Blumenthaler Landwirtschaft wächst und wächst
Die Gemeinschaft auf dem Schlossgut bei Aichach hat weiteres Land gekauft und baut ihre „Solidarische Landwirtschaft“aus. Dabei spielen nicht nur ökologische Prinzipien eine wichtige Rolle
Aichach Blumenthal Sie ist orange statt rot und eher birnenförmig als rund. Dennoch schmeckt sie eindeutig nach Tomate. Das Sibirische Birnchen ist eine von 25 Sorten des Nachtschattengewächses, die im 400 Quadratmeter großen Gewächshaus auf Schloss Blumenthal bei Aichach gedeihen. In ihm und auf 1,4 Hektar Freilandflächen wachsen rund 50 Gemüsesorten für die Solidarische Landwirtschaft (Solawi) in Blumenthal. Die Fläche soll sich in den nächsten Jahren vervielfachen, berichtet Geschäftsführer Martin Horack: Die Gemeinschaft hat von den Fugger’schen Stiftungen 27 Hektar Wiesen, Äcker und Wald gekauft.
Die Kaufoption hatte sie vor gut zehn Jahren zusammen mit dem Schlossgut erworben. Mit Hilfe von Investoren aus der Region konnte die Gemeinschaft sie jetzt nutzen, bevor sie verfällt. Etwa 1,5 Millionen Euro hat sie investiert. Bis Ende 2018 sind die Ackerflächen an einen konventionell arbeitenden Landwirt verpachtet. Dann werden sie Teil der Blumenthaler Landwirtschaft.
Wiederum ein Teil von dieser wird für die zuletzt gegründete Solawi genutzt. Sie soll auf vier Hektar anwachsen. Das Prinzip der Solawi ist einfach: Die Mitglieder finanzieren mit einem Monatsbeitrag den Betrieb von Gärtnerei und Landwirtschaft. Er setzt sich zusammen aus einem Sockelbeitrag (20 Euro), einem oder mehreren Gemüseanteilen (je 35 Euro) sowie einem – freiwilligen – Förderanteil. Im Gegenzug bekommen die Mitglieder jede Woche einen Teil der Ernte. Abholstellen gibt es in Blumenthal, Aichach, Pöttmes, Friedberg, Merching, München und demnächst in Augsburg an der Waldorfschule. Eine Tafel informiert darüber, was sich die Mitglieder einpacken dürfen. Mag einer keinen Wirsing, legt er ihn in die Tauschkiste. Die Mitglieder bekommen so frisches, ökologisch produziertes, unverpacktes Gemüse, das keine langen Wege zurücklegt. Und der Betrieb ist unabhängig von der Marktlage und hat eine feste Zahl von Abnehmern.
Die Vorbereitungen für die Solawi laufen seit Mitte 2014. Die Flächen wurden vorbereitet, das Gewächshaus gebaut. Mit Letzterem verstieß die Gemeinschaft allerdings unwissentlich gegen den Bebauungsplan der Stadt Aichach für das historische Ensemble: Das Gewächshaus steht außerhalb der festgelegten Baufenster. Ob es nach der Ernte verlegt werden muss, ist noch nicht endgültig geklärt.
ranken sich Tomaten-, Gurken- und Auberginenpflanzen, dazwischen Chili und Paprika. Seit Mai wird geerntet. Auf den Freilandflächen gedeihen in langen Reihen Wirsing, Rosen-, Grün-, Rotund Palmkohl, Rote Bete, Mangold und anderes. Dazwischen bieten Blühstreifen Nahrung für Insekten, insbesondere Bienen. Imker Andreas Bock schleudert Honig. Angebaut wird nach ökologischen Prinzipien. Dafür sorgt Gärtnerin Biggi Häussler, die früher als Beraterin für Öko-
landbau gearbeitet hat. Häussler zur Seite stehen Meike Karl, die seit anderthalb Jahren in Blumenthal lebt, und Gärtner Alexander Trum. 140 Mitglieder können derzeit versorgt werden. Geplant ist eine Kreislaufwirtschaft. Das heißt, der Betrieb will auch seinen Dünger selbst herstellen. Ob dazu eine Ziegenherde angeschafft wird, deren Milch und Fleisch dann auch verwertet werden könnten, darüber wird zur Zeit noch diskutiert. Kostendeckend kann die Solawi noch nicht arbeiten, die InHeute
vestitionen hat die Gemeinschaft finanziert. Mit den neuen Flächen und einem zweiten Gewächshaus soll die Solawi weiter ausgebaut werden. Dann kann auch die Zahl der Mitglieder und der Depots ausgebaut werden.
„Die Landwirtschaft ist ein essenzieller Teil unserer Konzeption“, betont Horack. Sie soll nach dem Prinzip „Vom Acker auf den Teller“die Bewohner, das Gasthaus und Kunden außerhalb Blumenthals mit frischem Gemüse versorgen, das
nach sozialen und ökologischen Gesichtspunkten angebaut wird.
Durch die Beiträge bekommen die Mitarbeiter höhere Gehälter als sonst oft üblich. Ihre Solawi wollen die Blumenthaler darüber hinaus zu einem Modellbetrieb ausbauen, in dem ökologisch und solidarisch gearbeitet wird, und ihn mit Bildung kombinieren: Ein Schaugarten ist geplant. Laut Horack soll es Führungen und Kurse, zum Beispiel für Schulklassen oder andere Gruppen, geben.