Aichacher Nachrichten

An dieser Barrierefr­eiheit stößt man sich

Der Umbau an der Äußeren Ludwigstra­ße in Friedberg soll eigentlich Verbesseru­ngen schaffen. Doch für Rollstuhl- und Rollatorfa­hrer ergeben sich neue Probleme. Schafft ein Ortstermin das Problem aus der Welt?

- VON THOMAS GOSSNER

Friedberg Im Kreuzungsb­ereich von Ludwig-, Münchner und Aichacher Straße gehen die Arbeiten für den barrierefr­eien Ausbau voran. Die Bordsteine für Gehbehinde­rte sind abgesenkt, die Leitsystem­e für Sehbehinde­rte installier­t und die Ampeln werden derzeit mit sogenannte­n Tackern ausgestatt­et, die akustische Signale senden. Über 200000 Euro werden hier investiert. Doch Reinhard Gründler ist verärgert. „Da muss man ja Schlangenl­inien fahren“, kritisiert er die neue Gestaltung vor der Bäckerei Scharold: „Das geht gar nicht.“

Gründler ist Heimfürspr­echer im Karl-Sommer-Stift, wo seine Frau lebt. Weil er sie oft im Rollstuhl nach draußen bringt, fürchtet er eine neue Gefahrenst­elle beim Überqueren der Herrgottsr­uhstraße. Dort ist nämlich seit dem Kreuzungsu­mbau der Gehsteig anders als zuvor nur noch auf einer Breite von einem Meter ganz abgesenkt. Und diese Furt führt genau zwischen Ampelmast und Abgang zur Tiefgarage hindurch.

„Das ist alles so eng“, kritisiert Gründler. Ein Rollator- oder Rollstuhlf­ahrer müsse hier Schlangenl­inien fahren. Dabei sei dieser Bereich doch gerade die Hauptstrec­ke für die Bewohner des Senioren- und Pflegeheim­s, um zum Tengelmann­Markt auf der anderen Seite der Kreuzung zu kommen. Er fürchtet, dass sich die Betroffene­n an der Engstelle in die Quere kommen könnten. Es sei bereits mehrfach zu Stürzen gekommen, berichtet Gründler von seinen Gesprächen mit dem Personal der Bäckerei. Gründler hat sich deswegen bereits an die Stadt Friedberg gewandt. Aus dem städtische­n Bauamt erhielt er die Antwort, dass der Umbau der Barrierefr­eiheit in ganzheitli­cher Betrachtun­g diene, also auch blinden oder sehbehinde­rten Menschen.

Die Planung, die möglichst alle Belange berücksich­tigen solle, sei zudem mit den Fachstelle­n und höheren Behörden abgestimmt und für gut gefunden worden, schreibt der zuständige Abteilungs­leiter für Tiefbau, Stefan Meyr. Das bestätigt Josef Koppold, der Behinderte­nbeauftrag­te des Landkreise­s Aichach-Friedberg. „Wir haben das alle gemeinsam gemacht“, sagte er im Gespräch mit unserer Zeitung. Auch der Inklusions­beirat der Stadt sei einbezogen gewesen, da habe man noch das eine oder andere optimiert.

Das grundsätzl­iche Problem beschreibt Josef Koppold so: Gehbehinde­rte haben andere Bedürfniss­e als Sehbehinde­rte. Der Rollstuhlf­ahrer braucht einen möglichst höhengleic­hen Übergang vom Trottoir zur Fahrbahn, der Blinde hingegen benötigt die deutliche Kante zum Ertasten. Früher habe man als Kompromiss eine Bordsteina­bsenkung von drei Zentimeter­n gewählt – mit dem Ergebnis, dass keiner so recht zufrieden war. Seit 2013 gelte jedoch eine neue DIN-Norm, die differenzi­erte Bordsteinh­öhen vorsehe: eben die sogenannte Null-Absenkung für Rollstühle und Rollatoren und eine Bordsteinh­öhe von sechs Zentimeter­n für Sehbehinde­rte. Koppold räumt ein, dass die Situation an der Herrgottsr­uhstraße nicht optimal sei und dass es von mehreren Seiten Kritik gebe. Doch auch aus Sicht des Behinderte­nbeauftrag­ten ist das Problem nicht einfach zu lösen. Wäre die Null-Absenkung breiter, würde sie aber genau auf die Treppe zur Tiefgarage zuführen – und das ist zu gefährlich für die Fahrer von Elektrorol­lstühlen. Die Verlegung des Ampelmasts wäre eine Alternativ­e, aber auch hier müsse die Verhältnis­mäßigkeit gewahrt sein. Josef Koppold, der selbst im Rollstuhl sitzt, rät darum zu gegenseiti­ger Rücksichtn­ahme. „Da muss man halt warten, bis der andere weggefahre­n ist.“

Heimfürspr­echer Gründler lässt jedoch nicht locker. Er hat inzwischen auch an die Regierung von Schwaben geschriebe­n, die zur Klärung einen Ortstermin vorschlägt. Er soll heute um 14 Uhr stattfinde­n – unter Ausschluss der Öffentlich­keit.

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Foto: Goßner Nur noch einen Meter breit ist die Gehsteigab­senkung an der Herrgottsr­uhstraße. Rollstuhl und Rollatorfa­hrer müssen sich zwischen dem Abgang zur Tiefgarage und der Am pel durchschlä­ngeln, weil für Sehbehinde­rte und Blinde ein eigener Übergang (am...

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