An dieser Barrierefreiheit stößt man sich
Der Umbau an der Äußeren Ludwigstraße in Friedberg soll eigentlich Verbesserungen schaffen. Doch für Rollstuhl- und Rollatorfahrer ergeben sich neue Probleme. Schafft ein Ortstermin das Problem aus der Welt?
Friedberg Im Kreuzungsbereich von Ludwig-, Münchner und Aichacher Straße gehen die Arbeiten für den barrierefreien Ausbau voran. Die Bordsteine für Gehbehinderte sind abgesenkt, die Leitsysteme für Sehbehinderte installiert und die Ampeln werden derzeit mit sogenannten Tackern ausgestattet, die akustische Signale senden. Über 200000 Euro werden hier investiert. Doch Reinhard Gründler ist verärgert. „Da muss man ja Schlangenlinien fahren“, kritisiert er die neue Gestaltung vor der Bäckerei Scharold: „Das geht gar nicht.“
Gründler ist Heimfürsprecher im Karl-Sommer-Stift, wo seine Frau lebt. Weil er sie oft im Rollstuhl nach draußen bringt, fürchtet er eine neue Gefahrenstelle beim Überqueren der Herrgottsruhstraße. Dort ist nämlich seit dem Kreuzungsumbau der Gehsteig anders als zuvor nur noch auf einer Breite von einem Meter ganz abgesenkt. Und diese Furt führt genau zwischen Ampelmast und Abgang zur Tiefgarage hindurch.
„Das ist alles so eng“, kritisiert Gründler. Ein Rollator- oder Rollstuhlfahrer müsse hier Schlangenlinien fahren. Dabei sei dieser Bereich doch gerade die Hauptstrecke für die Bewohner des Senioren- und Pflegeheims, um zum TengelmannMarkt auf der anderen Seite der Kreuzung zu kommen. Er fürchtet, dass sich die Betroffenen an der Engstelle in die Quere kommen könnten. Es sei bereits mehrfach zu Stürzen gekommen, berichtet Gründler von seinen Gesprächen mit dem Personal der Bäckerei. Gründler hat sich deswegen bereits an die Stadt Friedberg gewandt. Aus dem städtischen Bauamt erhielt er die Antwort, dass der Umbau der Barrierefreiheit in ganzheitlicher Betrachtung diene, also auch blinden oder sehbehinderten Menschen.
Die Planung, die möglichst alle Belange berücksichtigen solle, sei zudem mit den Fachstellen und höheren Behörden abgestimmt und für gut gefunden worden, schreibt der zuständige Abteilungsleiter für Tiefbau, Stefan Meyr. Das bestätigt Josef Koppold, der Behindertenbeauftragte des Landkreises Aichach-Friedberg. „Wir haben das alle gemeinsam gemacht“, sagte er im Gespräch mit unserer Zeitung. Auch der Inklusionsbeirat der Stadt sei einbezogen gewesen, da habe man noch das eine oder andere optimiert.
Das grundsätzliche Problem beschreibt Josef Koppold so: Gehbehinderte haben andere Bedürfnisse als Sehbehinderte. Der Rollstuhlfahrer braucht einen möglichst höhengleichen Übergang vom Trottoir zur Fahrbahn, der Blinde hingegen benötigt die deutliche Kante zum Ertasten. Früher habe man als Kompromiss eine Bordsteinabsenkung von drei Zentimetern gewählt – mit dem Ergebnis, dass keiner so recht zufrieden war. Seit 2013 gelte jedoch eine neue DIN-Norm, die differenzierte Bordsteinhöhen vorsehe: eben die sogenannte Null-Absenkung für Rollstühle und Rollatoren und eine Bordsteinhöhe von sechs Zentimetern für Sehbehinderte. Koppold räumt ein, dass die Situation an der Herrgottsruhstraße nicht optimal sei und dass es von mehreren Seiten Kritik gebe. Doch auch aus Sicht des Behindertenbeauftragten ist das Problem nicht einfach zu lösen. Wäre die Null-Absenkung breiter, würde sie aber genau auf die Treppe zur Tiefgarage zuführen – und das ist zu gefährlich für die Fahrer von Elektrorollstühlen. Die Verlegung des Ampelmasts wäre eine Alternative, aber auch hier müsse die Verhältnismäßigkeit gewahrt sein. Josef Koppold, der selbst im Rollstuhl sitzt, rät darum zu gegenseitiger Rücksichtnahme. „Da muss man halt warten, bis der andere weggefahren ist.“
Heimfürsprecher Gründler lässt jedoch nicht locker. Er hat inzwischen auch an die Regierung von Schwaben geschrieben, die zur Klärung einen Ortstermin vorschlägt. Er soll heute um 14 Uhr stattfinden – unter Ausschluss der Öffentlichkeit.