Was ist Stadtteilkultur?
Thomas Weitzel ist zu unserem mobilen Schreibtisch an der Ulmer Straße gekommen. Im Gespräch mit ihm ging es auch darum, warum es in Kriegshaber ein so großes kulturelles Angebot gibt und anderswo viel weniger
Kulturell hat Kriegshaber einiges zu bieten. Es gibt dort das Kulturhaus Abraxas, in dem unter anderem der Berufsverband Bildender Künstler, das Junge Theater Augsburg, das Faks Theater, das Klexs Theater, das Moussong Theater mit Figuren und das Theater Fritz und Freunde ihr Zuhause haben. Nebenan liegt der Kulturpark West, die Heimat von vielen Künstlern und Bands, die dort in ihren Ateliers und Probenräumen arbeiten. Nicht weit davon entfernt liegt die Kantine, in dem Club treten Live-Bands auf. An der Ulmer Straße gibt es den SpectrumClub, den Ort, an dem schon viele Stars in Augsburg Halt gemacht haben. Es gibt die Stadtteilbibliothek. Neu hinzugekommen ist die ehemalige Synagoge in Kriegshaber, die nun Außenstelle des Jüdischen Kulturmuseums ist. Bei all diesen Orten und Gruppen fällt auf, dass sie professionell betrieben werden. Das heißt, dass diese Aufzählung noch um den nicht-professionellen Bereich erweitert werden müsste. Die Chöre, Laien-Theatergruppen, andere private Initiativen, da gibt es noch einiges mehr zu entdecken.
Wahrscheinlich findet sich nur in wenigen anderen Augsburger Stadtteilen ein so großes kulturelles Angebot. Als wir vergangenes Jahr mit unserem mobilen Schreibtisch im Hochfeld waren, gab es dort nichts Vergleichbares. Die Unterschiede groß, die Ursachen dafür vielfältig.
Im Rahmen unserer Sommerserie „Kultur aus der Ulmer Straße“haben wir uns am vergangenen Dienstag in Kriegshaber mit Kulturreferent Thomas Weitzel über Stadtteilkultur im Allgemeinen und im Besonderen unterhalten, darüber, was das ist, wie Stadtteilkultur entsteht und welchen Einfluss die Stadt darauf nehmen kann.
Auch Augsburgs Kulturreferent Thomas Weitzel sieht in Kriegshaber einen Stadtteil, der kulturell ein vielfältiges Angebot bereithält. Für die Menschen im Stadtteil könne so etwas auch Identifikation stiften. „Generell kann man sagen, dass eine funktionierende Stadtteilkultur viel Potenzial hat“, sagt Weitzel. Austausch, Teilhabe und Integration sind Schlagworte, die jetzt fallen. Eine Durchmischung der Milieus gelinge kulturell eher auf dieser Ebene.
Wobei Weitzel klar sagt, dass Stadtteilkultur nichts sei, das die Stadt durch Angebote herstellen könne. „Das entsteht von unten, insind dem die Menschen sich vernetzen und zusammenschließen“, erklärt der Kulturreferent. Zum Beispiel kann das eine Initiative wie die Hochzoller Kulturtage sein, die von einer engagierten Gruppe von Menschen getragen werden. „Es ist erstaunlich, was für ein Programm da jedes Jahr auf die Beine gestellt wird“, sagt Weitzel. Ihm und Kulturamtsleiterin Elke Seidel sei es wichtig, solche Initiativen, so der Bedarf besteht, zu unterstützen. Ein solch lebendiges Kulturleben im Stadtteil könne die Stadt nicht per Amtsweg verordnen, sagt Weitzel. Das müsse von den Menschen ausgehen, nur dann funktioniere es.
Ein Trend, der diesem Bürgerengagement heute im kulturellen Bereich entgegenstehe, sei die Eventkultur, sagt Weitzel, wenn Veranstaltungen nur noch als Angebote begriffen werden, die einfach konsumiert werden können. Dann schaffen die Menschen vor Ort nicht mehr selbst ihre Ereignisse, sondern sie warten, bis sie jemand anders organisiert.
Dass zur kommunalen Kulturpolitik auch das Fördern von Stadtteilkultur gehört, das reiche in die 1970er Jahre zurück. Unter anderem Frankfurts ehemaliger Kulturdezernent Hilmar Hoffmann hat unter dem Schlagwort „Kultur für alle“freie Ensembles städtisch gefördert, Stadtteilbibliotheken einrichten und Bürgerhäuser in den Stadtteilen bauen lassen. „Damals war das eine Revolution, heute ist es Standard“, sagt Weitzel.
Dass in Augsburg so viele Kulturinstitutionen im Stadtzentrum ihren Sitz haben, liegt laut Weitzel auch daran, dass die Stadtgeschichte so lange zurückreicht, das heißt, die Situation heute sei historisch gewachsen. Und in Stadtteilen, in denen das Kulturelle nicht die große Rolle spiele, könne das auch daran liegen, dass es dort ein intaktes Vereinsleben gebe, aber auf anderer Ebene. ⓘ
Termin Am Dienstag, 29. August, sind wir das nächste Mal von 14 bis 18 Uhr mit unserem mobilen Schreibtisch in der Ulmer Straße. Dieser Dienstag steht ganz im Zeichen der Künstler, Musiker, Schriftsteller und Schauspieler aus Kriegshaber. Am Mitmachtag soll ihnen der Platz vor dem ehemaligen
Tram Depot zur Bühne werden.