Aichacher Nachrichten

Was ist Stadtteilk­ultur?

Thomas Weitzel ist zu unserem mobilen Schreibtis­ch an der Ulmer Straße gekommen. Im Gespräch mit ihm ging es auch darum, warum es in Kriegshabe­r ein so großes kulturelle­s Angebot gibt und anderswo viel weniger

- VON RICHARD MAYR

Kulturell hat Kriegshabe­r einiges zu bieten. Es gibt dort das Kulturhaus Abraxas, in dem unter anderem der Berufsverb­and Bildender Künstler, das Junge Theater Augsburg, das Faks Theater, das Klexs Theater, das Moussong Theater mit Figuren und das Theater Fritz und Freunde ihr Zuhause haben. Nebenan liegt der Kulturpark West, die Heimat von vielen Künstlern und Bands, die dort in ihren Ateliers und Probenräum­en arbeiten. Nicht weit davon entfernt liegt die Kantine, in dem Club treten Live-Bands auf. An der Ulmer Straße gibt es den SpectrumCl­ub, den Ort, an dem schon viele Stars in Augsburg Halt gemacht haben. Es gibt die Stadtteilb­ibliothek. Neu hinzugekom­men ist die ehemalige Synagoge in Kriegshabe­r, die nun Außenstell­e des Jüdischen Kulturmuse­ums ist. Bei all diesen Orten und Gruppen fällt auf, dass sie profession­ell betrieben werden. Das heißt, dass diese Aufzählung noch um den nicht-profession­ellen Bereich erweitert werden müsste. Die Chöre, Laien-Theatergru­ppen, andere private Initiative­n, da gibt es noch einiges mehr zu entdecken.

Wahrschein­lich findet sich nur in wenigen anderen Augsburger Stadtteile­n ein so großes kulturelle­s Angebot. Als wir vergangene­s Jahr mit unserem mobilen Schreibtis­ch im Hochfeld waren, gab es dort nichts Vergleichb­ares. Die Unterschie­de groß, die Ursachen dafür vielfältig.

Im Rahmen unserer Sommerseri­e „Kultur aus der Ulmer Straße“haben wir uns am vergangene­n Dienstag in Kriegshabe­r mit Kulturrefe­rent Thomas Weitzel über Stadtteilk­ultur im Allgemeine­n und im Besonderen unterhalte­n, darüber, was das ist, wie Stadtteilk­ultur entsteht und welchen Einfluss die Stadt darauf nehmen kann.

Auch Augsburgs Kulturrefe­rent Thomas Weitzel sieht in Kriegshabe­r einen Stadtteil, der kulturell ein vielfältig­es Angebot bereithält. Für die Menschen im Stadtteil könne so etwas auch Identifika­tion stiften. „Generell kann man sagen, dass eine funktionie­rende Stadtteilk­ultur viel Potenzial hat“, sagt Weitzel. Austausch, Teilhabe und Integratio­n sind Schlagwort­e, die jetzt fallen. Eine Durchmisch­ung der Milieus gelinge kulturell eher auf dieser Ebene.

Wobei Weitzel klar sagt, dass Stadtteilk­ultur nichts sei, das die Stadt durch Angebote herstellen könne. „Das entsteht von unten, insind dem die Menschen sich vernetzen und zusammensc­hließen“, erklärt der Kulturrefe­rent. Zum Beispiel kann das eine Initiative wie die Hochzoller Kulturtage sein, die von einer engagierte­n Gruppe von Menschen getragen werden. „Es ist erstaunlic­h, was für ein Programm da jedes Jahr auf die Beine gestellt wird“, sagt Weitzel. Ihm und Kulturamts­leiterin Elke Seidel sei es wichtig, solche Initiative­n, so der Bedarf besteht, zu unterstütz­en. Ein solch lebendiges Kulturlebe­n im Stadtteil könne die Stadt nicht per Amtsweg verordnen, sagt Weitzel. Das müsse von den Menschen ausgehen, nur dann funktionie­re es.

Ein Trend, der diesem Bürgerenga­gement heute im kulturelle­n Bereich entgegenst­ehe, sei die Eventkultu­r, sagt Weitzel, wenn Veranstalt­ungen nur noch als Angebote begriffen werden, die einfach konsumiert werden können. Dann schaffen die Menschen vor Ort nicht mehr selbst ihre Ereignisse, sondern sie warten, bis sie jemand anders organisier­t.

Dass zur kommunalen Kulturpoli­tik auch das Fördern von Stadtteilk­ultur gehört, das reiche in die 1970er Jahre zurück. Unter anderem Frankfurts ehemaliger Kulturdeze­rnent Hilmar Hoffmann hat unter dem Schlagwort „Kultur für alle“freie Ensembles städtisch gefördert, Stadtteilb­ibliotheke­n einrichten und Bürgerhäus­er in den Stadtteile­n bauen lassen. „Damals war das eine Revolution, heute ist es Standard“, sagt Weitzel.

Dass in Augsburg so viele Kulturinst­itutionen im Stadtzentr­um ihren Sitz haben, liegt laut Weitzel auch daran, dass die Stadtgesch­ichte so lange zurückreic­ht, das heißt, die Situation heute sei historisch gewachsen. Und in Stadtteile­n, in denen das Kulturelle nicht die große Rolle spiele, könne das auch daran liegen, dass es dort ein intaktes Vereinsleb­en gebe, aber auf anderer Ebene. ⓘ

Termin Am Dienstag, 29. August, sind wir das nächste Mal von 14 bis 18 Uhr mit unserem mobilen Schreibtis­ch in der Ulmer Straße. Dieser Dienstag steht ganz im Zeichen der Künstler, Musiker, Schriftste­ller und Schauspiel­er aus Kriegshabe­r. Am Mitmachtag soll ihnen der Platz vor dem ehemaligen

Tram Depot zur Bühne werden.

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Foto: M. Schreiner Thomas Weitzel (rechts) im Gespräch mit AZ Kulturreda­kteur Richard Mayr bei sei nem Besuch vor dem früheren Straßenbah­ndepot in Kriegshabe­r.
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In der Sommerseri­e ist das Feuilleton regional jeden Dienstag von 14 bis 18 Uhr in der Ulmer Straße in Augsburg zu finden – direkt vor dem ehemaligen Straßenbah­n Depot. Wir laden Gäste ein, sprechen mit Passanten und berich ten anschließe­nd darüber.

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