen die Streicheleinheiten der Mädchen, nur der Hund Benni gibt sich ein wenig eifersüchtig. Joachim Brandmeir wird heute noch das Fahrrad von Marie reparieren, denn am Wochenende muss sie damit Zeitungen ausfahren.
Vom Weg „Zur Pollau“geht es links ab „Im Tal“; von dort zweigt der Windmühlweg ab, eine Sackgasse. Dort, wo der Weg beim „Wanger“im Hof endet, wohnt Josef Golling mit seiner Familie. Er hat die ehemalige Wagnerei zeitlebens erfolgreich als Schreinerei genutzt. Ein altes Foto belegt, dass sein Großvater auf dem erhöhten Gelände neben dem Hof ein Windrad aufgestellt hatte, um damit Bandsäge und Hobelmaschine zu betreiben.
Josef Golling erzählt: „Die Schreinereien aus dem Umfeld ließen vor der Elektrifizierung bei meinem Opa die Bretter hobeln – mit Windkraft.“Von der alten Transmission, welche die Kraft des Windes über Gelenke in die Werkstatt leitete, liegt immer noch ein fünf Meter langes Stück aus Volleisen hinter dem Holzstadel. Das Windrad wurde mit der ElektrifizieStall rung Stotzards in den 1920er-Jahren nicht mehr gebraucht und abgebaut.
Zwar lässt der Schreinermeister für treue Kunden noch manchmal seine Maschinen anlaufen, doch viel lieber kümmern sich er und seine Frau Charlotte um die Enkel. Der fast zweijährige Silas hält seine Oma schwer auf Trab, will überall mitarbeiten. „Ich bin halt viel langsamer, aber es macht mehr Spaß“, sagt Charlotte Golling, bevor sie Silas in die Schubkarre auf das gerade abgeerntete Buschbohnenkraut setzt.
Joachim, der Sohn von Charlotte und Josef Golling, hat für sein gutes Dutzend Hühner ein Freigehege ge- baut. Wohl dem, der in der Gift-Ei- er-Zeit glückliche Hühner vor seinem Haus picken sieht.
Auf dem Weg vom Windmühlweg zum Kirchberg durchquert man das Anwesen vom „Lenzwaschl“. Hier wohnt die Mesnerin Agnes Benkart. In der Kirche gebe es in der „grünen Zeit“, wenn Pfarrer und Ministranten grünes Gewand tragen, weniger Arbeit, entgegnet sie auf die entsprechende Frage. Doch eine Mesnerin hat immer Arbeit. Gerade habe sie ihre Waschmaschine gefüllt mit Kochwäsche. „Es sind Altartücher“, sagt sie und nickt mit kritischer Miene: „Die eigentliche Arbeit beginnt nach der Wäsche, wenn ich die Wachsflecken rauskriegen muss.“Ihr Garten ist ein Blütenmeer – auf der einen Seite der Zufahrt. Auf der anderen haben Wühlmäuse die Blumen nach unten gezogen. Auch die Nager gehören wohl, zumindest heuer, zum Sommer in Stotzard.