Ein Affront gegen Front National
Lucas Belvaux über „Das ist unser Land“
Wie nah an der Realität ist Paulines Geschichte in Ihrem Film – eine eher unpolitische Frau, die von den Rechtspopulisten als Kandidatin vor den Karren der Partei gespannt wird? Belvaux: Das kommt in der Tat vor. Der Front National sucht für seine Kandidatenliste gezielt nach Menschen „aus dem Volk“. Im Kern besteht der Front National ja aus Funktionären und einigen militanten Rechten. Aber um im Wahlkampf in die Breite gehen zu können, suchen sie Kandidaten vor Ort, die bisher nicht in Verbindung zur Partei standen.
Wie schwer ist es, einen Film so nah an der politischen Realität zu machen, ohne von den Anwälten des Front Nationale verklagt zu werden? Belvaux: Es gibt das Recht auf künstlerische Freiheit und solange man keine Verleumdungen verbreitet oder Rufmord begeht, hat man nichts zu befürchten.
Der Front National hat zum Boykott von „Das ist unser Land“aufgerufen. War das eine gute Werbung? Belvaux: Es gab beim Start starke, verbale Attacken und das hatte natürlich einen großen Effekt auf die Rezeption des Filmes. Der „Front National“hat den Film für sich vereinnahmt, indem er ihn verteufelte und als Vehikel benutzte, um über die eigenen
Themen zu sprechen. Das hat dazu geführt, dass die Wähler des „Front National“sich den Film nicht angesehen haben. Die Partei hat meinen Film als Propaganda bezeichnet, während ich ihn als politisches Zeugnis betrachte.
Glauben Sie, dass der Film die Wahlen beeinflusst hat?
Belvaux: Er war sicherlich ein wichtiger Beitrag zur politische Diskussion in Frankreich, aber ich bezweifle, dass mein Film Einfluss auf den Wahlausgang hatte. Das Kino kann nur auf lange Sicht mit einem eigenen, vielfältigen Diskurs zu diesem Thema etwas bewegen.
Als Sie das erste Mal über den Film nachgedacht haben: Hätten Sie geahnt, dass das Thema eine solch brennende Relevanz bekommt?
Lucas Belvaux: Die erste Idee zum Film hatte ich lange vor der französischen Präsidentschaftswahl. Denn schon bei den Regionalwahlen im Dezember 2015 hatte der „Front National“erschreckend hohe Ergebnisse. Seit Marine Le Pen die Führung des „Front National“übernommen hat, hat sich das Image der Partei stark verändert. Man nimmt sie in Frankreich nicht mehr unbedingt als rechtsextremistische Partei wahr. Ich wollte zeigen, dass der „Front National“immer noch eine rechtsextremistische, populistische Partei ist und warum.
Warum hat es so lange gedauert, bis das französische Kino sich zu diesem Thema äußert. Es ist nicht erst seit gestern eines der wichtigsten im Land. Belvaux: Das kann ich Ihnen nicht sagen. Es erstaunt mich selbst. Aber dabei geht es nicht nur um das Thema „Front National“, sondern generell um das politische Kino in Frankreich, das einen relativ schlechten Ruf hat. Es gibt kaum noch Filme, die sich ins politische Geschehen einmischen wollen.
Das ist unser Land (1 Std. 57 Min.), Drama, Frankreich, 2017
Wertung *****