Wo Handicaps kein Hindernis sind
Nach der dritten Bayerischen Meisterschaft für Behinderte in Kissing geht der Blick schon weiter
Kissing Wenn Hans-Peter Benzinger Billard spielt, schaut das für Außenstehende spektakulär aus. Was der Durchschnitts-Billardspieler mit zwei Händen macht, macht Benzinger mit einer. Bei einem Autounfall vor 31 Jahren hat er seinen linken Arm inklusive des Schlüsselbeins verloren. Benzinger ist einer von den 18 Teilnehmern der dritten bayerischen Meisterschaft im Billard für Spieler mit Handicap. Voraussetzung für die Teilnahme an diesen Titelkämpfen ist eine „mindestens 50 Prozent sichtbare Behinderung“. Wie schon in den vergangenen beiden Jahren wurde der Wettkampf auf den Billardtischen des BSC Kissing ausgetragen.
Jeder Sportler mit Handicap habe gewisse Einschränkungen beim Billard, die Frage sei jedoch, was man daraus mache. Seinen Beruf als Bäcker musste Benzinger nach seinem Autounfall aufgeben. Zu unhygienisch sei eine Prothese in der Backstube, die Meisterprüfung mit einem Arm nicht machbar. Auf die Idee, seine Jugendleidenschaft Billard an den Nagel zu hängen, sei er jedoch nie gekommen: „Bis zur Prothesenversorgung habe ich genau drei Dinge getan: gegessen, geschlafen und Billard gespielt.“Benzinger ist mehrfacher Landesmeister und deutscher Vize-Meister bei den Gehandicapten, schaffte es außerdem unter die Nachrücker zu den deutschen Meisterschaften im „Gesunden-Sport“. Zusammen mit fünf Kollegen gründete er 2016 ein Team, das nur aus Spielern mit Handicap besteht. Wolfgang Schmid aus Mering, der beim BSC Kissing Mitglied ist, beobachtet das Turnier in Kissing immer mit besonderer Freude: „Es ist beeindruckend, wie professionell die Gruppe spielt. Auch der Umgangston ist ein ganz anderer.“Man sehe den Spaß am Sport, anders als bei vielen Turnieren fehle zwischen den Spielern jegliche Aggressivität.
Wichtiger Initiator im Behindertensport und jemand, der den Billard par excellence lebt, ist Franz Frauenhoffer. Dieser hat gemeinsam mit seiner Frau Regine eine Stiftung gegründet, die Randsportarten fördert. Unter dem Motto „Break the limits“setzt sich das Ehepaar besonders für Pool-Billard ein. Nächstes Jahr geht für Frauenhoffer ein lang ersehnter Traum in Erfüllung. Die Deutsche Billard Union (DBU) hat zugesichert, 2018 die erste deutsche Meisterschaft für Spieler mit Handicap auszutragen. Für ihn und die Vertreter in den Landesverbänden ist das ein riesiger Erfolg. Frauenhoffer erhofft sich außerdem, dadurch noch mehr Menschen für den Behindertensport zu begeistern. Dank neuer Technologien wie der Live-Übertragung sei man im Internet unerwartet auf hohe Resonanz gestoßen. 40 000 Zuschauer verfolgten das Finale der Behinderten bei der German Tour von ihren Bildschirmen aus. „Das Interesse für den Handicap-Sport ist da“, betont Frauenhoffer, „und dank der neuen Medien tut sich eine neue Welt auf.“
Der contergangeschädigte Mike Reißberg, der dieses Jahr ebenfalls zum Turnier antrat, landete bereits einen kleinen YouTube-Erfolg. Den Queue führt er mit dem Fuß und ist deshalb in der Szene mittlerweile eine echte Bekanntheit. Bei der bayerischen Meisterschaft in Kissing gab es noch keine Live-Übertragung. „Ich will das aber für die Zukunft nicht ausschließen“, sagt Frauenhoffer mit einem Augenzwinkern. Es gewann Norman Hopson im 8-Ball, Klaus Knappe schaffte es auf den ersten Platz im 9-BallTurnier.
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