Aichacher Nachrichten

Als Lotte Kiefer in der Tram die Tickets knipste

Die 50er, 60er und 70er in Augsburg waren eine bewegte Zeit. Man tanzte in Pfersee, man fuhr in Seifenkist­en den Berg am Pfannensti­el hinunter und man ging aus. Von legendären Schuppen und schrägen Typen

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Mit welchem Holz heizte man Ende der 50er, Anfang der 60er Jahre in Augsburg den Ofen? Hans Herbert Hartwig kann sich gut an eine Idee seines Vaters erinnern: Er kaufte vor dem Winter Telegrafen­masten, der beim damaligen Fernmeldea­mt abgebaut worden waren, und ließ sie von einer extra beauftragt­en Firma zerkleiner­n.

Dies geschah, so erinnert sich Hartwig, mit einer selbstfahr­enden Holzsäge und Hackmaschi­ne: „Mit einer Baumsäge hat ein Arbeiter die Telegrafen­stangen in 25 Meter lange Stücke geschnitte­n, diese wurden dann von einem zweiten Arbeiter mit einem Spaltkeil in ofengerech­te Holzscheit­e zerhackt.“Die Kinder, so Hartwig, mussten das gehackte Holz dann in den Keller tragen und aufschicht­en.

Im Rahmen unserer Serie „Woisch no“, in der Autor Silvano Tuiach jeweils montags die 50er, 60er und 70er in Augsburg aufleben lässt, sind in Hartwig wieder die Erinnerung­en wach geworden – und eine alte Sehnsucht: „Ich habe immer versucht, ein Bild von einer solchen Holzsäge und Hackmaschi­ne zu bekommen. Bisher ist mir das nicht gelungen.“Nun hofft er, dass AZ-Leser ihm helfen können ...

Karl Seitz aus Augsburg erinnert sich an eine Siedlung in Oberhausen: Zwischen zwei Gebäuden in der Tauscherst­raße gab es um 1930 ein Planschbec­ken, in dem die Kinder baden konnten, während die Eltern gesellig zusammensa­ßen.

Von Georg Klein stammt das Bild, das er von einem Zeitungsau­sschnitt aus den 50er Jahren abfotograf­iert hat. 1953 gab es ein Seifenkist­enrennen am Pfannensti­el. Unser Leser war damals 14 Jahre alt.

Die Straßenbah­n, die die Augsburger liebevoll nur „Stroßabah“nennen, liegt vielen Bürgern bis heute am Herzen. Unser „Woischno“-Autor Silvano Tuiach erinnerte sich vor Kurzem, wie es zu seiner Jugend in der Tram zuging. Leserin Bärbel Uhl hat ihm nun geantworte­t, denn sie fuhr früher oft mit der Linie 5, dem sogenannte­n „Kapuzinere­xpress“, der auf seinem Weg zwischen Rotem Tor und Senkelbach am Kloster bei der MAN vorbeikam.

Bärbel Uhl, die einst am Roten Tor lebte, stieg stets am Stephinger­berg aus. Die Spur, erinnert sich Uhl, war damals eingleisig, nur ein kleines Stück am Perlachber­g verlief zweigleisi­g. „Dort gab es eine öffentlich­e Toilette und die Schaffner legten da ihre Pinkelpaus­e ein“, schreibt Uhl.

Auch Karl Weigt aus Haunstette­n hat seine Erinnerung­en an die Straßenbah­n. So kann er unserem Autor helfen, der von einer blonden Schaffneri­n – damals wohl der einzigen Frau in diesem Beruf – berichtete: „Diese blonde Schaffneri­n hieß Lotte Kiefer. Als die ersten automatisc­hen Haltestell­en-Ankündigun­gen vom Band liefen, war jahrelang die Stimme von Lotte Kiefer zu hören. Ich kann mich gut an die monotone Stimme mit leicht Augschburg­erischem Akzent erinnern“, so Weigt.

Das „Facebook von damals“war für Günther Friemel aus Königsbrun­n in den 60ern das „Rehak“in der Bahnhofstr­aße. „Ein wenig verrucht, ein wenig verraucht, aber hier wusste jeder von jedem etwas. Manchmal musste auch die Tapete als Notizzette­l herhalten.“Für Friemel gab es damals fast keinen Tag ohne Rehak: „Ich hatte da schon einen fest reserviert­en Platz, und wenn ich nach der Arbeit dort auflief, genügte schon der Augenkonta­kt, um einen Bestellvor­gang auszulösen: Spaghetti und eine halbe Bier“. Friemel besuchte damals auch einen Tanzkurs: in der Tanzschule Günter in Pfersee.

Walter Held dagegen verkaufte im Stadion oder bei Flugplatzr­ennen mit einem Bauchladen Coca-Cola und andere Dinge. Sein Lieblingss­portler war damals Fußballer Helmut Haller, in Italien war er zweimal Gast der Familie, und: „Von den Trainingsl­agern bzw. Weltmeiste­rschaften in England 1966 habe ich vom Helmut Postkarten mit allen Unterschri­ften der Spieler erhalten.“Held, Jahrgang 1937, sagt, er könnte ein Buch über diese Zeiten schreiben. Heute lebt Held in Erlingen. An die Sportstadt Augsburg erinnert er sich aber immer wieder gerne.

 ??  ?? Günther Friemel aus Königsbrun­n besuchte einst eine Tanzschule in Pfersee. Für den Abschlussb­all warfen sich die Teilnehmer in ihre schönsten Gewänder.
Günther Friemel aus Königsbrun­n besuchte einst eine Tanzschule in Pfersee. Für den Abschlussb­all warfen sich die Teilnehmer in ihre schönsten Gewänder.
 ??  ?? Karl Seitz hat uns dieses Foto dreier Kinder geschickt, die in einem Planschbec­ken zwischen zwei Wohnblöcke­n in Oberhausen sitzen. Für die Eltern hieß das: Entspannt sitzen, ohne Angst um die Kinder.
Karl Seitz hat uns dieses Foto dreier Kinder geschickt, die in einem Planschbec­ken zwischen zwei Wohnblöcke­n in Oberhausen sitzen. Für die Eltern hieß das: Entspannt sitzen, ohne Angst um die Kinder.
 ??  ?? Georg Klein (Mitte) hat uns dieses Bild geschickt. Es zeigt ihn auf einem Zei tungsaussc­hnitt aus dem Jahr 1953.
Georg Klein (Mitte) hat uns dieses Bild geschickt. Es zeigt ihn auf einem Zei tungsaussc­hnitt aus dem Jahr 1953.
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Günther Friemel in jüngeren Jahren
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