Start für erste Rübenernte ohne Zuckerquote
Im Südzucker-Werk in Rain hat die Verarbeitung begonnen. Sie soll diesmal fast bis Ende Januar dauern. Mit welchen Erwartungen der Werkleiter in die „heiße Phase“geht und welche Folgen das Ende der Marktordnung hat
Rain/Aichach Es dampft. Vergangene Woche hat in der Zuckerfabrik in Rain die Kampagne begonnen. Im Einzugsgebiet zwischen Württemberg und Regensburg sind jetzt die Vollerntemaschinen im Einsatz, damit das Material herangeschafft werden kann, aus dem in der Tillystadt eine gewaltige Menge Zucker gewonnen wird. Auch rund 300 Landwirte aus dem Wittelsbacher Land liefern die Hackfrüchte zur Verarbeitung in den Nachbarlandkreis. Die „heiße Phase“wird diesmal fast Rekordwerte erreichen: Fast bis Ende Januar 2018 steht die Fabrik rund um die Uhr unter Dampf. Seit Wochen liefen die Vorbereitungen bei Südzucker auf Hochtouren. Im Sommer wurde eine neue Maschine vom stillgelegten Werk in Regensburg nach Rain gebracht und dort neu montiert. Die kann Gelierzucker produzieren. Werksleiter Josef Vogl sieht darin eine Stärkung des Standortes Rain.
Eine weitere Investition ist nicht mehr rechtzeitig zum Kampagnenstart fertig geworden. Die neue Lagerund Versandhalle soll dann aber in den Wochen vor Weihnachten genutzt werden können. Damit würde sich die Lagerkapazität von Zucker erhöhen. 7000 Tonnen sollen in dem Neubau untergebracht werden. Zum Vergleich: Die großen Silos können bis zu 55 000 Tonnen Zucker aufnehmen.
Heuer werden laut Werksleiter Vogl deutlich mehr Rüben angeliefert als in den Vorjahren. 136 Tage soll das Werk auf Hochtouren laufen. Das habe mehrere Gründe: Zum einen sei die Anbaufläche nach der Öffnung des Marktes in diesem Jahr, dem Wegfall der Zuckerquote, um 23 Prozent gestiegen, zum anderen seien die Rüben auf den Äckern der rund 3000 Landwirte, die das Südzucker-Werk beliefern, „überdurchschnittlich gewachsen“. Je Hektar rechnet das Unternehmen mit einem Ernteertrag von 90 Tonnen. Die Zahl der Arbeitsplätze bleibe konstant, steige aber während der Kampagne auf 290 an. Das Werk in Rain zähle zu den mittelgroßen Produktionsstätten im Südzucker-Konzern.
In den nächsten vier Monaten werden täglich rund um die Uhr etwas mehr als 12000 Tonnen der Früchte mit Lastwagen nach Rain gebracht. Laut Werksleiter Vogl sind das rund 20 Ladungen pro Stunde. Das zu erwartende gute Ergebnis hat auch Nachteile: Nicht alle Mitarbeiter werden Weihnachten und Silvester feiern können, denn auch an den Feiertagen muss gearbeitet werden. Während der Kampagne testet die Firma ein neues Schichtbetrieb-Modell. Man will eine mitarbeiterfreundliche Lösung finden. Am Ende, so Vogl, werde man entscheiden, wie man den Rund-um-die-Uhr-Betrieb während der Kampagne am besten einteilen könne.
Der Konzern hat sich auf den „freien Markt“laut Vogl eingestellt und will künftig aus Europa heraus in die Welt exportieren. Dazu wurde im französischen Le Havre ein Hafenstützpunkt eingerichtet. Von dort soll der Zucker aus Deutschland verschifft werden. Mit dem Ende der Marktordnung ist für alle Lieferanten nicht nur der Garantiepreis für die Bauern gefallen, sondern auch die flächenmäßige Beschränkung – und in der Region gibt es ertragreiche Lagen.
Nach der Milchquote vor zwei Jahren kippte mit der Quote für Zucker die letzte Bastion der geregelten Märkte in der Landwirtschaft. Kritiker mahnen, durch ein Überangebot auf dem Weltmarkt könnte es, wie bei der Milch oder zum Beispiel beim Öl zum Preisverfall kommen. Es gibt Bedenken bei den Bauern, aber auch die Hoffnung auf neue Chancen. Bei der Rübe könne schneller auf einen Preisverfall reagiert werden als bei der Milch. Fachleute gehen davon aus, dass erst nach dem ersten Jahr mit einem freien Markt deutlich wird, wohin die Preise und damit die Reise für die Rübenbauern und die Zuckerindustrie gehen wird.