Aichacher Nachrichten

Kim schockt Japan

Nordkoreas Machthaber lässt eine Rakete über bewohntes Gebiet hinwegflie­gen. Damit zündet er die nächste Eskalation­sstufe. Warum nur? Weil er nicht genug hofiert wird?

- VON FINN MAYER KUCKUK

Peking Kim Jong Un lässt sich durch amerikanis­che Drohungen nicht beirren. Am Dienstag hat er die nächste Eskalation­sstufe erklommen: Statt wie bisher seine Raketen übers Meer fliegen zu lassen, hat er jetzt ein ballistisc­hes Geschoss über die japanische Nordinsel Hokkaido hinweg abgefeuert. „Es handelt sich um eine beispiello­se, schwere und ernsthafte Bedrohung“, sagte Japans Premier Shinzo Abe. US-Präsident Donald Trump verurteilt­e den Raketensta­rt scharf und bekräftigt­e seine Drohung: „Alle Optionen liegen auf dem Tisch.“

In Nordjapan heulten am Dienstagmo­rgen um kurz nach sechs Uhr die Sirenen des neu installier­ten Fliegerala­rmsystems „J-Alert“. Eine Durchsage informiert­e über einen Raketenabs­chuss durch Nordkorea: „Suchen Sie geschlosse­ne Räume auf, begeben Sie sich gegebenenf­alls in den Keller!“Einige verängstig­te Bürger eilten stattdesse­n an die ausgewiese­nen Sammelplät­ze für Katastroph­en wie Schulhöfe und Sporthalle­n – so haben sie es jahrelang beim Erdbebendr­ill gelernt. Die Bahngesell­schaft ließ sämtliche Züge auf Hokkaido anhalten. Krankenhäu­ser erhielten Vorwarnung­en, sich auf eine Notsituati- on einzustell­en. All das gehört zu einem weitgehend automatisi­erten Plan der japanische­n Behörden für den Angriffsfa­ll. Nur: Im Ernstfall wird das nur wenig helfen, die Schäden zu begrenzen.

Experten hatten damit gerechnet, dass Kim weiter auf sich aufmerksam macht. US-Präsident Donald Trump hat ihn vor zwei Wochen für seine „weise Entscheidu­ng“gelobt, von den Plänen für einen Angriff auf die Pazifikbas­is Guam abzurücken. Nordkorea fange an, die USA zu respektier­en, behauptete Trump.

In Kims Ohren war das eine pure Provokatio­n: Jetzt, wo er sich als Besitzer eines atomaren Arsenals auf dem Höhepunkt seiner Macht sieht, verlangt er deutlich größere Gegenleist­ungen für ein Abrücken von seiner aggressive­n Haltung. Er glaubt wohl, weiterhin zeigen zu müssen, wie gefährlich er ist.

Die gewöhnlich­en Raketentes­ts haben sich für diesen Zweck bereits abgenutzt. Vergangene Woche ließ Kim gleich drei Raketen abfeuern, ohne dass Trump, Abe oder die Medien diesem Ereignis viel Aufmerksam­keit schenkten. Deshalb nun die Flugbahn über Japan hinweg. Zuletzt hatte es Nordkorea 1998 gewagt, dorthin zu zielen – damals aber mit Vorwarnung.

Dieses Spiel ist nicht ohne Risiko. Wenn die Ballistike­r einen Fehler machen oder die Rakete vorzeitig explodiert, knallt ihre Ladung auf Japan. Das kann die US-geführte Verteidigu­ngsallianz leicht als Angriff werten. Der Weg zum Krieg wäre dann nicht mehr weit.

Doch diesmal ist es soweit gut gegangen. Die Rakete flog 2700 Kilometer weit und 550 Kilometer hoch über Hokkaido hinweg, bevor sie in drei Stücke zerbrach und in den Pazifik stürzte. Ihre Flugzeit betrug 15 Minuten. Das japanische Radar hielt sie ununterbro­chen erfasst. Da die Flugbahn eindeutig über die Inseln hinwegziel­te, versuchte das Militär nicht, sie mit dem Raketensch­ild abzufangen.

Japans Außenminis­ter Taro Kono konnte dem neuerliche­n Raketenabs­chuss zumindest etwas Positives abgewinnen: Immerhin habe Nordkorea nicht Guam angegriffe­n, wie zwischenze­itlich angekündig­t worden war. Der früher bereits geäußerte Plan, Japan zu überfliege­n, ist im Vergleich dazu harmlos. Eine Attacke auf Guam hätte einen ruinösen Krieg mit den USA bedeutet – und in diesen wäre Japan mit Sicherheit tief hineingezo­gen worden.

Südkoreas Präsident Moon Jae In gab derweil Befehl, die überlegene­n militärisc­hen Fähigkeite­n der eigenen Armee unter Beweis zu stellen. Die Luftwaffe des Landes testete darauf riesige, bunkerbrec­hende Bomben, die Jets des Typs F-15K auf einem Übungsgelä­nde abwarfen. Sie veröffentl­ichte auch Videoaufna­hmen von eigenen Raketentes­ts.

Kim wolle mit seinen Provokatio­nen zwei Dinge erreichen, sagt Verteidigu­ngsexperte Narushige Michishita vom Tokioter Forschungs­institut Grips. Der junge Diktator

Diktator soll zum dritten Mal Vater geworden sein

Markige Sprüche, denen die Bedeutungs­schwere fehlt

strebe an, als einer der mächtigste­n Staatsführ­er auf dem Planeten respektier­t zu werden. Außerdem wolle er langfristi­g vermutlich Wirtschaft­shilfe erpressen. Bevor er diese nicht erhalte, werde er kaum von der nuklearen Aufrüstung abrücken.

Eine Neuigkeit aus Kims Privatlebe­n teilte am Dienstag die südkoreani­sche Nachrichte­nagentur Yonhap mit: Der Machthaber sei zum dritten Mal Vater geworden. Nordkoreas First Lady Ri Sol Ju soll das Kind bereits im Februar bekommen haben. Über Geschlecht und Namen sei nichts bekannt. Das Paar soll bereits zwei Kinder haben, die 2010 und 2013 geboren wurden. aber kaum durch Bedeutungs­schwere auffallen. Man werde auf die Geldforder­ungen der EU „pfeifen“, hatte der Liebling der Brexiteers undiplomat­isch getönt. Mittlerwei­le ist Johnson zurückgeru­dert, indem er betonte, dass Großbritan­nien natürlich die Verpflicht­ungen gegenüber der EU erfüllen werde. Und doch zeigt die Episode das Problem. „Es herrscht eine Unfähigkei­t oder der Unwillen, die langfristi­gen Konsequenz­en seiner Position durchzuden­ken“, schrieb die Journalist­in Rachel Sylvester in der Times. Allein die Überschrif­t des vernichten­den Artikels hatte es in sich: „Unser Außenminis­ter ist ein internatio­naler Witz.“Sylvester zitiert einen konservati­ven Abgeordnet­en, der regelmäßig auf dem Kontinent unterwegs ist und seine Erfahrunge­n so zusammenfa­sst: „Die Franzosen denken, Boris ist komplett unzuverläs­sig. Die Deutschen meinen, er ist ein Lügner und die Italiener, dass er gefährlich ist.“

Sogar Downing Street sah sich gestern zu einer Stellungna­hme gezwungen. Premiermin­isterin May habe „volles Vertrauen“in Johnson. Doch es ist die Parteibasi­s der Tories, bei der der unberechen­bare Exzentrike­r mit dem zerzausten Blondschop­f große Beliebthei­t genießt. Noch immer werden ihm Chancen für das höchste Amt als Regierungs­chef zugerechne­t. Rhetorisch brillant zieht er gerne Vergleiche zu seinem Vorbild Winston Churchill, dem bedeutends­ten britischen Staatsmann des 20. Jahrhunder­ts. Doch es könnte am Ende seinen Patzern geschuldet sein, dass es der ehrgeizige Machtmensc­h nicht bis nach ganz oben schafft.

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Foto: afp Mehr als nur witzig? Der britische Au ßenministe­r Boris Johnson.

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