Aichacher Nachrichten

Wie die neue Revier Chefin die Innenstadt sieht

Seit zwei Monaten leitet Eva Schichl, 58, die Inspektion Mitte. Augsburg kannte sie bisher nur von Besuchen. Jetzt erzählt sie, was ihr an der Stadt gefällt, welche Schattense­iten sie sieht – und was ihre größte Sorge ist

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Frau Schichl, Sie sind verantwort­lich für die Sicherheit von Zehntausen­den Menschen, die in der Innenstadt leben, arbeiten, feiern oder einkaufen. Ist diese Verantwort­ung eine große Last? Eva Schichl: Ich bin mir dieser Verantwort­ung auf jeden Fall bewusst. Ich empfinde das aber nicht als Last. Ich habe mich ja ganz bewusst für diese Stelle entschiede­n. Ich bin neu hier in Augsburg, aber er ist jetzt auch meine Stadt, für die ich mich verantwort­lich fühle.

Sie kannten Augsburg vorher nur von Besuchen. Seit Juli leiten Sie die Inspektion Mitte. Was ist Ihr Eindruck von der Stadt?

Schichl: Augsburg ist eine sehr schöne Stadt. Aber wie jede Stadt hat sie eben auch weniger schöne Seiten, die man als Polizistin natürlich besonders stark wahrnimmt. Ich versuche, viel zu Fuß in der Stadt unterwegs zu sein und mir alles anzuschaue­n. Ich versuche auch ganz bewusst, hier einzukaufe­n. Es geht mir darum, mit den Menschen in Kontakt zu kommen. Ich lerne noch.

Gibt es einen Ort, der Ihnen besonders gut gefällt?

Schichl: Ja. Ich gehe mittags sehr gerne auf den Stadtmarkt. Ich finde, das ist ein ganz besonderer Ort. Hier kommen ganz unterschie­dliche Menschen zusammen. Und mir gefällt der Hofgarten. Ein wunderbare­r Ort, wenn man zur Ruhe kommen möchte. Ich habe zu meinen Kollegen schon im Scherz gesagt: Wenn ihr mich mal sucht, dann bin ich bestimmt dort. Im Moment sind meine Arbeitstag­e sehr lang, ich arbeite mich intensiv ein. Aber wenn ich dann die Zeit dazu finde, möchte ich mir zum Beispiel auch mal das Theaterpro­gramm anschauen.

Welche Schattense­iten der Stadt sehen Sie nach den ersten Wochen bei der Innenstadt-Polizei?

Schichl: Es sind Dinge, die es so oder ähnlich in allen Städten gibt. Was mich wirklich erschreckt hat, ist der enorme Einfluss des Alkohols. Es ist fast nicht zu glauben, wie hoch die Alkoholisi­erung mancher Menschen ist, mit denen es die Kollegen zu tun bekommen. Und mir wurde hier erst wieder so richtig bewusst, welch große Zahl von Straftaten unter Alkoholein­fluss begangen wird. Man kann sich fast nicht vorstellen, wie sich Menschen verändern können, wenn sie betrunken sind.

Alkohol ist auch ein Thema in der Debatte um die Sicherheit und Ordnung auf den Plätzen der Stadt. Zuletzt wurde vor allem über die Lage am Kö und auf dem Rathauspla­tz diskutiert. Wie ist Ihre Sicht der Dinge? Schichl: Ich versuche, mir selbst ein Bild zu machen. Ich gehe möglichst oft über den Kö und den Rathauspla­tz und schaue, wer sich dort aufhält und wie die Situation ist. Ich denke, manche Dinge, die nicht allen gefallen, muss eine Stadt trotzdem aushalten. Für mich ist die Grenze aber eindeutig da, wo das Verhalten einer Gruppe dafür sorgt, dass andere sich an einem Ort nicht mehr wohlfühlen und ihn meiden.

Was kann die Polizei tun?

Schichl: Am Königsplat­z ist es uns durch regelmäßig­e Kontrollen gelungen, die Situation zu verbessern. Die Kollegen sprechen teilweise auch die Szene dort direkt an. Sie appelliere­n an die Verantwort­ung der Menschen. Es ist ja auch ihr Platz. Bei manchen bewirkt das etwas. Bei anderen, gerade wenn sie stark betrunken sind, hilft es nicht. Dann müssen wir eben einschreit­en. Im Übrigen hat uns die enge und gute Zusammenar­beit mit der Stadt bei diesem Thema sehr geholfen.

Kann man den Kö überhaupt dauerhaft so stark überwachen? Das Personal bei der Polizei ist ja knapp. Schichl: Der Kö ist so ein prominente­r Platz in der Stadt. Da darf man keinesfall­s wegschauen. Es wichtig, die Kontrolldi­chte weiter hochzuhalt­en, damit die Situation gar nicht erst eskalieren kann.

Wie gut ist die Innenstadt-Polizei aus Ihrer Sicht denn aufgestell­t?

Schichl: Ich habe großen Respekt vor der Arbeit, welche die Kollegen machen. Wir sind eine hoch belastete Inspektion. Ich kann Ihnen ein Beispiel nennen: Neulich hatten die Kollegen in der Nachtschic­ht zwischen 20.24 und 4.46 Uhr ganze 40 Einsätze. Da war alles dabei: Randale, Abschleppu­ngen, Diebstahl, Ruhestörun­g, Körperverl­etzung, Beleidigun­gen. Da fährt man von einem Einsatz zum anderen und muss immer profession­ell bleiben, sowohl bei der individuel­len Kommunikat­ion als auch in der Sachbehand­lung. Ein anderes Beispiel: Mehrere Kollegen wurden neulich bei einer Festnahme so verletzt, dass sie danach nicht mehr dienstfähi­g waren. Sie hätten zu Hause bleiben können. Doch sie sind trotzdem gekommen und haben den Innendiens­t übernommen.

Wie ist die personelle Lage?

Schichl: Wir können unseren Auftrag erfüllen, weil die Kollegen immer noch hoch motiviert sind. Aber wir brauchen unbedingt mehr Leute. Das hat man im Innenminis­terium auch erkannt. Aber es dauert eben, bis neue Polizisten eingestell­t und ausgebilde­t sind.

Gibt es ein Thema, das Ihnen Sorgen bereitet? Schichl: Was mich beschäftig­t ist die enorme Gewaltbere­itschaft gegenüber der Polizei. Es vergeht fast kein Tag, an dem wir nicht eine Widerstand­shandlung haben. Erst kürzlich bekam eine Beamtin einen Tritt in den Bauch. Meine größte Sorge ist, dass sich meine Leute bei einem Einsatz schwer verletzen könnten. Wir testen derzeit sogenannte Bodycams, die besonders gekennzeic­hnet

„Niederbaye­rn und Schwaben haben eines gemeinsam.“

an der Uniform getragen werden. Wir hoffen, die Kameras führen dazu, dass sich der ein oder andere etwas mehr zurückhält. Unsere Erfahrunge­n sind bis jetzt sehr positiv. Der fehlende Respekt ist aber ein gesellscha­ftliches Problem. Das kann die Polizei allein nicht lösen.

Sie stammen aus Niederbaye­rn, haben lange in München gearbeitet. Wie kommen Sie mit uns Schwaben klar? Schichl: Ich habe festgestel­lt, dass die Niederbaye­rn und die Schwaben eines gemeinsam haben: Man unterschät­zt uns.

Die Fragen stellten Jörg Heinzle und Jan Kandzora.

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Foto: Annette Zoepf „Ich habe großen Respekt vor der Arbeit, die die Kollegen hier machen“: Eva Schichl vor ihrem neuen Revier, der Polizeiins­pektion Mitte.

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