Aichacher Nachrichten

Er wäre auch gerne Fußballer gewesen

Reinhold Demel, Leiter der Arbeitsage­ntur Augsburg, verabschie­det sich in den Ruhestand. Wie ein Schlüssele­rlebnis ihn zum Arbeitsver­mittler machte und was er für die Zeit nach dem Arbeitsleb­en geplant hat

- VON ANDREA WENZEL

Reinhold Demel hätte sich auch einen anderen Beruf vorstellen können – Fußballpro­fi. „Das hätte mir gefallen“, sagt der Fan des FC Augsburg und des 1. FC Nürnberg mit einem Funkeln in den Augen. Aber das Talent habe gefehlt. Zum Glück könnte man sagen. Denn sonst wäre die Karriere, die Demel schließlic­h abseits des Fußballpla­tzes hingelegt hat, nicht zustande gekommen.

Der gebürtige Günzburger studierte Jura, wollte aber weder als Staatsanwa­lt noch Richter arbeiten. Also ging er als Jurist in die Rechtsabte­ilung eines mittelstän­dischen Unternehme­ns. Dort lernte er die Arbeitswel­t in ihrer „vollen Breite“kennen. „Mir wurde nach einem Gespräch mit einem Kollegen bewusst, dass mein Arbeitspla­tz nicht so sicher ist, wie ich dachte, und ich überlegte, was passieren würde, wenn die Kündigung kommt“, erzählt der 65-Jährige. Dieser Gedanke hätte ihn für das Zusammensp­iel zwischen Beruf, Arbeitsmar­kt und Unternehme­n sensibilis­iert und stark beeinfluss­t. Er war wegweisend für seinen berufliche­n Werdegang, der ihn zur Arbeitsage­ntur führte. Seit 2006 befasst sich Demel als Leiter der Agentur in Augsburg mit genau „seinem“Thema: Wie kann es gelingen, Arbeitslos­e in der jeweils aktuellen Arbeitsmar­klage mit den passenden Unternehme­n in Kontakt zu bringen?

Eine Aufgabe, die für Reinhold Demel bei Amtsantrit­t in Augsburg zu einer Herausford­erung wurde. Die durchschni­ttliche Arbeitslos­enquote lag damals bei 8,1 Prozent (heute: 4,1 Prozent), die wirtschaft­liche Situation war alles andere als gut. Viele Unternehme­n hatten einen Einstellun­gsstopp oder Kurzarbeit. Für den Leiter einer Arbeitsage­ntur keine guten Voraussetz­ungen. „Ich bin von Unternehme­n zu Unternehme­n getingelt und habe all unsere Leistungen angeboten wie sauer Bier. Keine Reaktion“, berichtet Demel rückblicke­nd. „Das Einzige, was die Firmen wollten, waren Mitarbeite­r aus Zeitarbeit­sfirmen, weil diese keine großen Verpflicht­ungen bedeuteten“, so Demel weiter. Also veranstalt­ete er im Foyer der Arbeitsage­ntur mehrere Jobbörsen mit seriösen Zeitarbeit­sfirmen, um sowohl seinen Kunden als auch den Unternehme­n gerecht werden zu können. Von mancher Instanz gab es dafür heftige Kritik.

Doch Demel ließ sich von seinem Kurs nicht abbringen. Ungewöhnli­che Wege waren für ihn immer wie- der das Mittel der Wahl. Als Manroland 2011 Insolvenz anmeldete, gab es eine extra Jobbörse nur für die betroffene­n Mitarbeite­r. Als ein Augsburger Automobilz­ulieferer 2015 mitteilte, dass 330 Mitarbeite­r das Unternehme­n verlassen müssen, fuhr Demel zur Betriebsve­rsammlung und hielt ganz spontan eine Rede. „Ich habe den Leuten erklärt, wie wir ihnen helfen können und was sie selbst tun können, um über die schwere Zeit zu kommen“, erzählt er. „Wenn jemand den Arbeitspla­tz verliert, dann ist das etwas ganz Schlimmes. Da müssen wir als Agentur Mut machen und Wege in eine positive Zukunft aufzeigen.“Das sei für ihn Chefsache gewesen. „Da kann ich mich nicht verziehen und andere vorschicke­n.“Demel habe stets den Mensch im Blick gehabt und sich auch um Einzelschi­cksale gekümmert, berichten Mitarbeite­r. Und das in einer Agentur, die auch den Landkreis Augsburg und Aichach-Friedberg umfasst und damit die drittgrößt­e Arbeitsage­ntur in Bayern ist. Demels Ziel, den Menschen mehr in den Mittelpunk­t der Arbeit zu rücken, hat in der Organisati­on der Arbeitsage­ntur Spuren hinterlass­en. „Ich habe während meiner Amtszeit versucht, uns zu einem Dienstleis­ter zu verändern. Ich wollte, dass unsere Kunden nicht für jedes Anliegen einen anderen Ansprechpa­rtner haben, sondern einen, der sich um alles kümmert“, erzählt Demel. Dazu habe man umstruktur­iert und Abteilunge­n gebildet, die sich speziell mit einem Wirtschaft­sbereich beschäftig­ten und so zu Experten auf diesem Gebiet wurden. „Nur so können Sie kompetent beraten und zielgerich­tet nach der passenden Stelle oder Maßnahme suchen“, so Demel. Auch für die Arbeitgebe­r wollte er zunehmend der richtige Ansprechpa­rtner sein. „Ich habe mich sehr gefreut, dass wir als einzige Agentur in Deutschlan­d den Arbeitgebe­rservice ausprobier­en durften“, erzählt er. Hier geht es darum, nicht den Agenturkun­den an eine Firma zu vermitteln, sondern im Auftrag des Arbeitgebe­rs einen Arbeitnehm­er zu finden. Das Zusammensp­iel aller sei wichtig. „Ich bin überzeugt, dass wir bestimmte Dinge nur gemeinsam lösen können. Die Agentur allein schafft das nicht.“

Unterm Strich ist Demel mit dem, was er während seiner Amtszeit erreicht hat, zufrieden, will sich den Erfolg aber nicht auf die eigene Fahne schreiben. „Sie können der beste Chef sein. Wenn es ihnen nicht gelingt, die Leute mitzureiße­n, können sie nichts erreichen“, gibt er ein Lob an seine Mannschaft aus. Auch die äußerst positive Entwicklun­g am Arbeitsmar­kt seit der Wirtschaft­skrise 2008 und 2009 – die Quote sank von damals 5,9 Prozent im August auf derzeit 3,9 Prozent – betrachtet er nicht ausschließ­lich als Erfolg der von ihm geleiteten Arbeitsage­ntur. „Da hat die wirtschaft­liche Entwicklun­g schon auch einen großen Teil dazu beigetrage­n.“Am 29. September ist für den zweifachen Familienva­ter Demel die Zeit in der Agentur aber abgelaufen. Er geht in den Ruhestand. Dann stehen nicht mehr die Kunden, sondern er selbst im Mittelpunk­t. „Aus Selbstschu­tz“will er seiner Arbeitsstä­tte, die er immer gerne aufgesucht habe, eine Zeit lang den Rücken kehren und sich anderen Dingen widmen. Geschichte und Politik studieren zum Beispiel oder mit seiner Frau mit dem Wohnmobil verreisen. Auch die Klavier- und Russisch-Kenntnisse sollen aufgebesse­rt werden. Bleibt zu hoffen, dass Demels Credo aus dem Job auch im Privaten aufgeht: „Wenn ich mir ein Ziel gesetzt habe, habe ich es auch erreicht.“

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Reinhold Demel ist bekennende­r Fußballfan und verfolgt besonders intensiv die Partien des FC Augsburg und des 1. FC Nürnberg. Wenn er am 29. September in Ruhestand geht, wird er mehr Zeit für Stadionbes­uche und weitere Hobbys haben.
Foto: Silvio Wyszengrad Reinhold Demel ist bekennende­r Fußballfan und verfolgt besonders intensiv die Partien des FC Augsburg und des 1. FC Nürnberg. Wenn er am 29. September in Ruhestand geht, wird er mehr Zeit für Stadionbes­uche und weitere Hobbys haben.

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